Stellungnahme der SAV Aachen
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,
„Gespräche über Bombardier: Hoffnung oder Hinhaltetaktik?“ – so titelte selbst die Aachener Zeitung, als am Donnerstagabend nicht das erhoffte Ergebnis des Wirtschaftsausschusses präsentiert wurde. Sicherlich ist die Gesprächsbereitschaft Ergebnis des Drucks, den ihr schon jetzt aufgebaut habt. So bewertet das beispielsweise auch der Aachener IG Metall-Chef Franz-Peter Beckers. Doch bis jetzt hat der Arbeitgeber keinen Hinweis gegeben, dass ernsthaft über den Erhalt des Standorts Aachen nachgedacht wird. Nicht befugt seien die Vorstandsvertreter in den lang ersehnten Gesprächen am Donnerstag (25.10.12) gewesen, die Aussetzung des Schließungsbeschlusses zu verkünden. Dass sie sich an solche Vorschriften nur dann halten, wenn es zu Ihrem Nutzen ist, zeigt doch die Vorgehensweise, an der Belegschaft vorbei den Schließungsbeschluss durchzusetzen.
Das feige Vorgehen der Geschäftsführung, die nicht einmal den Mut hatte vor den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu sprechen, zielt darauf hinaus Zeit zu gewinnen und euch den Wind aus den Segeln zu nehmen. Die Konzernleitung ist anscheinend entschlossen, das Werk dichtzumachen und hat dies bereits mit der Ablehnung der Übernahme weiterer angefragter Aufträge deutlich gemacht. Durch Hinauszögern einer eindeutigen Stellungnahme versucht sie eben nur Zeit zu gewinnen und zu erreichen, dass der Widerstand sich tot läuft. Das darf aber nicht geschehen! Denn es geht um nicht weniger als die Sicherung jedes einzelnen Arbeitsplatzes: Festangestellte wie LeiharbeiterInnen. Nicht nur für die aktuell Beschäftigten, sondern auch für künftige Generationen.
Alle Erfahrungen aus anderen Betrieben, die mit einer solchen Situation konfrontiert waren, zeigen: eine Geschäftsführung ist nicht durch bessere Argumente zu überzeugen. Nötig ist öffentlicher Druck, nötig ist Widerstand. Noch sind die Auftragsbücher voll. Noch besteht die Möglichkeit, die Bombardier-Bosse da zu treffen, wo es ihnen weh tut – beim Profit!
Wie ernst ist es denen, die jetzt ihre Solidarität bekunden? Sicher ist die Solidaritätswelle sehr positiv und schafft die riesige Öffentlichkeit, die euer Kampf derzeit hat.
Aber seit wann sind die Parteien, die für die Agenda 2010, für die Legalisierung von Leiharbeit, für Sozialabbau und Arbeitsplatzvernichtung im öffentlichen Dienst bekannt sind, Freunde der Lohnabhängigen? Wir raten Euch: vertraut nur auf Eure eigene Kraft! Allzu oft schon haben gerade Politiker erst Solidarität bekundet und dann an faulen Kompromissen mitgewirkt.
Die Bombardier-Bosse werden mit allen niederträchtigen Mitteln versuchen, euch zu spalten und gegeneinander auszuspielen: LeiharbeiterInnen gegen Stammbelegschaften, Standort gegen Standort, Land gegen Land. Dagegen hilft nur Solidarität über Ländergrenzen hinaus. Beispielsweise haben die Kolleginnen und Kollegen bei Ford in Genk (Belgien), nur etwa 45km Luftlinie von uns entfernt, mit den gleichen Problemen zu kämpfen. Dort sind 4000 Arbeitsplätze bedroht. Eine Vernetzung wäre sicher sinnvoll, um aus den Erfahrungen im Kampf zu lernen.
Denn es ist so offensichtlicher Irrsinn, was hier geschieht:
Wo sind denn die Profite der letzten Jahre hin? Was ist passiert mit den Gewinnen, die ihr für Bombardier erwirtschaftet habt? Wie „schlimm“ steht es wirklich um den Konzern – das soll die Unternehmensleitung doch einmal mit der Offenlegung der Geschäftsbücher beweisen!
Wenn es tatsächlich einen Auftragsrückgang geben sollte, ist das ein politischer Skandal! Wie kann es zu wenig Arbeit geben, für einen Hersteller von u.a. Bahnwaggons, wo der öffentliche Personenverkehr so schlecht ist wie lange nicht? Gerade die Bundesregierung als Eigentümer der Bahn AG ist hier in der Pflicht – der Erhalt eurer Arbeitsplätze ist auch verkehrspolitisch notwendig.
Und wenn diese Regierung Milliarden für Banken locker machen konnte, dann muss es auch möglich sein, durch staatliche Investitionen Arbeitsplätze zu retten! Das Geld dafür muss bei den Reichen und Superreichen, den Banken und Konzernen geholt werden.
Und wenn Bombardier nur Verschlanken will, um an anderen Standorten mehr Profit zu erzielen, dann sollte die Botschaft sein: Bombardier kann gehen – die Maschinen und Arbeitsplätze bleiben! In der Landesverfassung gibt es extra einen Paragraphen, der die Vergesellschaftung zum Allgemeinwohl ermöglicht. Davon sollte die Landesregierung Gebrauch machen, wenn Bombardier am Schließungsbeschluss festhält. Die Produktion kann dann unter öffentlicher Regie fortgeführt werden.
Um das Werk zu erhalten, muss massiver Druck aufgebaut werden. Weder die Geschäftsführung, noch die Landesregierung werden ohne Druck handeln. Deshalb sollte jetzt die Diskussion darüber geführt werden, wie der Druck ausgebaut werden kann! Konkret heißt dass, die Bosse dort zu treffen, wo es ihnen weh tut: Bei den Profiten. Denkbar wäre, sich einen zeitlichen Rahmen zu setzen, bis wann die Verhandlungen geführt werden – und wenn beispielsweise bis Mitte November keine Zusage von Bombardier da ist, das Werk und alle Arbeitsplätze zu gleichen oder besseren Konditionen zu erhalten, wäre der Streik das Mittel um den Druck zu erhöhen. Jede Hoffnung in ein Einlenken der Chefs ist ohne den entsprechenden Druck aber eine Illusion, deshalb sollte jetzt mit den Streikvorbereitungen begonnen werden.
Gerade die Geschichte der Kämpfe gegen Werksschließungen lehrt, dass nur unter Einsatz von Streiks (Teil-)Erfolge erzielt werden konnten. So bei Bosch-Siemens-Hausgeräte (BSH) in Berlin 2006 und auch beim ehemaligen Talbot-Nachbarn Garbe-Lahmeyer Ende der 80er / Anfang der 90er. Anstatt sofort in die Arbeitslosigkeit geschickt zu werden, erkämpften die KollegInnen dort für 5 bzw. 6 Jahre die Erhaltung des Betriebes. Bei Opel Bochum wurde durch Streiks erzwungen, dass bis heute produziert wird und KollegInnen in Lohn und Brot stehen.
Wir sind der Meinung: Ihr seid Opfer einer Politik und eines Systems, in dem für den Profit über Leichen gegangen wird. Banken sind im Kapitalismus sytemrelevant und werden mit Milliarden an Steuergeldern gerettet. Euer Schicksal und das Schicksal von Millionen in ganz Europa ist scheinbar nicht so wichtig für die Reichen und Mächtigen. Am 14.11. hat der Europäische Gewerkschaftsbund (EGB) deshalb zu einem europaweiten Aktions- und Streiktag gegen Kürzungspolitik aufgerufen. Das wäre doch eine gute Gelegenheit durch eine Demonstration und Arbeitsniederlegung darauf hinzuweisen, dass Euer Kampf für Eure Arbeitsplätze Teil des Kampfs für soziale Gerechtigkeit in ganz Europa ist.
Für Euren Kampf braucht ihr einen langen Atem und viel Kraft – aber euer Kampf um eure Zukunft und die eurer Kinder ist auch wichtig für die Zukunft anderer. Und eins ist