Dresden verklagt den Besitzer der vor sechs Jahren privatisierten Wohnungen. Er soll 1,1 Mrd. Euro an Vertragsstrafen zahlen. Bilanz einer Privatisierung
Privatisierungen sind Diebstahl an öffentlichem Eigentum – diese einfache Wahrheit war leider nicht allen Stadtratsabgeordneten der Linkspartei.PDS klar, als sie vor sechs Jahren dem Verkauf aller 48.000 Dresdner Wohnungen an den US-Investor „Fortress“ den Segen gaben und mit ihren Stimmen den Verkauf der Wohnungen erst ermöglichten.
von Steve Kühne, Dresden
Christine Ostrowski, einst stellvertretende Vorsitzende der PDS und zwischen 1998 und 2002 Bundestagsabgeordnete, war eine der ProtagonistInnen des Verkaufs. Etwa die Hälfte der Fraktion der Linkspartei.PDS teilten ihren Standpunkt, dass der Verkauf der WOBA Dresden nicht nur von allen Schulden befreien und das eingespielte Geld Sanierungen in Bädern und Schulen ermöglichen würde. Außerdem würden so andere Privatisierungen, wie die der zwei Krankenhäuser im städtischen Eigenbetrieb, unnötig werden. Nicht zuletzt könne man ja mit dem US-Investor „Fortress“ eine Sozialcharta verhandeln, die dann als Teil des Kaufvertrags, die MieterInnen schützen sollte. Den letzten Baustein dieser Argumentation stellte dann Feststellung dar, dass der Lehrstand in Dresden derartige Ausmaße angenommen hätte, dass Mieterhöhungen nahezu ausgeschlossen seien.
Verkauf trotz Widerstand
Gegen die Pläne formierte sich bald Widerstand, der nicht zuletzt deshalb halbherzig bleiben musste, weil die Linkspartei.PDS sich in einem tiefen Streit darum befand, ob man der Privatisierung der WOBA zustimmen könne oder nicht. Der DGB organisierte eine Bürgerbefragung, die die Vorstufe zu einem Bürgerentscheid bildet. Allerdings kamen die nötigen Unterstützerunterschriften nicht zusammen. Kein Wunder, die Presse wartete schnell damit auf, dass der DGB zwar in Dresden gegen Wohnungsprivatisierungen kämpfe, gleichzeitig aber die eigenen, von Mitgliedsbeiträgen gekauften Gewerkschaftshäuser und dem DGB gehörende Wohnungen an private Investoren veräußern wolle. Wer nicht glaubwürdig erscheint kann keine Kämpfe gewinnen – der DGB konnte nur verlieren!
Erwartungsgemäß kam in der Abstimmung über den Verkauf der WOBA die notwendige Mehrheit aus CDU,FDP und Abtrünnigen der Linkspartei.PDS zustande. Gemeinsam stimmten sie auch einen Antrag der SPD nieder, der zum Ziel hatte doch noch einen Bürgerentscheid anzustoßen. Damit veräußerte die Stadt die Wohnungen zu einem viel zu niedrigen Stückpreis von 35.000 Euro an die GAGfAH, an der wiederum Fortress eine Mehrheitsbeteiligung hält.
Christine Ostrowski war mit sich selbst derart zufrieden, dass sie gleich nach dem Abschluss des Vertrages mit „Fortress“ durch die Landen zog und andere Kommunen beim Verkauf ihrer Wohnungen beriet. Es folgte, nach langem Tauziehen, der Ausschluss der Privatisierungsbefürworter aus der Fraktion.
Sozialcharta lächerlich
Die Sozialcharta sollte die MieterInnen vor negativen Auswirkungen der Privatisierungsmaßnahme schützen, vor allem aber die erzürnte Dresdner Öffentlichkeit beruhigen. So versprach man, wenn der neue Eigentümer der Mietskasernen, die GAGfAH, die Wohnungen jemals weiterverkaufe, so müsse sie dieselben zunächst den MieterInnen zum Kauf anbieten. Dieses Mieterrecht sollte beim Verkauf an den neuen Eigentümer übergehen. Woher allerdings die MieterInnen das Geld nehmen sollten, um eine Wohnung zu kaufen, blieb das Geheimnis der Architekten der Sozialcharta. Unangemessene Mieterhöhungen sollten ausgeschlossen werden. Was unangemessene Mieterhöhungen sind, in Wohnungen, die vornehmlich von wenig zahlungskräftigen MieterInnen bewohnt werden, ist nicht nur unklar, sondern auch gegenstandslos, bedenkt man, dass bereits ein halbes Jahr nach Verkauf der neue Eigentümer die Mieten in unsanierten Plattenbauten in Prohlis erhöhte. Die Idee dabei war einfach, man wollte die MieterInnen – in diesem Viertel nicht selten Hart-IV-EmpfängerInnen – los werden, um die Wohnungen abreißen zu können. Denn eine Verringerung des Leerstandes, auf den die Stadtratsabgeordneten so gehofft hatten, war gleichbedeutend mit wachsenden Mieten. Dabei half auch die Stadt, die den Verkauf schmackhafter machte, indem sie ebenfalls Wohnungen abreißen ließ und desgleichen der GAGfAH zubilligte.
Der ganz normale Wahnsinn des Kapitalismus
Die börsennotierte GAGfAH und die veräußerte WOBA taten alles um Geld zu sparen. Es ging nicht mehr darum die MieterInnen gut zu versorgen, denn mit dem Verkauf hatte die WOBA keinen Versorgungsauftrag mehr, es ging nur noch um Profit: Notwendige Reparaturen wurden nicht gemacht, WOBA-Angestellte, die Mängelanzeigen und Beschwerden abwiegelten, erhielten Extra-Vergütungen. Trotz des Sanierungsbedarf schütteten sich die Vorstände von GAGfAH und Fortress jährlich 45 Millionen Euro an Gewinnen aus.
Der sächsischen Landeshauptstadt gingen zudem die Einnahmen aus der Gewerbesteuer verloren, weil Fortress und GAGfAH im Namen der WOBA derartig viele und hohe Kredite aufnahm, dass die WOBA von der Gewerbesteuer ausgenommen wurde.
Als wäre das nicht genug verkaufte die GAGfAH WOBA-Wohnungen an andere Investoren, ohne den MieterInnen den Kauf der Wohnungen anzubieten. Dabei kam der Verdacht auf, dass einige Käufer von der GAGfAH gegründete Briefkastenfirmen sind.
Stadt reicht Klage ein
Abgesehen von den Grünen, die wenig zuversichtlich sind, was eine gerichtliche Auseinandersetzung betrifft, stimmten im März alle Stadtratsfraktionen für die Einreichung der Klage. Die Stadt fordert die Zahlung von Vertragsstrafen in Höhe von 1,1 Mrd. Euro. Das kommt überraschend. Bis zuletzt hatte die GAGfAH noch mit der CDU verhandelt, die Schaffung von Arbeitsplätzen in Dresden angeboten, wenn nur auf eine Klageeinreichung verzichtet würde. Bis zuletzt hatte die CDU über diese Möglichkeit laut nachgedacht.
DIE LINKE reagiert schwach
Interessant ist, dass die Stadt, allen voran die Oberbürgermeisterin Helma Orosz (CDU), von den Vertragsverstößen wusste, nur den Stadtrat nicht informierte. Das DIE LINKE auf diese Informationsquelle angewiesen ist offenbart ihr größtes Problem. Sie hat in zahlreichen Dresdner Stadtteilen keine funktionierenden Strukturen. Hätte die Mitglieder und funktionierende Parteigruppen in jenen Stadtteilen, in denen es viele GAGfAH-Wohnungen gibt, also vor allem in den ärmeren Dresdner Bezirken, so wäre sie auf die Informationen Helma Orosz‘ nicht angewiesen.
Gerade die jetzige Situation würde ihr jedoch den Aufbau derartiger Gruppen erlauben, wenn sie es verstehen würde eine Kampagne für die Rekommunalisierung der WOBA-Wohnungen zu in initiieren. Im Stadtrat hatte sie einen entsprechenden Antrag gestellt. Natürlich wurde dieser abgelehnt. Und damit war DIE LINKE mit ihrem Latein am Ende! Wie blamabel. Jetzt müsste gekämpft werden. Es müssten Veranstaltungen organisiert und die Bevölkerung informiert und zu Aktionen mobilisiert werden.
Gerade jetzt plant die Stadt unbegreiflicherweise die Privatisierung der beiden städtischen Krankenhäuser. DIE LINKE müsste den Kampf gegen die Privatisierung der Krankenhäuser und für die Rekommunalisierung der Wohnungen verbinden, denn Beides liegt so nahe beieinander. Leider tut DIE LINKE nichts dergleichen und verlässt sich vollends – so wie auch die CDU und die FDP und die SPD – auf die Gerichte. Doch das wird das Problem nicht klären!