Am Samstag, den 31. Januar 2015, skandierten Hunderttausende in den Straßen von Madrid: „Tick, tack, tick, tack“. Damit zählten sie die Zeit bis zu den Kommunal-, Regional- und Parlamentswahlen herunter, die den etablierten Parteien an der Macht noch bleibt.
von Danny Byrne, „Socialismo Revolucionario“ (Schwesterorganisation der SAV und Sektion des CWI in Spanien)
Nach dem Wahlsieg von SYRIZA in Griechenland fühlen sich die AktivistInnen, die sich für die Interessen von ArbeitnehmerInnen einsetzen und Widerstand gegen die Austerität leisten, überall in Europa beflügelt. PODEMOS hatte zu dieser Demonstration aufgerufen, um zeigen, wie groß die Unterstützung für ihre Forderung nach grundlegendem Wandel ist.
PODEMOS als neue Herausforderung für die politische Kaste
Aus der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Krise ist ein Star hervorgegangen: PODEMOS (dt.: „Wir können“). Gegründet im Nachklang an die „Indignados“-Bewegung (dt. „Bewegung der Wütenden“) handelt es sich dabei um den spanischen Vorläufer der „Occupy“-Bewegung. Der Aufstieg dieser Partei widerspiegelt die enorme Wut, die sich in der Gesellschaft aufgrund der endlosen Austerität und Angriffen auf die Lebens- und Arbeitsbedingungen aufgestaut hat.
Spanien ist von der weltweiten Rezession besonders hart in Mitleidenschaft gezogen worden, was die gesamte Nation reichlich durcheinandergebracht hat. Die Erwerbslosigkeit im Land liegt bei 25 Prozent, unter den jungen Leuten rangiert sie bei über 50 Prozent. Und das trotz einer Auswanderungswelle in andere EU-Staaten. In Folge der derzeitigen Krise des Kapitalismus werden das Zwei-Parteien-System, die Monarchie, die den Staat förmlich regiert, und sogar die Grenzen sowie die territoriale Konstitution des Staates in Frage gestellt bzw. sind in Verruf geraten.
Mit einem Programm zur Beendigung der Austerität und Durchsetzung von Verbesserungen für die arbeitenden Menschen und verarmten Schichten ist PODEMOS bei den Europawahlen 2014 auf acht Prozent der Stimmen gekommen, was 1,2 Millionen WählerInnen entspricht – nur vier Monate nach der Parteigründung! Seither wird sie immer stärker. In weniger als einem Jahr ist sie in den Meinungsumfragen wie aus dem Nichts zur beliebtesten Partei aufgestiegen und liegt dort bei rund 30 Prozent.
Mögliche Neuwahlen in Katalonien oder die im ganzen Land für den Monat Mai terminierten Kommunalwahlen werden zeigen, wie stark sie ist. Im Dezember 2015 stehen dann die Parlamentswahlen an.
Steuern rauf für Reiche und die 35-Stunden-Woche
In ihrem Wirtschaftsprogramm fordert PODEMOS höhere Steuern auf Kapitalerträge und Spitzeneinkommen, einen garantierten Mindestlohn für Erwerbslose, die 35-Stunden-Woche und höhere Ausgaben für die Bereiche Bildung und soziale Dienstleistungen. PODEMOS will Spaniens Schulden neu ordnen und neu verhandeln.
Nach Jahren der Austerität und seit Einsetzen der Rezession – sowohl unter einer sozialdemokratisch geführten Regierung der „Partido Socialista Obrero Español“ (PSOE) als auch unter einer konservativen Regierung der „Partido Popular“ (PP) – haben diese Forderungen Millionen von Menschen inspiriert.
Dies zeigt nur, wie schnell eine neue politische Bewegung wachsen und zur Herausforderung für das etablierte Zwei-Parteien-System werden kann, wenn die Umstände es erlauben und sie nur am Puls der Zeit ist.
Herausforderungen, vor denen PODEMOS steht
PODEMOS ist aus der Tatsache hervorgegangen, dass die traditionellen linken Organisationen und die Gewerkschaftsbewegung darin versagt haben, den Kampf für eine grundlegende Alternative zu den auferlegten Kürzungen und Angriffen auf die Arbeitnehmerrechte anzuführen. Diese Organisationen haben sich auf symbolische Mobilisierungen beschränkt (auch wenn das Mittel des Generalstreiks mit dabei war), ohne einen nachhaltigen Plan für Massenaktionen aufzustellen, mit dem man auch Erfolge feiern kann. Anstatt kämpferisch an die Sache heranzugehen, um die feindselige Austerität der rechtsgerichteten PP-Regierung zu beenden und zu einer arbeitnehmerfreundlichen Politik überzugehen, haben sie Absprachen mit den kapitalistischen Parteien getroffen. Wenn immer möglich haben sie sich auf eine abgeschwächte Form von Austerität geeinigt.
Dies gilt beispielsweise für die bedeutendste linke Partei, die „Izquierda Unida“ („Vereinigte Linke“). Trotz erbittert geführter parteiinterner Auseinandersetzungen hat sie sich auf regionaler Ebene an Koalitionsregierungen mit der PSOE beteiligt und auf diese Weise ihre eigene Version von Austerität eingeführt.
PODEMOS scheint einen Bruch mit dieser Art gescheiterter Politik anzubieten. Gegründet auf der Popularität ihres wichtigsten Gründers, der bekannten linken Medien-Ikone Pablo Iglesias, stellt sie die Frage der Kontrolle über die „politische Kaste“ aus korrupten Politikern in den Mittelpunkt.
Die Vorstellung einer Regierung unter Führung von PODEMOS hat einen Gutteil der spanischen Gesellschaft beflügelt. Allerdings müssen die etablierten Parteien, wenn – wie im Fall von SYRIZA in Griechenland – eine alternative linke Kraft an die Macht kommt, versuchen, alles daran zu setzen, um letztere in Zaum zu bekommen. Bedauerlicher Weise besteht der Ansatz der Führungspersönlichkeiten sowohl bei SYRIZA als auch bei PODEMOS darin, diesem Druck nachzugeben und eigene Positionen aufzuweichen. Sie versuchen sich als Parteien darzustellen, die für den Kapitalismus Verantwortung übernehmen.
Schnell haben die führenden PolitikerInnen von PODEMOS etliche ihrer radikaleren Forderungen fallen gelassen, wie z.B. die Forderung, die illegitimen Staatsschulden Spaniens nicht zurückzuzahlen, die die spanische Bevölkerung allein an Zinsen täglich 100 Millionen Euro kostet.
„Socialismo Revolucionario“ (Schwesterorganisation der SAV und Sektion des CWI in Spanien) beharrt darauf, dass wir gegen die Zähmung von PODEMOS und der anderen wirklich linken Parteien kämpfen müssen. Wir rufen dazu auf, dass die „einfachen“ Mitglieder den Kampf von unten aufnehmen, um den Rechtsruck zu beenden und dafür zu sorgen, dass ein echtes sozialistisches Programm angenommen wird. Darin muss es um die Schuldenstreichung gehen und darum, dass die Banken und Großkonzerne in öffentliches und demokratisch verwaltetes Eigentum überführt werden, um zu einer realen Wiederbelebung im Sinne der Beschäftigten und der jungen Leute zu kommen. Dieses Programm müsste Bestandteil einer internationalen Offensive gegen die Troika und gierige Aktienbesitzer sowie des Kampfes für ein sozialistisches Europa sein.