Zum Wahlsieg der SNP in Schottland

SNP bietet sich als Alternative zur Kürzungspolitik an und löscht „Labour“ von der politischen Landkarte

Jetzt eine Massenbewegung aufbauen! Streiks, Demonstrationen und Proteste gegen neue Austeritäts-Offensive der konservativen „Tories“ vorbereiten! SNP darf keinen weiteren Penny durch Kürzungen einsparen! Gewerkschaften müssen am Aufbau einer neuen Massenpartei der ArbeiterInnen teilnehmen!

von Philip Stott, „Socialist Party Scotland“ (Schwesterorganisation der SAV und Sektion des CWI in Schottland)

Die Parlamentswahlen in Großbritannien haben in Schottland die viel beschworene „politische Revolution“ gebracht. Welche Folgen und bis ins Mark gehenden Erschütterungen diese noch zeigen wird, ist noch gar nicht abzusehen. Der Sieg der konservativen „Tories“, die sich ganz der Kürzungen und ihrem Austeritätsprogramm verschrieben haben, wird eine Phase beispielloser Konflikte zwischen den gesellschaftlichen Klassen einläuten – das gilt nicht nur für Schottland. Als unmittelbare Folge des Wahlabends sind Miliband und Clegg, die Parteivorsitzenden der sozialdemokratischen „Labour Party“ bzw. der „Liberaldemokratischen Partei“, zurückgetreten. Auch Nigel Farage hat – zumindest vorübergehend – seinen Posten als Chef der Rechtspopulisten von der UKIP zur Verfügung gestellt.

Obendrein ist damit – trotz umfassender Zugeständnisse in Form von weitreichenden und beträchtlichen Machtbefugnissen an die SNP – auch noch ein neues Referendum über die schottische Unabhängigkeit unabwendbar geworden. Nachdem Cameron, der „Tory“-Vorsitzende, die Wahlen benutzt hat, um eine englisch-nationalistische Stimmung anzuheizen (womit er sowohl UKIP als auch „Labour“ in England zu bezwingen hoffte), sind weitere Schritte zu einer Übereinkunft in Richtung einer föderaleren Struktur für das gesamte „Vereinigte Königreich“ ebenso unumgänglich.

Die SNP erlangte 56 der 59 Sitze, mit denen Schottland im britischen Parlament in London vertreten ist. Dies schafften die schottischen Nationalisten, indem sie auf 1,45 Millionen Stimmen und somit 50 Prozent der abgegebenen Stimmen kamen. „Scottish Labour“, der regionale Ableger der britischen Sozialdemokratie (Erg. d. Übers.), wurde vernichtend geschlagen. Ihr Stimmanteil brach von 42 Prozent bei den letzten Wahlen vor fünf Jahren auf unter 25 Prozent ein. Das war das schlechteste Ergebnis für „Labour“ in Schottland seit 1918. Damit haben sie 40 ihrer früheren 41 Parlamentssitze verloren, und es gibt nun einen Panda mehr im Zoo von Edinburgh als die Sozialdemokraten Abgeordnete in Westminster haben!

Neben dem desolaten Versagen von „Labour“ bei ihrem Versuch, die „Tories“ in England zu schlagen (was auf die konzernfreundliche und an der Austerität orientierte Politik der Sozialdemokraten zurückzuführen ist), ist damit vielleicht sogar das Ende der „Labour Party“ in Schottland eingeläutet. Dieses Dahinsiechen der Sozialdemokratie sollte von der Gewerkschaftsbewegung damit beantwortet werden, dass sie sich auf den Aufbau einer neuen Massenpartei der Arbeiterklasse vorbereitet.

Zweite Runde

Nach dem Unabhängigkeitsreferendum im vergangenen Jahr haben die Parteien des kapitalistischen Establishments in Schottland auch in der zweiten Runde an der Wahlurne einen schweren Schlag einstecken müssen. Fakt ist, dass die Parteien, die sich gemeinsam in der Kampagne „Better Together“ für ein „Nein“ beim Referendum eingesetzt haben (u.a. Konservative, Sozialdemokraten, Liberaldemokraten und Rechtsextreme; Erg. d. Übers.) heute nur noch fünf Prozent der schottischen Sitze im Londoner Parlament innehaben. Die „Liberaldemokraten“ haben zehn ihrer elf Sitze verloren (verloren hat übrigens auch der Mann fürs Grobe der ehemaligen konservativ-liberaldemokratischen Koalition, Danny Alexander).

Der Stimmanteil der SNP liegt sogar noch über den 45 Prozent, die beim Unabhängigkeitsreferendum mit „Ja“ gestimmt hatten. Möglich wurde das, weil die SNP sich als Alternative zu Kürzungen und zur Austerität dargestellt hat. Die SNP beharrte darauf, dass es bei diesen Wahlen nicht um die Unabhängigkeit und auch nicht um ein neues Referendum gehen würde. Stattdessen wurde versprochen, dass die gewählten Abgeordneten der Partei sich gegen jegliche neue Kürzung stellen würden, die im Parlament in London Westminster anstehen würde, und dass man „die >Tories< von der Machtausübung abhalten will“.

Hinzu kam, dass die SNP sich in der Frage einer Neuauflage des Atomprogramms „Trident“ links von „Labour“ positionierte und dieses ablehnt. Dasselbe galt für die Anhebung des Mindestlohns auf 8,70 brit. Pfund (auch wenn diese nicht vor 2020 kommen soll) und ihre Gegnerschaft zu Privatisierungen sowie weiteren Angriffen auf den Sozialstaat. Im Gegensatz dazu bestanden „Labour“ und Miliband weiterhin darauf, dass Kürzungen auch unter einer „Labour“-geführten Regierung unumgänglich sein würden. Außerdem würde es für den Fall „keine Vereinbarungen, keinen Pakt und keine Koalition mit der SNP“ geben. Damit wurde der Eindruck erweckt, dass man lieber eine erneute Regierung unter Cameron sehen wolle als zu einer Absprache mit der SNP zu kommen, um auf diese Weise die „Tories“ außen vor zu halten.

Diese Ausgangslage ermöglichte es der SNP, sich an eine Schicht von Menschen aus der Arbeiterklasse wenden zu können, die beim Referendum noch mit „Nein“ gestimmt hatten. Das Ergebnis, das die SNP schließlich bei WählerInnen aus der Arbeiterklasse einfahren konnte, war durchaus spektakulär.

In Glasgow verloren die „Labour“-Sozialdemokraten all ihre bisherigen Abgeordnetensitze, und die SNP legte um bis zu 35 Prozent zu. Stadtweit kam sie auf im Schnitt 55 Prozent. Dasselbe geschah auch in Dundee, wo die SNP 60 Prozent der abgegebenen Stimmen erreichte und noch über 50 Prozent in Gebieten Schottlands, die von der Arbeiterklasse dominiert sind.

Der Vorsitzende von „Scottish Labour“, Jim Murphy, ein Verfechter des Ansatzes des alten „Labour“-Chefs Tony Blair, wurde quasi vom Erdboden getilgt. Genau wie Ed Miliband wird auch Murphy in absehbarer Zeit seinen Hut nehmen müssen. Die Frage ist, wer die Partei der „lebenden Toten“ dann noch anführen will … Auch Douglas Alexander, der Wahlkampfkoordinator von „Labour“, hat seinen Sitz verloren. Alle traditionellen „Labour“-Wahlkreise in Schottland sind verschütt gegangen.

„Labour“, die ehemalige Partei der Mehrheit der Arbeiterklasse in Schottland, ist aufgrund des Erfolgs der SNP vollends vom Erdboden getilgt worden. Der Hass auf die Austerität und die kriminelle Rolle, die „Labour“ beim Unabhängigkeitsreferendum im vergangenen Jahr in der „Better Together“-Kampagne geführt hat, haben die ohnehin schon kleiner gewordene Sympathisantenschaft von „Labour“ ganz wegschmelzen lassen. Eine jahrzehntelange rechtslastige Politik, der Triumph von Blairs „New Labour“-Ansatz (vergleichbar der Neuausrichtung der SPD unter Gerd Schröder; Anm. d. Übers.) und die Zustimmung zum Krieg sowie eine insgesamt konzernfreundliche Politik haben zum Auflösungsprozess beigetragen. Die nationale Frage hat den Auflösungsprozess von „Scottish Labour“ dann nur noch beschleunigt, was übrigens grundlegende und nachhaltige Folgen haben wird.

SNP muss Kürzungen ablehnen

Die harte Realität, dass es zu einer weiteren „Tory“-Regierung und somit zu erneuten brutalen Kürzungen im Umfang von Milliarden brit. Pfund kommen wird, die sich gegen die Arbeiterklasse und die Mittelschicht richten werden, wird nicht nur in Schottland sondern auch im Rest Großbritanniens massenweise Wut hervorrufen. Cameron und Co. werden in Schottland von breiten Teilen der Bevölkerung weithin als illegitime Regierung der Elite des viel zitierten „einen Prozents“ wahrgenommen werden. Mit einem umfassenden Mandat, sich gegen weitere Austeritätsmaßnahmen stellen zu müssen, wird die SNP zunehmend unter Druck geraten, eine kämpferische Haltung gegen das geplante Trommelfeuer an Kürzungen der „Tories“ einzunehmen.

Die „Socialist Party Scotland“ und die „Trade Unionist and Socialist Coalition“ (TUSC; dt.: „Gewerkschaftliches und sozialistisches Wahlbündnis“) fordern, dass die SNP es ablehnt, auch nur einen Penny der zu erwartenden „Tory“-Kürzungen umzusetzen. Dieselbe Position sollte übrigens die gesamte Gewerkschaftsbewegung gegenüber der SNP einnehmen. Sollte die SNP diese Forderung in den Wind schlagen, dann wäre das der Verrat an hunderttausenden von Menschen, die jetzt für die SNP gestimmt haben, weil sie sich ein Ende der wüsten Austerität wünschen. Und dennoch ist nicht davon auszugehen, dass die SNP solchen Forderungen entsprechen wird. Fakt ist, dass diese Partei seit 2010 jede Kürzung umgesetzt hat, die von der „Con-Dem“-Koalition in London beschlossen worden ist („to condemn“ = dt.: „verachten“; Ein Wortspiel, mit dem die Haltung gegenüber der konservativ/liberal-demokratischen Regierungskoalition zum Ausdruck gebracht wird; Anm. d. Übers.). Ihre dominierende Stellung im schottischen Regionalparlament haben sie nicht genutzt, um diese Kürzungen zu verhindern.

Stattdessen muss nun die Gewerkschaftsbewegung auf die Wiederwahl der „Tories“ reagieren und eine breite, eigenständige, betriebliche und politische Offensive starten. Das Ziel muss lauten, die eigene potentielle Macht zu mobilisieren, die stärker ist als die von Cameron und Co., um die Regierung frontal anzugehen und das Establishment, das die Austerität will, zu konfrontieren. Schließlich ist dieses Establishment in Schottland bei der Wahl gerade erst entscheidend geschlagen worden.

Aufgaben der TUSC

Die TUSC hat in Schottland für eine echte Herausforderung gesorgt, indem sie in 17 Prozent der Wahlbezirke mit zehn eigenen KandidatInnen angetreten ist. Vor dem Hintergrund des enormen Aufschwungs für die SNP unter WählerInnen aus der Arbeiterklasse war das mäßige Ergebnis für die TUSC unvermeidlich. Mit ihren zehn KandidatInnen kam die TUSC auf 1.841 Stimmen.

Jim McFarlane, der auch Mitglied der „Socialist Party Scotland“ (SPS) ist, erzielte dabei das beste Ergebnis für die TUSC. Er bekam im Wahlkreis Dundee West 304 Stimmen. Knapp hinter ihm liegt Brian Smith, der auch Mitglied der SPS ist. Er kam auf 299 Stimmen in Glasgow South. Jamie Cocozza erlangte 218 Stimmen in Glasgow North East und Jim Halfpenny kam in Paisley and Renfrewshire North auf 194 der abgegebenen Stimmen.

In anderen Gebieten Schottlands kam die TUSC mit 204 Stimmen für Tyrinne Rutherford in Aberdeen North, 160 Stimmen für Angela McCormick in Glasgow North, 119 für Andrew Elliott in Glasgow Central, 117 für Ayesha Saleem in Edinburgh East und 104 Stimmen für Carlo Morelli in Dundee East auf ein ganz ansehnliches Ergebnis. Zudem kam Bruce Whitehead von „Left Unity“ in Edinburgh North and Leith auf 122 der abgegebenen Stimmen.

Diese moderaten aber wichtigen Ergebnisse widerspiegeln nicht die äußerst positiven und unterstützenden Reaktionen von Menschen aus der Arbeiterklasse, die wir im Wahlkampf auf der Straße erlebt haben. Ein Beleg dafür ist die Unterstützung, die die TUSC In Dundee West von vielen im Streik befindlichen PförtnerInnen und Eltern erhielt, die gegen die Schließung ihrer örtlichen Schule durch den von der SNP dominierten Stadtrat kämpfen (vgl. Zitate weiter unten).

Die „Socialist Party Scotland“ wird sich in der TUSC für die Organisierung einer Sonder-Konferenz nach diesen Wahlen einsetzen, um an unserem Wahlkampf anzusetzen und hinsichtlich der schottischen Parlamentswahlen 2016 unsere Alternative, die sich zu 100 Prozent gegen die Austerität richtet, zu stärken.

Nach dieser dramatischen Niederlage von „Labour“ wird es auch in den Gewerkschaften in Schottland zu einer beispiellosen Phase an Debatten und Diskussionen kommen. Wir werden die Gewerkschaften dazu auffordern, ihren Teil zum Aufbau einer echten politischen Alternative für die Arbeiterklasse beizutragen. Diese Alternative muss sich gegen die Politiker richten, die Kürzungen durchführen – und somit auch gegen die SNP.

In Schottland wie in ganz Großbritannien hat sich eine politische Gemengelage aufgetan, die es so noch nicht gegeben hat. Es wird zu wütenden Reaktionen der Arbeiterklasse kommen, wenn die „Tories“ erst versuchen werden, ihr Austeritätsprogramm umzusetzen. Die bevorstehende Periode wird gekennzeichnet sein durch den Kampf der Massen und das Wiedererstarken sozialistischer Ideen und Perspektiven.

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Weshalb wir in Schottland die TUSC unterstützt haben:

„Nicht ein Kandidat von >Labour<, der SNP oder irgendeiner anderen Partei hat sich die Zeit genommen und unseren Streikposten besucht – außer die TUSC. Wieso sollte ich jemanden wählen, der mich kein bisschen unterstützt? Ich habe stolz die TUSC gewählt. Genug gesagt.“ Ronnie Heeney – führendes Betriebsratsmitglied der Gewerkschaft „Unite“ und streikender Pförtner eines Krankenhauses

„Ich werde morgen auch die TUSC wählen. Da sind nur Leute dabei, die Menschen helfen wollen & das geschieht, indem sie schon morgens um 6 Uhr an unseren Versammlungen teilnehmen, Unterstützung zeigen und viel mehr noch!! Das sind echte Menschen, die sich an den Kämpfen des echten Lebens beteiligen. Es sind keine Leute, die sich nur die eigenen Taschen füllen wollen!! #VOTETUSC“ Ashley McDonald – Mutter, die sich in der Kampagne gegen die drohende Schließung der „Menzieshill High School“ in Dundee engagiert.