Der Kampf muss weitergehen und ausgeweitet werden, bis er erfolgreich gewesen sein wird! Für eine Einheitsfront, um für eine Arbeiter-Regierung zu kämpfen!
von Gonçalo Romeiro, „Socialismo Revolucionário“ (Schwesterorganisation der SAV und Sektion des CWI in Portugal)
Am 27. Juni fand in Portugal der fünfte Generalstreik in zweiundhalb Jahren statt. Es war der vierte Generalstreik gegen die erst seit zwei Jahren amtierende, rechte Regierungskoalition aus PSD und CDS-PP, und erst der vierte seit der Revolution im April 1974, in dem die beiden Gewerkschaftsverbände, die große CGTP und die kleinere UGT, vereint auftraten.
In diesem Massen-Ausstand kulminierte die ganze Welle an Kämpfen, zu denen es in den letzten Monaten gekommen ist. Dazu zählen auch die beispiellosen Massendemonstrationen vom 2. März sowie zahlreiche Streiks und Proteste in ganz unterschiedlichen Branchen und Betrieben. Mit diesem Streik haben die ArbeiterInnen und die jungen Leute in Portugal jeden Zweifel der ZynikerInnen exzellent widerlegt und ihre Entschlossenheit gezeigt, Widerstand gegen eine wild um sich schlagende Troika und ihrer Marionettenregierung in Lissabon leisten zu wollen und zu können. Die derzeitige Regierung besteht aus der konservativen PSD und der christdemokratischen CDS-PP. In den vergangenen Jahren haben die Massen in Portugal wirklich jede erdenkliche Möglichkeit, um Widerstand zu leisten und zu mobilisieren, genutzt, die sich ihnen geboten hat. Und das, obwohl die Bevölkerung im alltäglichen Kampf steckt, um über die Runden zu kommen. Doch trotz der allgemeinen Verelendungstendenz sind ganz offensichtlich beeindruckende Reserven vorhanden und die Entschlossenheit zu kämpfen ist enorm. Jetzt stellt sich die entscheidende Frage, ob diese überwältigende Energie und die Macht, die sich darin widerspiegelt, im Sande verlaufen wird oder ob dies zum Ausgangspunkt für einen Kampf werden kann, der weiter geht und eskaliert, bis die Ziele erreicht sind: Rücktritt der Regierung, die nur der Troika verpflichtet scheint, und Beginn eines neuen Kapitels in der Geschichte des Landes.
Stärken des Streiks und vorausgegangene Kämpfe
Was die Auswirkungen angeht, so war der Generalstreik wieder einmal ein voller Erfolg. Das ganze öffentliche Leben in Portugal ist zum Stillstand gebracht worden. Es existiert zwar immer noch keine offizielle Zahl, BeobachterInnen gehen aber von einer Gesamtbeteiligung von über 80 Prozent aus. Die offiziellen Angaben zu einzelnen Betrieben und Unternehmen der wesentlichen Wirtschaftszweige (Transport und Verkehr, Gesundheitswesen, Bildung, Industrie etc.) weisen alle darauf hin, dass 70 Prozent bis 100 Prozent weniger Waren produziert und Dienstleistungen erbracht worden sind. Das ist ein Beleg für die starke Beteiligung auch der KollegInnen, die in der Privatwirtschaft arbeiten. Dieser Erfolg lässt sich nicht allein mit der drastischen Austerität und der umfangreichen Kürzungspolitik erklären, von der die letzte Zeit so sehr geprägt war. Die imposante Beteiligung an diesem neuerlichen Generalstreik geht auch auf die Streik- und Protestwelle zurück, die letzten Monat durchs Land ging. Alles begann mit einer Massendemonstration am 25. Mai, und vor einigen Wochen ist dann auch noch ein neuer UGT-Vorstand gewählt worden, der in einer Atmosphäre ans Ruder kam, die wesentlich radikaler ist als bisher. Das markierte den offenen (wenn auch immer noch begrenzten) Bruch mit der extremen Burgfriedenspolitik der alten Führung unter Proenca. Gleich zu Beginn seiner Amtszeit hat der neue Vorstand unter Carlos Silva für den 27. Juni zu einem Generalstreik im öffentlichen Dienst aufgerufen, dem dann auch die CGTP gefolgt ist. Am Ende stand ein gemeinsamer Generalstreik beider großen Gewerkschaftsbünde.
Auch der Kampf der LehrerInnen war für die Mobilisierung ausschlaggebend und für die Stimmung im Land prägend. Bei den PädagogInnen handelt es sich um eine Beschäftigtengruppe unter den „StaatsdienerInnen“, die mit am meisten unter den Attacken der Regierung zu leiden hat. Sie haben in der Prüfungs- und Examensphase einen sehr erfolgreichen Streik geführt, der in eine Massendemonstration mündete. Dabei handelte es sich um die größte seit 2008, als das Land zum letzten Mal von einem riesigen Lehrerstreik heimgesucht wurde. Der Erfolg dieses Kampfes bestand darin, dass die Regierung bezüglich der schlimmsten Angriffe den Rückzug antreten musste, was der Zuversicht und dem Selbstbewusstsein der Bewegung natürlich Auftrieb verlieh. Im Grunde war das der Schlüssel, durch den der Generalstreik vom vergangenen Donnerstag zum großen Erfolg werden konnte. Ebenso bedeutend war der Kampf der Postbeschäftigten bei der CTT gegen die Schließung hunderter Filialen und Privatisierungen. Auch sie waren in den letzten Wochen darin erfolgreich, eine Reihe von Niederlassungen durch ihren Arbeitskampf und Besetzungskationen zu retten. Auch diesmal war in dieser Branche die Teilnahme am Ausstand besonders umfassend: Angabe des Gewerkschaftsbunds CGTP zufolge kamen rund 94 Prozent der sonst üblichen Betriebsabläufe zum Erliegen.
Enttäuschend kleine Protestzüge trotz vorhandenen Potentials für Massendemonstrationen während des Generalstreiks
Bedauerlicherweise widerspiegelten die Protestzüge vom Donnerstag nicht das ganze Ausmaß des Ausstands. Lag das daran, dass ArbeiterInnen, Erwerbslose, junge Leute und RentnerInnen für diese Auseinandersetzung nicht mobilisiert wurden? Nein, woran es hier haperte, war die mangelnde Ernsthaftigkeit, mit der die Gewerkschaftsbewegung und die Linke insgesamt hätte mobilisieren müssen.
Es ist eine Tatsache, dass bestimmte Schichten innerhalb der Gewerkschaftsbürokratie jahrelang dagegen gewesen sind, dass man an Streiktagen auch Demonstrationen organisiert. Ihr „Argument“ lautete dabei immer: „Die Bedingungen dafür sind nicht gegeben“. Das erste Mal, dass es am Tag eines Generalstreiks auch zu einer Demonstration gekommen ist, war 2011. Und auch das lag größtenteils nur am Druck der neuen sozialen Bewegungen, der den Druck von der Gewerkschaftsbasis verstärkte. Dennoch wurden die Mobilisierungsbemühungen nicht ernsthaft betrieben. Zu einer echten, durchorganisierten Mobilisierung ist es an keinem Punkt gekommen.
Warum ist es aber so wichtig, und auch möglich, analog zu einem Generalstreik Massendemonstrationen zu organisieren? Weshalb hat es eine so große Bedeutung, diese mit starken Streikposten in den einzelnen Betrieben zu verbinden? Ein Streiktag ist kein Ferientag, sondern ein Tag des Kampfes und der Aktion. Es ist der Tag, an dem ArbeiterInnen zusammenkommen und ihnen bewusst wird, wie stark sie sind, wenn sie zusammenstehen. Deshalb hat einE abhängig BeschäftigteR nichts davon, am Streiktag zu Hause zu bleiben. Zu Hause wird sich das Bewusstsein der Arbeiterin / des Arbeiters sicher nicht viel weiterentwickeln, was die Erkenntnis der kollektiven Stärke und Macht der eigenen gesellschaftlichen Klasse angeht. Und genau das ist es, wovon der Erfolg des Streiks doch so sehr abhängt. Andererseits: Wenn dieseR ArbeiterIn sich an einem Streikposten in ihrem / seinem Betrieb beteiligt, wo sie / er zusammen mit den KollegInnen den gemeinsamen Streik verteidigt und am Nachmittag dann noch an einer Massendemonstration teilnimmt, auf der alle spüren können, wie stark und mächtig die eigene gesellschaftliche Klasse ist, wenn sie gemeinsam auftritt, dann ist das etwas vollkommen anderes. Eine Demonstration bietet außerdem die Möglichkeit, der gesamten Gesellschaft zu vermittlen, dass der Streik, um den es geht, ein kämpferischer und allgemeiner ist. Hierüber können die Forderungen der ArbeiterInnen – auch und gerade, wenn sie nicht mit den offiziellen Verlautbarungen der eigenen Gewerkschaftsführung konform gehen – laut und kämpferisch zu Ausdruck gebracht werden.
Es ist deshalb nicht nur möglich, an Streiktagen auch Massendemonstrationen zu organisieren, wozu eine ernsthafte Mobilisierungstätigkeit gehört, sondern unbedingt anzustreben. Die KollegInnen aus den Bereichen Transport und Verkehr könnten zum Beispiel dabei helfen, für ein reibungsloses Hin und Her der TeilnehmerInnen zu sorgen. Beispiele aus anderen Ländern wie Griechenland und Spanien belegen dies. In unserem Nachbarland wird von mehr als vier Millionen Menschen gesprochen, die sich am Generalstreik vom 14. November 2012 beteiligt haben sollen. Jetzt geht es darum, dies auch in unserer Gewerkschaftsbewegung deutlich zu machen.
Für einen Aktionsplan, mit dem die Marionettenregierung der Troika gestürzt werden kann. Was ist als nächstes zu tun?
Der Generalstreik vom 27. Juni kann nicht der Endpunkt von allem sein. Trotzdem es der fünfte allgemeine Ausstand in weniger als drei Jahren war, wird die Hauptforderung auf diese Weise alleine noch nicht erreicht werden können, die da lautet: Rücktritt der Regierung. Das haben ja auch die vorangegangenen Streiks und Ausstände schon gezeigt. Von daher sollte das Mittel des Generalstreiks in einen breiter angelegten Aktionsplan eingebettet sein, der folgende Punkte umfassen muss: Mobilisierung, Ausweitung der Kämpfe, Verknüpfung der tausendfach stattfindenden lokal begrenzten und in einzelnen Branchen geführten Auseinandersetzungen miteinander auf landesweiter wie auch auf internationaler Ebene, Radikalisierung dieser Kämpfe und Ausrichtung auf den gemeinsamen Kampf für eine klare Alternative zur Austerität der Troika-Marionettenregierungen.
Dieser Generalstreik hat sich von den vorangegangenen allein schon deshalb abgehoben, weil der Aufruf dazu auf Grundlage folgender Forderung erfolgte: „Nieder mit der Regierung!“. Zumindest galt das für die CGTP. Wenn dieser Gewerkschaftsbund aber, der die entscheidende Macht in der portugiesischen Gesellschaft organisiert (die Macht einer Mehrheit der organisierten Arbeiterklasse, nämlich), für den Sturz der Regierung eintritt, dann sollte die Regierung eigentlich nicht in der Lage sein, weiterregieren zu können. Soll dieses Ziel allerdings ernsthaft verfolgt und auch erreicht werden, dann muss ein Aktionsplan entwickelt werden, um diese gesellschaftliche Macht voll zur Geltung zu bringen und es der Regierung unmöglich zu machen, weiter im Amt zu bleiben.
Ein solcher Plan muss von den Gewerkschaften und sozialen Bewegungen in demokratisch geführten Prozessen erarbeitet werden, und die politische Linke muss aktive Unterstützungsarbeit leisten und sich aktiv beteiligen. Die Entscheidungen über einen solchen Plan müssen in öffentlichen Versammlungen und gewählten Ausschüssen in den Betrieben, Fabriken, Schulen und Wohnvierteln fallen. Diese Versammlungen und Ausschüsse sollten in Einklang mit der Gewerkschaftsbewegung agieren und deshalb auch GewerkschaftsaktivistInnen umfassen. Ein solcher Aktionsplan darf nicht nur Streiks beinhalten – wozu auch längere Generalstreiks oder etwa 48-stündige Ausstände gehören – und Massendemonstrationen, sondern er muss auch andere, radikalere Kampfformen aufgreifen, die in der Geschichte der Arbeiterklasse zur Anwendung gekommen sind und von denen international Gebrauch gemacht wurde. Hierbei geht es um die Besetzung von Betrieben und Fabriken, denen die Schließung droht, Boykott-Aktionen gegen ungerechte Steuern oder etwa das Mittel der Straßenblockade. All diese Maßnahmen sollten erst dann abreißen, wenn die Regierung definitiv abgetreten, die Troika abgezogen und eine alternative Regierung installiert worden ist, die aus lohnabhängig Beschäftigten und jungen Menschen besteht und für lohnabhängig Beschäftigte und junge Menschen eintritt.
Als nächster Schritt sollte in diesem Plan von einem neuen Generalstreik ausgegangen werden, der 48 Stunden dauert. Dafür sollten umgehend die Vorbereitungen getroffen und die Mobilisierung begonnen werden.
Wir wissen um die Schwierigkeiten, die sich bei der Organisierung längerer Streikaktionen ergeben. Uns ist auch klar, was das für die Löhne der streikenden KollegInnen bedeutet. Aber die Alternative, nach der die Regierung ihre Rolle einfach weiterspielt, ist offenkundig die weit schlimmere Option. Und genau deswegen dürfen wir es nicht dazu kommen lassen. Damit geht auch die Frage einher, ob Gewerkschaften Kampffonds einrichten müssen, um ArbeiterInnen und ihre Familien im Streik finanziell zu unterstützen. Für den Erfolg dieser ganzen Aktionen kann das von großer Bedeutung.
Für eine Einheitsfront der linken Parteien, Gewerkschaften und sozialen Bewegungen. Für eine Regierung der arbeitenden Menschen und jungen Leute
Die Regierung ist äußerst instabil. Teilweise kann sie sich auf keine gesellschaftliche Unterstützung mehr berufen. Wir haben eine illegale Regierung, die gegen die Verfassung regiert, die sie geschworen hat zu verteidigen. Allerdings wirft der Kampf, mit dem sie zu Fall gebracht werden soll, unmittelbar die Frage auf, welche Regierung an ihre Stelle treten soll. Die (sozialdemokratische; Anm. d. Übers.) sogenannte „Sozialistische Partei“ (PS) ist natürlich keine Alternative. Sie war die erste, die das Memorandum mit der Troika unterschrieben hat und die exakt dieselben Klassen-Interessen vertritt wie die derzeitige Regierung. Da unterscheidet sie sich in nichts von allen anderen Parteien der alten „Sozialdemokratie“. Sie ist eine Partei mit „sozialistischer“ Fassade und neoliberaler Realpolitik.
Wir brauchen eine Regierung der arbeitenden Menschen und jungen Leute, die das Memorandum in Stücke zerreißt und jeder Austerität ein Ende bereitet. Sie muss mit der Umsetzung einer Politik beginnen, die im Interesse der Mehrheit der Bevölkerung ist. Die Schuldenzahlung muss abgelehnt werden, und der Reichtum, die Banken und Schlüsselsektoren der Industrie müssen in öffentliches Eigentum überführt werden, um demokratisch geplant zu werden. Auf diese Weise können sie im Sinne der Wiederherstellung der Wirtschaft und der Lebensstandards eingesetzt werden. Eine solche Regierung ist möglich. Die politische Linke bestehend aus „Kommunistischer Partei“ und dem „Linksblock“ liegen in den letzten Umfragen permanent bei über 20 Prozent. Zusammen und auf Grundlage des Kampfes der Gewerkschaften und sozialen Bewegungen haben sie das Potential, eine Kraft zu werden, die den Kampf gegen die Regierung aufnehmen kann. Eine Einheitsfront dieser Gestalt, die auf einem sozialistischen Programm basiert, welches wahrhaftig die Antwort geben kann auf die Krise des Kapitalismus, würde die Gesellschaft zusammenschweißen und eine konkrete Perspektive geben. Es geht um eine echte Alternative für die abhängig Beschäftigten und die verarmten Schichten in Portugal.