Nein zur militärischen Einmischung von Washington, Brüssel und Moskau
von Dima Yansky, Aachen
US-amerikanische Militärschiffe kreuzen im Schwarzen Meer. Deutsche Kampfflieger werden nach Osten verlegt. Russische Fallschirmjäger stehen an der ukrainischen Grenze bereit. In der Ukraine selbst rollen Panzerkolonnen. Bewaffnete separatistische Bürgerwehren und die Nationalgarde stehen sich mit dem Finger am Abzug gegenüber. Eine spektakuläre Massenbewegung, die eine korrupte Clique rausgeworfen und den Staatsapparat vollkommen paralysiert hat, droht in einem blutigen Bürgerkrieg zu enden. Eine solche militärische Anspannung hat Europa seit fast 20 Jahren nicht mehr erlebt.
Von der Krim ist längst nicht mehr die Rede. Die neue Kiewer Regierung hat alle Hände voll zu tun, die östlichen Regionen nicht auch noch zu verlieren. Die Wirkung der Sanktionen des Westens gegenüber dem russischen Imperialismus hält sich bislang in Grenzen. Vermutlich vollzieht sich hier die schmerzhafteste Niederlage der größten Räuberformation der Welt, der NATO, seit Jahrzehnten.
Lage im Osten und Süden des Landes
Mittlerweile ist die Lage im Südosten stark angespannt. Die prorussischen Milizen konnten mehrere Stadtverwaltungen, Polizeistationen und Telekomunikationszentren besetzen. Die Zentralregierung schickt mehr oder weniger treue Polizei sowie Armeekräfte. Da die ukrainische Übergangsregierung auch bereit ist, die sogenannte Nationalgarde, die aus sehr motivierten, bewaffneten ukrainischen Nationalisten besteht, in den Kampf zu schicken, kann die Situation schnell eskalieren.
Dennoch bleibt der Großteil des industriell geprägten Ostens und Südens der Ukraine beiden Seiten gegenüber sehr skeptisch. Teile der arbeitenden Bevölkerung haben es bereits mehrmals geschafft, Panzer der Kiewer Regierung zu stoppen und Soldaten zu entwaffnen. Die maskierten separatistischen Milizen konnten auch keinen nennenswerten Zulauf verzeichnen. Den Demonstrationen für mehr Autonomie gelang es nicht, Massenproteste auszulösen. Zwei-, drei-, sogar fünftausend Protestierende sind sehr wenig für eine Region mit Millionen-Metropolen wie Donezk, Dnipropetrowsk, Luhansk. Die Arbeiterklasse des Donezk-Beckens schenkt dem Nationalismus der neuen Regierung sowie Wladimir Putins imperialen Plänen wenig Vertrauen. Die meisten Menschen wollen keine Nationalisten, keine NATO-Truppen, keine maskierten Bürgerwehren und auch keine russischen Panzer auf ihren Straßen sehen.
Die separatistischen Milizangehörigen sind nicht unbedingt russische Geheimdienstler oder Kommandokräfte. Auch wenn die Koordination der bewaffneten Gruppen wahrscheinlich nicht ganz ohne russische Hilfe abläuft, gibt es wohl genügend ehemalige Polizisten, Soldaten und verzweifelte, arme, deklassierte Menschen, die versuchen, mit einer Kalaschnikow einen Ausweg aus dem endlosen Leiden des kapitalistischen Daseins zu suchen.
Spaltung des Landes?
Auch wenn die Arbeiterklasse der Region momentan weder pro-westliche noch pro-russische Nationalisten unterstützen will, ist leider ein blutiger Bürgerkrieg nicht auszuschließen. Sollte es zu einer zufälligen militärischen Eskalation kommen, könnten sich die reaktionären Elemente in beiden Lagern aktivieren und die Menschen mit unterschiedlicher Herkunft gegeneinander aufhetzen. Dennoch zeigen die meisten Berg- und Metallarbeiter im Osten, einer Region mit starken internationalistischen Traditionen, den Nationalisten beider Lager derzeit die kalte Schulter.
Mit multiethnischen Organisationen gegen Kriegspolitik
Als SozialistInnen treten wir für eine Ukraine ein, die unabhängig von NATO, russischen Truppen und der Europäischen Union ist. Eine solche Unabhängigkeit hieße allerdings auch, frei von den Oligarchen zu sein. Deswegen würde wirkliche Selbstbestimmung und Freiheit die Enteignung der Oligarchen, die Überführung der Banken und Großkonzerne in öffentliches Eigentum sowie die Streichung der Auslandsschulden voraussetzen. Es gilt, für das Recht der Nationen auf Selbstbestimmung sowie für umfassende Schutzrechte aller ethnischen Minderheiten einzutreten. Zentral ist es, dass die Ukrai-nerInnen möglichst multiethnische Organisationen (Antikriegskomitees, Gewerkschaften, eine Partei von und für ArbeiterInnen) aufbauen, welche für ihre Rechte kämpfen. Putin, NATO, ukrainische Faschisten und Oligarchen profitieren von Hetze und Hass. Wir nicht.