Wir dokumentieren hier die Erklärung der Linksjugend [‘solid] Aachen zum Thema Campusbahn.
Am 10. März soll in Aachen über den Bau der sogenannten „Campusbahn“ entschieden werden. Im Stadtrat befürwortet eine Mehrheit von CDU, SPD, Grünen und LINKEn das Projekt. Trotzdem werden, anders als bei anderen Großprojekten in der Vergangenheit, die AachenerInnen an die Urnen gerufen, was im Sinne von mehr Beteiligung natürlich zu begrüßen ist.
Worüber wird abgestimmt?
Am 10. März wird über die Frage abgestimmt: „Sind Sie für den Bau der Campusbahn?“. Stimmberechtigt sind dabei nur AachenerInnen mit EU-Pass, es sind also sogenannte „MigrantInnen“, die aus Nicht-EU-Ländern kommen und teilweise seit Jahrzehnten hier wohnen, von der Stimmabgabe ausgeschlossen.
Die Campusbahn ist eine Straßenbahnlinie vom Uniklinikum über den neuen Campus Melaten, den Bushof, den Adalbertsteinweg und die Trierer Straße nach Brand. Eine weitere Linie von der Vaalser Grenze nach Würselen ist in Überlegung. Zusammen hätten die beiden Linien eine Gesamtlänge von 24 Kilometern (Daten von www.campusbahn.de).
Dabei soll die Bahn innerhalb des Alleenrings ohne Oberleitungen mit einem neuen Batteriesystem auskommen. Dafür sollen Batterien eingesetzt werden, die „Aachen eine bundesweite Führungsrolle“ in der Elektromobilität einnehmen lassen würden; gleichzeitig sind diese Batterien nicht ausreichend getestet. Nach Meinung der linksjugend [’solid] Aachen sollen die Konzerne, die diese Batterien letztendlich entwickeln und davon profitieren werden, alle Entwicklungs- und Testungskosten selber tragen!
Die Bau- und Investitionskosten der Linie Aachen-Brand belaufen sich nach Planungsstand auf 224 bis 237,5 Millionen Euro. Für den Betrieb ist offiziell mit 4 bis 6,5 Millionen Euro Mehrausgaben pro Jahr zu rechnen.
Diese Zahlen sind jedoch mit Vorsicht zu genießen, da die Planung noch nicht abgeschlossen ist und oft bei Großprojekten weitere Ausgaben dazukommen.
„Campusbahn = Schampusbahn“
Die FDP-dominierte „Bürgeninitiative Campusbahn = Größenwahn“ läuft Sturm gegen dieses Projekt. Dabei argumentiert sie, dass die Baustellen für enorme Umsatz-Einbußen des Einzelhandels entlang des Strecke sorgen würden. Gleichzeitig spielt sie aber auch mit den Ängsten, dass die Kosten für Kürzungen in anderen Bereichen sorgen würden. Diese weit verbreiteten und auch berechtigten Sorgen müssen ernst genommen werden. Dabei macht sich die FDP in Wahrheit keine Sorgen um Kürzungen im Sozialbereich, allzu oft hat sie bewiesen, dass sie nur zu gern Geld in Elite und Prestigeobjekte steckt – in diesem Fall würde aber die Allgemeinheit profitieren. Wir fordern mehr Transparenz über die tatsächlichen Ausgaben und die Finanzierung!
Öffentlicher Personenverkehr als Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge kostet immer Geld, ist immer ein Zuschussgeschäft. Und das ist auch gut so!
Für einen öffentlichen, kostenlosen, ökologischen Personenverkehr!
Linksjugend [’solid] Aachen sieht das vorliegende Konzept kritisch. In unseren Augen geht es in erster Linie darum, den neuen Campus der Elite-Universität mit der Innenstadt zu verbinden und so des Prestige der Aachener Elite-Universität zu stärken, den Umsatz der Geschäfte in der Innenstadt zu stärken und den Tourismus zu fördern. Gleichzeitig ist es unbestritten, dass die geplante Linienführung heute schon extrem überlastet ist, Investitionen sind sowieso nötig. Die Buskapazitäten sind weitestgehend erschöpft, zu den Stoßzeiten können aus verkehrsplanerischer Sicht kaum mehr Busse eingesetzt werden.
1974 wurde die letzte Aachener Straßenbahn abgeschafft. Schon in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts gab es ein gutes öffentliches Verkehrswesen in Aachen. Zum Höhepunkt fuhren 1933 volle 24 Straßenbahnlinien in und um Aachen, selbst abgelegene Orte wie Sief und Zweifall wurden bedient. In den 1960er und 1970er Jahren und danach wurde es modern, ein eigenes Auto zu fahren, woran vor allem die deutsche Automobilindustrie Milliarden verdiente. Als Folge wurde das öffentliche Verkehrswesen zurückgebaut. Noch heute finden Gruppen wie die FPD dies ganz cool. Staus und miese Luft sind die Folge.
Wir fordern dagegen einen deutlichen Ausbau des öffentlichen Personenverkehrs auf ökologischer Grundlage, wozu sich der Schienenverkehr mit einem gleichzeitigen Ausbau regenerativer Energien am besten eignet. Der muss natürlich bezahlbar oder im besten Fall kostenlos sein, wie es Städte wie Hasselt (Belgien) oder die estnische Hauptstadt Tallinn vormachen. Genug Geld dafür ist auch vorhanden, es ist nur in den falschen Händen! So besitzt das reichsten Zehntel der Deutschen 63% des Vermögens, viele Konzerne bezahlen kaum oder gar keine Gewerbesteuer. Auch hat die Bundesregierung „bedrohte Banken“ mit mehreren hundert Milliarden Euro gerettet, Kriegseinsätze kosten weitere Milliarden – Geld, das besser in das Sozialwesen investiert werden sollte.
Auch wenn die etablierten bürgerlichen Parteien CDU, Spd und Grüne eine andere Motivation haben, für den Bau der Campusbahn zu argumentieren, sehen wir trotz aller Kritik in ihr eine Chance, den öffentlichen Personenverkehr zu stärken und den Startschuss für ein Straßenbahnnetz in Aachen zu legen, das den Namen „Stadtbahn“ verdient.
Für eine lebenswerte Stadt!
Bürgerentscheide sollten künftig öfter stattfinden. Würden die AachenerInnen tatsächlich demokratisch über ihre Stadt entscheiden können, wäre die vollkommen unnötige Kaiserplatzgalerie längst vom Tisch. Auch über Privatisierungen wie zuletzt des ehemaligen Gesundheitsamtes an der Normaluhr sollten die AachenerInnen entscheiden dürfen.
Leider haben die Stadtoberen offensichtlich kein Interesse daran, was den Verdacht nahelegt, dass sie nach einem positiven Bürgerentscheid diesen als Argument für Kürzungen im Sozialbereich nutzen könnten, sollten die Kosten für die Campusbahn den Rahmen sprengen. Das sollte jedoch kein Grund sein dagegen zu stimmen – im Gegenteil: Stattdessen sollten wir uns gemeinsam organisieren und für einen ökologischen, öffentlichen Personenvekehr sowie für Investitionen in gesellschaftlich sinnvollen Bereichen kämpfen!
Organisieren und kämpfen!
Denn leider läuft vieles falsch, nicht nur in Aachen: Mangelnder und viel zu teurer Wohnraum, kaum Raum für Jugendliche, miserable Bildungssituation und natürlich viel zu teure Bus- und Bahnfahrkarten – um nur ein paar Punkte zu nennen. Alleine dagegen anzukämpfen kann kaum zu einem Erfolg führen. Anstatt den Kopf in den Sand zu stecken, sollten wir uns lieber zusammentun, uns organisieren und gemeinsam für eine ökologische und entspannte, für eine lebenswerte Stadt kämpfen!
Linksjugend [’solid] Aachen, 5. März 2013