30. Juni 2011: Streiktag in Großbritannien

Britische Gewerkschaften proben Aufstand gegen Kürzungspaket.


 

Am Donnerstag soll es in Großbritannien knallen: Für den 30. Juni rufen die Gewerkschaft für Staatsangestellte PCS, die Gewerkschaft für Lehrende an Universitäten und Colleges UCU, die Lehrergewerkschaft NUT und die Gewerkschaft für Lehrende und Lehrer ATL ihre Mitglieder zu einem gemeinsamen Streik auf. Damit soll gegen Pläne der britischen Regierung protestiert werden, die Renten im öffentlichen Dienst zu beschneiden. Die gemäßigte ATL mobilisiert zum ersten Mal in ihrer Geschichte zu einem Arbeitskampf. Es wird mit rund 800.000 Streikenden gerechnet.

von Christian Bunke, Manchester

Der Angriff auf die Renten im öffentlichen Dienst ist Bestandteil des Kürzungsprogramms der konservativ-liberalen Regierung. Insgesamt sollen 2,8 Milliarden Pfund aus dem Rentensystem genommen und in die Hände der großen britischen Banken verschoben werden. Beschäftigte sollen länger arbeiten, teilweise bis zum 69. Lebensjahr. Der Anteil des Jahreslohnes, der zur Bezahlung der Renten herangezogen wird, wird sich um rund fünf Prozent erhöhen – während die Renten sinken sollen.

Der geplante Streik ist die erste große Widerstandsaktion britischer Gewerkschaften auf nationaler Ebene seit der Großdemonstration am 26. März in London. Zusätzlich sind verschiedene lokale Arbeitsniederlegungen angekündigt. Mit dabei ist auch wieder das »UK Uncut«-Netzwerk. Dieses ruft die Bevölkerung dazu auf, Streikposten zu besuchen und das Gespräch mit den Streikenden zu suchen. Geplant sind auch symbolische Besetzungsaktionen.

Die Gefängniswärtergewerkschaft POA wird zur Mittagszeit öffentliche Betriebsversammlungen vor den Toren von Gefängnissen abhalten. Sie will in dieser Form ihre Solidarität mit dem Streik ausdrücken. Derweil hat auch die Journalistengewerkschaft NUJ eine Reihe von Arbeitsniederlegungen in Lokalredaktionen von Zeitungen auf dieses Datum gelegt. Diese richten sich gegen Stellenabbau. Die Transportarbeitergewerkschaft RMT hatte geplant, die Londoner U-Bahn lahmzulegen. Sie wollte damit die Wiedereinstellung eines entlassenen Aktivisten erwirken. Mittlerweile haben die Arbeitgeber hier aber nachgegeben, der Ausstand ist deshalb abgesagt.

Derweil wird der Ruf nach einem eintägigen Generalstreik gegen das Belastungsprogramm in Großbritannien lauter. Sowohl die NUJ als auch die Post- und Kommunikationsgewerkschaft CWU haben sich auf ihren jüngsten Kongressen dafür ausgesprochen, dass der Gewerkschaftsbund TUC einen Generalstreik organisieren soll. Der Druck, gemeinsame Kampfmaßnahmen gegen die Angriffe der Regierung zu organisieren, erfasst selbst Verbände mit konservativer Führung. So sprach sich Dave Prentis, Generalsekretär der Gewerkschaft für kommunale Beschäftigte und Beschäftigte im Gesundheitsbereich UNISON, für eine Welle von koordinierten Streiks aus. Eine eintägige Arbeitsniederlegung sei nicht genug, um diese Regierung zu schlagen, so Prentis auf dem UNISON-Kongreß in Manchester am 21. Juni.

Diese Entwicklungen beobachtet der Unternehmerverband CBI mit Argwohn. Dort wirft man der Regierung zu lasches Verhalten gegenüber den Gewerkschaften vor. CBI-Generaldirektor John Cridland erklärte, die Regierung müsse die Forderungen ignorieren und mit ihren »Reformen« fortfahren. Außerdem forderte er eine Verschärfung des Streikrechts. Es könne nicht sein, dass nur kleine Minderheiten von Gewerkschaftsmitgliedern über die Aufnahme von Arbeitskämpfen entscheiden könnten. Auch Ed Miliband, Parteichef der oppositionellen Labour Party, lehnt den Streik ab. Mit solchen Methoden könne man keine öffentliche Unterstützung erreichen.

Dieser Artikel erschien zuerst in der Tageszeitung junge Welt vom 28.6.2011