Die Finanzkrise auf der Leinwand
Der US-Film „Margin Call“, der seit 29. September auf deutschen Leinwänden unter dem Titel „Der große Crash“ gezeigt wird, liefert einen Beitrag zur Weltwirtschaftskrise. 24 Stunden einer New Yorker Investmentbank, die vor dem Zusammenbruch steht – das Vorbild Lehman Brothers ist unschwer zu erkennen – werden minutiös nachgezeichnet.
von Aron Amm, Berlin
Film und Arbeitstag beginnen mit der Entlassung von 80 Prozent der Broker auf einer Firmenetage. Einer der Gefeuerten aus der „Risiko-Abteilung“ drückt einem der übriggebliebenen Kollegen einen Stick in die Hand, der ein Prognose-Modell enthält. Rasch entdeckt der junge Mitarbeiter, dass die Bank ein zu großes Rad gedreht hat. In der Nacht jagt eine Krisensitzung die nächste. Man entscheidet sich, die faulen Kredite am nächsten Morgen loszuschlagen und die wertlosen Papiere anderen aufzuhalsen. „Margin Call“ ist für Broker und Trader der Augenblick, in dem es im Terminhandel ernst wird und Käufer mit Cash statt Versprechen zahlen müssen.
Der Film ist das Debüt von J. C. Chandor, der zuvor überwiegend Fernsehdokumentationen gemacht hat. Es ist ein „Submarine“-Werk, wie in Hollywood Filmprojekte genannt werden, die mangels Geld für aufwendige Außenaufnahmen und Kulissen als Kammerspiel, also in einem U-Boot, funktionieren müssen. Für Chandor überraschend heuerten dann Jeremy Irons, Kevin Spacey, Paul Bettany und andere Prominente an.
Die Geschichte wird nicht sonderlich innovativ erzählt. Aber immerhin vermeidet es Chandor, zu menscheln. Solange der Kapitalismus fortbesteht, wird es Krisen und Katastrophen geben. Das hält der Streifen fest. Jeremy Irons als CEO zählt am Ende des Films alle vorherigen tiefen Rezessionen auf: 2001, 1991, 1987, 1979, 1974, 1937, 1929… Um solch eine Krise zumindest vorübergehend zu meistern, schlug der bürgerliche Ökonom John Maynard Keynes einmal vor, Geld in Flaschen zu stopfen, diese einzubuddeln und dann wieder auszugraben (und so Leute zu beschäftigen und damit den Wirtschaftskreislauf nicht zum Erliegen kommen zu lassen). Kevin Spacey fragt in diesem Film, ob ein Mensch, der nur Löcher schaufelt, nicht eine sinnvollere Arbeit verrichtet, als all die Banker und Spekulanten, die nie reale Werte schaffen.
Während sich Milliarden in Luft auflösen und Millionen perspektivisch auf der Straße landen, weint der von Spacey gemimte Broker um seinen sterbenden Hund; in der Schlussszene von „Margin Call“ begräbt er ihn im Garten seiner Exfrau. Ein Berufseinsteiger spricht seinen Abteilungsleiter mitten im Schlamassel darauf an, dass der Crash „da draußen“ wohl viele Menschen ruinieren werde. Postwendend antwortet der Vorgesetzte: „Ich scheiß" auf die normalen Leute da draußen.“