Interview mit Dorit Wallenburger, Vorsitzende der ver.di-Betriebsgruppe im Krankenhaus Dresden-Neustadt*
Im Jahr 2006 verkaufte die Stadt Dresden mit der WOBA ihren gesamten Wohnungsbestand an das Privatunternehmen GAGFAH. Was waren damals die Befürchtungen?
Die Verkaufsgegner fürchteten vor allem steigende Mieten. Zudem wollte die Stadtratsmehrheit dem neuen Eigentümer der WOBA-Wohnungen die Aufgabe erteilen, den Leerstand zu verringern, also abzureißen. Wodurch die Mieten zusätzlich in die Höhe getrieben werden würden.
Haben sich diese Ängste bestätigt?
Voll und ganz. Die Dresdner Mieten sind förmlich explodiert! Abriss, verstärkter Zuzug und das naturgemäße Interesse privater Vermieter an hohen Mieten haben die Situation in der sächsischen Landeshauptstadt deutlich verschärft. Wir haben im Osten die höchsten Mieten. Allein in den letzten zwei Jahren sind in Dresden-Gorbitz, einem Stadtteil, in dem ein Drittel der Einwohner Hartz IV bekommt, die Kaltmieten von durchschnittlich drei Euro pro Quadratmeter auf fünf Euro gestiegen.
Gerade die GAGFAH erwies sich immer wieder als Preistreiberin: In den sogenannten „Prohliser Sternhäusern“, das waren DDR-Plattenbauten, die in Sternform errichtet worden waren, haben sie von den Bewohnerinnen und Bewohnern noch höhere Mieten verlangt, als längst klar war, dass diese Häuser abgerissen werden würden. Inzwischen steht keines dieser Gebäude mehr.
Aber der Stadtrat hat doch 2006 mit dem Verkauf auch eine umfangreiche „Sozialcharta“ beschlossen. Müsste die denn nicht in solchen Fällen greifen?
Grundlegend ist doch: Wenn ich eine Ware auf dem freien Markt handle, dann unterliegt sie auch dessen Gesetzen. Wenn der Kommune keine Wohnungen mehr gehören, dann werden Mieten nach Kriterien wie Höhe der Nachfrage und Profitinteressen der Hauseigentümer festgelegt. Die GAGFAH verstieß wiederholt gegen die „Sozialcharta“, gab viel zu wenig Geld für den Erhalt des Wohnungsbestands aus und schreckte auch nicht davor zurück, Mieterinnen und Mieter unter Druck zu setzen.
Die Stadt hat die GAGAFH deswegen auf eine Milliarde Schadensersatz verklagt, nur um sich dann auf die Zahlung von lächerlichen 40 Millionen Euro zu einigen. Der Stadtrat war bei diesem Rechtsstreit weitgehend außen vor. Das ist noch so eine Folge von Privatisierungen: Demokratieabbau.
Die Dresdner SAV-Ortsgruppe hat nun innerhalb der Partei DIE LINKE eine Kampagne mit dem Ziel, den Abriss zu stoppen und Wohnraum zu rekommunalisieren, angeregt. Dafür habt ihr eine „AG Wohnen“ gegründet. Wie sind bisher die Reaktionen?
Durchweg positiv: Die Mieterinnen und Mieter, zu denen wir gehen, die Leute, die wir treffen, sind absolut aufgeschlossen und begrüßen unsere Forderungen. Leider kann man das von großen Teilen der LINKEN-Führung nicht sagen.
Müsste die Eure Aktivitäten nicht auch begrüßen? Immerhin hat ein Teil der Linkspartei.PDS 2006 für den Verkauf gestimmt, ihn dadurch gegen die Stimmen von SPD und Grünen erst ermöglicht. Die Partei hat also Einiges gut zu machen.
Die Privatisierungsbefürworter haben in der Dresdner LINKEN nichts mehr zu sagen. Aber unsere Forderungen nach Abrissstopp und Rekommunalisierung halten Teile der Dresdner LINKEN- Führung für utopisch und – und das wörtlich – für blamabel. Nur so „blamabel“ können die gar nicht sein, denn in der letzten Stadtratssitzung hat die SPD einen Antrag nach Abrissstopp zumindest für einen kleinen Teil der betroffenen Wohnungen eingebracht. Dass DIE LINKE sich ausgerechnet von der SPD links überholen lässt, ist in Dresden leider nichts Neues. Interessant ist eher, dass sich im Stadtrat eine knappe Mehrheit für diese Forderung anbahnt. DIE LINKE wird also selbst vom Stadtparlament „rechts liegen gelassen“. Das ist schon bitter! Diese Kampagne könnte für DIE LINKE die Chance sein, sich in den Stadtteilen stärker zu verankern. Sie muss sie nur endlich nutzen!
*Angabe zur Funktion dient nur zur Kenntlichmachung der Person