Droht ein Krieg des Westens gegen den Iran?

Massiver Aufbau einer Drohkulisse gegen das Mullah-Regime


 

Ende März kündigte das Pentagon an, die Zahl seiner Minenräumboote im Persischen Golf von vier auf acht und die mit Kurzstreckenraketen ausgestatteten US-Schnellboote von fünf auf zehn zu verdoppeln. Anfang März hatte der israelische Präsident Benjamin Netanjahu Washington besucht, um Barack Obama dafür zu gewinnen, gemeinsam militärisch gegen den Iran vorzugehen beziehungsweise sich der Rückendeckung der USA zu versichern. Obama reagierte zurückhaltend und unterstrich die Bedeutung der Wirtschaftssanktionen. Die von den USA und der Europäischen Union (EU) verhängten Sanktionen gegen den Iran werden mittelfristig die wirtschaftliche Lage in dem Land weiter verschlechtern.

von Claus Ludwig, Köln

Der Iran wird von den westlichen Medien als eine Gefahr für den Frieden beschrieben, sein Atomprogramm als direkte Bedrohung für die Existenz Israels. Doch die bisherigen Fakten sind eindeutig: Das Mullah-Regime hat noch nie ein anderes Land angegriffen. Kurz nach der Machtergreifung der rechtsgerichteten Islamisten um Ayatollah Khomeini 1979 begann stattdessen der Irak – mit Billigung des Westens – mit seinem mörderischen Krieg gegen den Iran, bei dem auch Giftgas eingesetzt wurde.

Wen bedroht der Iran?

Nach dem Ende dieses Krieges hat der Iran zwar seine Stellung als Regionalmacht ausgebaut, aber selbst keine aggressiven Militäraktionen gegen andere gestartet. Das liegt keineswegs darin begründet, dass das Regime in irgendeiner Weise menschenfreundlich oder friedlich wäre. Gegen die Opposition im Inneren hat der Iran seine Schläger und Henker häufiger von der Kette gelassen. 1988 wurden in einem Jahr rund 30.000 Oppositionelle, vor allem Sozialist-Innen, in den Kerkern ermordet, im Juni 2009 prügelten und schossen die Bassidschi genannten Milizen die Revolte gegen den Wahlbetrug nieder.

Der Iran ist auch kein Regime von „Verrückten“, die komplett irrational handeln. Die verschiedenen herrschenden Fraktionen im Iran – sowohl die nationalistische, im Militär verankerte Clique um Präsident Mahmud Ahmadinedschad als auch die religiösen Konservativen um Ayatollah Khamenei – betreiben im Kern eine rationale Interessenpolitik zur Sicherung der eigenen Herrschaft. Und dazu gehören weder aktuell noch in absehbarer Zeit militärische Offensivaktionen gegen andere Länder.

Atomprogramm

Eine Einschätzung, ob der Iran tatsächlich an Nuklearwaffen baut, können wir unmöglich vornehmen. Allerdings schafft die „friedliche“ Nutzung der Kernenergie immer die Möglichkeit der militärischen Komponente. Das Regime könnte durch Atomwaffen – oder das Gerücht, es würde welche besitzen – seine Gegner davon abschrecken, es militärisch zu attackieren. Nordkorea ist es mit der Kombination von nuklearer Abschreckung und wüster militärischer Rhetorik gelungen, seine Gegner auf Distanz zu halten.

Die Zuspitzung der Debatte um den Bau von Atomwaffen durch den Iran ist rein propagandistisch. Das zeigt allein die Äußerung des CIA, dass der Iran zur Zeit wohl keine Atomwaffen baue. Tatsächlich war und ist es das Ziel des US-Imperialismus und der EU, die Regionalmacht Iran zu schwächen und letztendlich zu knacken. Schließlich tanzt dieses Regime (die Nähe Russlands und Chinas suchend) aus Sicht des Westens seit jeher – in dieser ölreichen und geostrategisch bedeutenden Region – aus der Reihe. Der mehrheitlich schiitische Iran nahm auch starken Einfluss auf die im Irak nach 2003 an die Macht gelangten schiitischen Parteien.

Verändertes internationales Kräfteverhältnis

Paradoxerweise hat der „arabische Frühling“, ein Massenaufstand in verschiedenen Ländern auch und gerade gegen die Marionetten des Westens in der Region, diese Möglichkeit näher rücken lassen. Durch den syrischen Bürgerkrieg ist dieser wichtige Verbündete des Irans faktisch aus dem Spiel genommen worden und der vom Iran unterstützten Hisbollah im Libanon droht eine verstärkte Isolation.

Während die Frage der atomaren Bewaffnung des Irans propagandistisch übertrieben wird, hat diese auch einen realen Gehalt: Ein mit nuklearer Abschreckung ausgerüsteter Iran wäre kaum noch militärisch erpressbar oder angreifbar. Insofern haben das iranische Atomprogramm und die Schwächung des Assad-Regimes dazu geführt, dass ein Zeitfenster in 2012 geöffnet wurde, in dem sich entscheiden wird, ob es zu einem Krieg gegen den Iran kommt.

Ein Spiel mit dem Feuer

Ein Krieg gegen den Iran würde vor allem aus einer Kombination von Luftangriffen und terroristischen Aktionen durch Spezialeinheiten sowie einer Blockade bestehen. Eine Besetzung des 75 Millionen Menschen zählenden Landes durch Bodentruppen scheint nicht machbar für die USA und ihre Verbündeten.

Die USA würden versuchen, das Regime zu schwächen, die Bevölkerung zu demoralisieren und die Existenz unterdrückter Nationalitäten wie der Kurden, Belutschen, Aserbaidschaner und anderer im Iran auszunutzen, um eine Spaltung des Landes von innen voranzutreiben – in der Hoffnung, so einen Regimewechsel zu bewirken.

Der Erfolg einer solchen Strategie ist keineswegs sicher. Bombenangriffe würden auch dazu führen, dass sich Teile der iranischen Bevölkerung verstärkt hinter das Regime stellen. Der Iran könnte mit Vergeltungsmaßnahmen reagieren, zum Beispiel mit Angriffen in der Straße von Hormuz, welche zu weltweiten ökonomischen Verwerfungen führen würden. Die US-Armee könnte dann gegen iranische Häfen vorgehen; sogar begrenzte Bodenkriegsaktionen könnten die Folge sein.

Die USA, die EU …

Die Spitzen der herrschenden Klasse in den USA scheinen wenig begeistert von einem weiteren Krieg zu sein, der viel unkalkulierbarer wäre als das begrenzte Engagement des Westens in Libyen. Obama hat beim Besuch des israelischen Präsidenten Netanjahu deutlich gemacht, dass das Weiße Haus (gerade während des Präsidentschaftswahlkampfes) weiter auf nicht-militärische Maßnahmen setzt.

Die Herrschenden in den USA und der EU setzen darauf, dass wirtschaftliche Sanktionen langfristig zu mehr Unzufriedenheit im Land führen und Spaltungen in der herrschenden Clique im Iran begünstigen, so dass erneut „pro-westliche“ Tendenzen entstehen.

… und Israel

Wenn es nach den USA geht, wird es 2012 keinen Krieg gegen den Iran geben. Damit wird Israel zum entscheidenden Faktor.

Die rechte Regierung Israels scheint sich entschieden zu haben, auf eine Bombenkampagne gegen den Iran hinzuarbeiten. Sie beginnt, die israelische Bevölkerung auf mögliche Folgen psychologisch vorzubereiten. Das heißt aber noch nicht, dass die gesamte herrschende Klasse Israels davon überzeugt ist.

Lediglich einzelne Luftschläge gegen die unterirdisch gesicherten Atomanlagen wären reine Symbolik. Die Alternative dazu wäre eine mehrtägige Bomben-Kampagne zur Zerstörung der Anlagen sowie von Teilen der industriellen, militärischen und Verkehrs-Infrastruktur des Irans. Militärexperten zweifeln daran, dass die israelischen Streitkräfte dies allein schaffen können.

Insofern kann man davon ausgehen, dass die Regierung Netanjahu verschiedene Optionen prüft, wie man die USA doch noch dazu bringen kann mitzumachen, offen oder verdeckt, oder ob israelische Erstschläge und die folgende iranische Vergeltung ohnehin zu einem Eingreifen der US-Armee führen würden.

Imperialistische Kriege basieren nicht auf Wahn oder Raserei, sondern sind im Kern Produkte ökonomischer Interessen der jeweils Herrschenden. Doch das heißt nicht, dass nicht auch die Herrschenden in Kriege dieser Art hineinstolpern können. Rund um den Persischen Golf läuft die technische, organisatorische und psychologische Kriegsvorbereitung. Obwohl sowohl die USA als auch der Iran kein Interesse an einer unkontrollierten Eskalation haben, könnte genau eine solche in Gang gesetzt werden.

Aufgaben für die Linke

Die Linke und die Arbeiterbewegung in den imperialistischen Staaten müssen eine klare Haltung gegen die Wirtschaftssanktionen und einen drohenden Krieg einnehmen. Die einseitige Dämonisierung des Irans muss zurückgewiesen, die aggressiven Pläne Israels, der USA und der EU müssen aufgedeckt werden.

Doch es wäre fatal, auch nur den Verdacht aufkommen zu lassen, man würde die mörderischen Regime in Syrien oder dem Iran unterstützen. Diese sind die „Feinde“ unserer imperialistischen Feinde, aber längst nicht unsere „Freunde“. Sie unterdrücken die Arbeiterbewegung, die Frauen, die Jugend, sämtliche demokratischen Rechte. Ohne Zweifel muss das Regime Ahmadinedschad fallen, aber es muss von innen gestürzt werden, durch die iranischen Massen.

Die Linke in Deutschland sollte Kontakte zu iranischen Oppositionellen und israelischen KriegsgegnerInnen knüpfen, um eine internationalistische Haltung gegen den Krieg zu verdeutlichen.

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