Erste Warnstreiks waren erfolgreich
In der aktuellen Tarifrunde im öffentlichen Dienst ist man auch nach der zweiten Verhandlungsrunde keinen Schritt weiter. Wut und Zorn wachsen daher. Beim Warnstreik in NRW am 1. März gab es eine starke Beteiligung. Kein Wunder, geht es doch diesmal nicht nur um Prozente sondern um die erstmalige tarifliche Eingruppierung von rund 200.000 Lehrkräften bundesweit! – Doch was muss passieren, damit die Verluste seit 2006 endlich wettgemacht werden?
von Max Höhe, Köln
Der erste Warnstreik, den die GEW in diesem Jahr in Nordrhein-Westfalen (NRW) ausgerufen hat, war erfolgreich gewesen. Waren es bei der letzten Tarifrunde im Mai 2010 noch rund 2.500 KollegInnen, die ihre Arbeit niedergelegt hatten, so zählte man jetzt am 22. Februar 2011 landesweit immerhin 3.000 LehrerInnen, sozialpädagogische Fachkräfte etc., die sich am ersten Warnstreik dieses Jahres beteiligten. Und: Darunter waren diesmal mehr BeamtInnen als noch 2010.
Worum geht es?
Trotz mangelhafter Mobilisierung seitens der Gewerkschaften (es gab noch nicht einmal einen offiziellen Streikaufruf für verbeamtete LehrerInnen!) zeigen die KollegInnen Kampfbereitschaft. Verwundern kann das allein deshalb nicht, weil seit Ablösung des alten Bundesangestelltentarifs (BAT) durch den Tarifvertrag Land (TV-L) im Jahr 2006 die Ungleichbezahlung im öffentlichen Dienst zwischen verbeamteten und angestellten KollegInnen nicht nur manifestiert sondern drastisch verschärft wurde. Alles in allem kann man sagen, dass die Schere zwischen Einkommen und Gehältern seither bei gut 30 Prozent liegt!
Die offizielle, viel zu bescheidene Forderung der Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes (ver.di, GdP, GEW und dbb) nach 50,- € Zulage für alle plus drei Prozent wird bei den Streikaktionen von den KollegInnen weniger bis gar nicht erwähnt. Im Vordergrund steht für die LehrerInnen ohne Zweifel die Forderung nach einer tariflich festgeschriebenen Eingruppierungsregelung innerhalb des TV-L, die die Schere verringern wenn nicht gar schließen kann.
TV-L ist kein Tarifvertrag
Weil seit Einführung des TV-L vor mittlerweile mehr als vier Jahren überhaupt nicht tariflich festgelegt ist, welcheR KollegIn mit welchen Tätigkeitsmerkmalen wie in der Entgelttabelle eingruppiert werden muss, „regelt“ dies jedes der 14 Bundesländer, die in der Tarifgemeinschaft der Länder (TdL) vertreten sind, eigenständig. Oder anders formuliert: Es herrscht ein Vergütungssystem für angestellte LehrerInnen nach Gutsherrenart. Ein Tarifvertrag ohne festgelegte Eingruppierung ist als solcher seinen Namen nicht wert!
Das hat dazu geführt, dass ein Lehrer mit denselben Tätigkeitsmerkmalen und derselben Qualifikation z.B. in Niedersachsen noch einmal zwei Entgeltgruppen (EG) niedriger eingruppiert wird als in NRW.
Rolle der GEW
Die GEW ist bundesweit mit einer guten Forderung ins Rennen gegangen. Nach der Devise „Gleiches Geld für gleiche Arbeit“ wurde die Forderung nach schulformunabhängiger gleicher Bezahlung und „EG 14 für alle“ aufgestellt. Mit dieser Forderung identifizieren sich heute immer noch die KollegInnen an der Basis. Und diese Forderung ist der Hauptgrund für die alles in allem gute Mobilisierungsfähigkeit in den Schulen insgesamt.
Der große Schwachpunkt hingegen ist, dass mittlerweile nicht mehr „EG 14 für alle“ propagiert wird, sondern nur noch von „einem Schritt in Richtung tariflich fixierter Eingruppierungsregelung“ gesprochen wird.
Gründe für das Einknicken
Doch wie kann das sein? – Am 22. Februar 2011 sagte die Bundestarifkommissionsvorsitzende der GEW, Ilse Schaad bei der Warnstreik-Kundgebung in Köln: „Der TV-L hat uns in die Scheiße geritten!“. Ihr und dem Rest der GEW-Führung scheint klar zu sein, dass man den KollegInnen nicht mehr vermitteln kann, warum ein neu eingestellter Lehrer in NRW bspw. 1.600,- € netto als Angestellter jedoch 2.100,- € netto als Beamter mit nach Hause bringt – für dieselbe Arbeit mit denselben SchülerInnen.
Ein Hindernis sind die Zwistigkeiten zwischen den beiden DGB-Gewerkschaften GEW und ver.di. So wurde beim zweiten Warnstreiktag in NRW am 1. März 2011 bei der zentralen Kundgebung in Düsseldorf die GEW einfach von der Redeliste genommen – trotz großer Beteiligung der LehrerInnen? KollegInnen, die vor Ort waren, berichten, dass der Hauptredner Frank Bsirske (Vorsitzender von ver.di) fast ausschließlich von „fünfzig Euro und drei Prozent mehr“ gesprochen hat – also das wichtige Anliegen der LehrerInnen nicht zur Sprache brachte.
Die Rheinische Post vom 1. März 2011 schreibt zudem: „Gewerkschaftsinternen Unmut gibt es vor Streikbeginn über einen Aufruf der GEW, wonach sich ganze Lehrerkollegien und damit auch Beamte an den Streiks beteiligen sollen. Der dbb [Deutscher Beamtenbund; Anm. d. Verf.] lehnt einen Arbeitskampf verbeamteter Lehrer kategorisch ab.“ Das, obwohl es einen solchen Streikaufruf für verbeamtete LehrerInnen in NRW bisher leider immer noch nicht gibt.
Wende ist möglich!
Hoffnung macht jedoch, dass beim zweiten Streiktag, der am 1. März 2011 in NRW organisiert wurde, 10.000 KollegInnen den Weg zum zentralen Kundgebungsort nach Düsseldorf fanden. Und davon war die Hälfte zweifelsfrei durch die GEW mobilisiert worden. Unter den LehrerInnen wiederum gab es eine gut sichtbare Menge an Mitgliedern von SchaLL, der „Schutzgemeinschaft angestellter Lehrerinnen und Lehrer“. Hierbei handelt es sich um eine Gruppe zumeist ehemaliger GEW-Mitglieder, die sich eben wegen der Einführung des TV-L von ihrer GEW nicht mehr ausreichend vertreten gefühlt und eine eigene Organisation gegründet haben.
Wenn sich die kritischen Kräfte vereinen und gemeinsam zeigen, dass auch am Arbeitsplatz Schule alle Räder still stehen können, dann ist es für die KollegInnen des öffentlichen Dienstes überhaupt kein Problem, 14 hochnäsige Landesfinanzminister in die Knie zu zwingen! Und diese kritischen Kräfte werden auch in der GEW mehr und stärker.
Am Ende muss allen klar sein: Das Ziel der tariflich festgelegten Eingruppierung zur Erreichung gleicher Bezahlung von Angestellten und BeamtInnen darf nur ein Etappenziel sein. Denn die politischen Entscheidungsträger haben die nächsten Angriffe auf die Gesamtheit der KollegInnen schon beschlossen. So soll in NRW durch eine „reformierte“ Prüfungsordnung jedeR ReferendarIn drei Monate früher aus dem Vorbereitungsdienst entlassen werden. Was zur Folge hat, dass man künftig nach Abschluss des Referendariats und bis zum nächsten Einstellungstermin per se drei Monate komplett ohne Einkommen dasteht! Nach eigenen Angaben bringt diese Maßnahme dem Land NRW jährliche Einsparungen von 77 Millionen Euro!
Die Losung muss folglich lauten: Kritik offen äußern, sich aktiv einbringen, gemeinsame Kampfstrategien erarbeiten, Streiks ausweiten bis hin zum Erzwingungsstreik und das Ganze sehen – nicht „nur“ die Bezahlung sondern auch die Arbeitsbedingungen von Angestellten UND BeamtInnen!