Dieser Artikel erschien zuerst am 3. Mai auf der englischsprachigen Webseite socialistworld.net
Protestbewegung und Zahlungsboykott zwingen die Parteien des Establishments zum Rückzug
von Katia Hancke, „Socialist Party“ (Schwesterorganisation der SAV und Sektion des CWI in Irland), Dublin
„Was ein Parlament beschließt, können die Menschen auf der Straße wieder rückgängig machen“, mit diesem einfachen Satz hat Mick Barry (Mitglied der „Socialist Party“), der für das Bündnis AAA vor kurzem ins irische Parlament gewählt worden ist, sehr präzise beschrieben, weshalb es dazu kommen konnte, dass die Parteien des Establishments einen für sie äußerst peinlichen Rückzug antreten mussten. Der Grund dafür ist die massive Bewegung, die sich in den letzten zwei Jahren in den Ortschaften und Städten in ganz Irland entwickelt hat.
Ein Sieg durch die Macht der Bevölkerung
Aufgrund dieser mächtigen Bewegung der Bevölkerung ist die Wasser-Abgabe wieder zurückgenommen worden. Ganze zwei Jahre lang hat das Thema die politische Agenda dieses Landes bestimmt und jetzt ist es vom Polit-Establishment einfach ins Aus befördert und dem Schwarzen Loch der parlamentarischen Ausschüsse übergeben worden, die dem Dáil, dem irischen Parlament, irgendwann einen Bericht dazu vorlegen sollen. Jegliche Empfehlungen werden dann von sämtlichen Abgeordneten des Dáil verabschiedet werden müssen. Das kann aber noch Monate, wenn nicht Jahre dauern. Wir haben zwar noch nicht endgültig gewonnen, wer aber Belege dafür wollte, dass der Massen-Boykott und die Proteste sowohl gegen die Abgabe als auch gegen den Einbau von Wasserzählern das Establishment tatsächlich ins Wanken bringen können, für den ist der Beweis hiermit nun erbracht.
Wir haben es mit einem sehr peinlichen und bedeutsamen Rückzieher der Parteien des Establishments zu tun, können aber absolut sicher sein, dass die Politiker der verschiedenen Parteien sich darin überschlagen werden, die Rücknahme der Wasser-Abgabe als ihren Erfolg zu verbuchen. Wir dürfen es „Fianna Fáil“ (Konservative) und Konsorten – also den Parteien, die Kürzung um Kürzung durchgeführt und die sich niemals gegen die Wasser-Abgabe geäußert haben – nicht durchgehen lassen, auch nur im geringsten von dieser Rücknahme zu profitieren. Ausgerechnet „Fianna Fáil“ wollte schon 2010 eine Wasser-Abgabe einführen.
Kein Vertrauen in „Fianna Fáil“
Es ist enttäuschend mitansehen zu müssen, dass ein Teil der Bewegung, die sich gegen die Wasser-Abgabe in Stellung gebracht hat, nun hingeht und „Fianna Fáil“ als Partei betrachtet, der man Vertrauen schenken kann, weil sie sich an ihre Wahlversprechen hält oder gar die Interessen der Menschen aus der Arbeiterklasse vertritt. Zur Klarstellung: Für den Fall, dass das Establishment in Zukunft doch noch damit rechnen könnte, mit seiner Wasser-Abgabe durchzukommen, würde diese Sonderabgabe im Handumdrehen erneut auf den Tisch kommen. Abgesehen davon hofft ein nicht unwesentlicher Teil des Establishments weiterhin, dass es genau dazu kommen wird, wenn man über die Sache nur ein bisschen Gras wachsen lässt. Wir müssen wachsam bleiben und den Druck aufrechterhalten. Und wir müssen sie daran erinnern, dass sie eine Schlacht auslösen, wenn sie es wagen sollten, in irgendeiner Form wieder von Wassergebühren zu sprechen.
Natürlich konnte man so etwas wie Genugtuung verspüren, als man Alan Kelly, den Menschen, der als Minister für die Wasser-Abgabe verantwortlich zeichnete, eingerahmt von den letzten Resten der sozialdemokratischen „Labour Party“ im Dáil dabei beobachten durfte, wie er aufstehen und eine Erklärung dazu abgeben musste. Er trat auf, wie eine beleidigte Leberwurst, wie ein Kleinkind, dem sein liebstes Spielzeug abhanden gekommen ist. Er musste eingestehen, dass diese Schlacht nicht im Parlament sondern in den Kommunen geschlagen worden ist. Die Parteien der Austeritätsprogramme sind zu diesem peinlichen Rückzieher gezwungen worden, weil die Mehrheit der Bevölkerung es einfach abgelehnt hat, die ungerechte Abgabe zu bezahlen. Das liegt an den Frauen und Männern, die ihre Kommunen organisiert und gegen das Unternehmen „Irish Water“ in Stellung gebracht haben. Es liegt an den hunderttausenden von Menschen, die sich den Protesten gegen „Irish Water“ angeschlossen haben und es liegt an den über eine Million Menschen, die die Wasser-Abgabe zum großen Thema im letzten Wahlkampf gemacht und für KandidatInnen gestimmt haben, die sich gegen die Wasser-Abgabe ausgesprochen haben.
Kommen wir zur logischen Schlussfolgerung: Wir müssen den Druck der Massen aufrechterhalten und sicherstellen, dass nicht vergessen wird, was wir wollen und brauchen: die Abschaffung der Gebühr und die Auflösung des öffentlich-rechtlichen Unternehmens namens „Irish Water“. Das Programm zur Aufstellung von Wasserzählern muss aufgehoben werden. Alle bereits entrichteten Zahlungen müssen ausbezahlt werden (häufig haben die Leute nur deswegen bezahlt, weil sie von „Irish Water“ und dem Polit-Establishment fortwährend unter Druck gesetzt worden sind). Alle Anklagen gegen Leute, die an Protesten teilgenommen haben, müssen aufgehoben werden. Es muss in die Infrastruktur unserer Wasserversorgung investiert werden, um sie auf den neuesten Stand zu bringen. Und wir sollten den Blick auf die Liste der reichsten Menschen richten, die die „Sunday Times“ veröffentlicht hat, wenn das Polit-Establishment wieder irgendjemanden von uns zur Kasse bitten will. Das wäre dann ein echter und nachhaltiger Erfolg.
Schwerer Schlag für die neoliberale Agenda
Zum ersten Mal seit Beginn der Krise im Jahr 2008 haben die „einfachen Leute“ der neoliberalen Agenda, die ansonsten für eine endlose Austerität steht, einen schweren Schlag verpasst. Das zeigt uns, dass wir auch auf anderem Gebiet – z.B. zu den Themen Wohnen, Gesundheit, Bildung und Arbeitnehmerrechte – auf ähnliche Weise diese Agenda in die Knie zwingen können. Die Kämpfe, die hinsichtlich der Rücknahme des achten Verfassungszusatzes andauern (der der Frau das Recht auf Abtreibung versagt), und im Sinne der Trennung von Staat und Kirche geführt werden sollten durch diesen Erfolg bei der Wasser-Abgabe an Selbstbewusstsein gewinnen. Schließlich wissen wir nun, dass – wenn wir „nur“ die entsprechende breite Unterstützung mobilisieren und eine aktive Kraft aufbauen – zu ganz ähnlichen Erfolgen kommen können.
Zur Rolle der „Socialist Party“ und des Bündnisses AAA im Kampf gegen die Wasser-Abgabe:
Neben der Teilnahme an dieser Massen-Protestbewegung gegen „Irish Water“ standen die „Socialist Party“ und das Bündnis „Anti Austerity Alliance“ (AAA) auch mit ihren gewählten politischen VertreterInnen an der Spitze der gesamten Bewegung. Unsere Kampagne-Arbeit, bei der wir permanent für das Mittel des Massen-Boykotts geworben haben, hat einen ganz wesentlichen Beitrag dazu geleistet. Von einigen KommentatorInnen in den Medien wird dies auch anerkannt:
„[…] aus diesem Grund handelt es sich bei [dem >Socialist Party<-Mitglied Paul] Murphy, seinen Mitstreitern im Bündnis AAA-PBP und einer Reihe von unabhängigen Abgeordneten um die einzigen Parlamentsmitglieder, die in der Saga um >Irish Water< ihr Gesicht gewahrt haben – ganz egal, was man von ihrer Kampagne halten mag. Sie haben keine Kehrtwendungen hingelegt. Sie haben ihre Nase nicht in den populistischen Wind gedreht. Es ist ihr Erfolg, nicht der Erfolg von Micheál Martin [>Fianna Fáil<-Vorsitzender] oder Gerry Adams [>Sinn Fein<-Vorsitzender].“
– Miriam Lord, „Irish Times“, 30. April 2016.
„Der politische Dreh- und Angelpunkt, von dem das letztliche Ergebnis der Gespräche zur Regierungsbildung zwischen >Fine Gael< und >Fianna Fáil< abhing, ist das Ergebnis der Nachwahlen im Wahlkreis Dublin South West. Darüber hat eine sehr kleine Partei mit Joe Higgins als ehedem einzigem Abgeordneten im Parlament die gesamte politische Debatte über das Wasser heftig nach links verschoben. Das ist eine oft unterschätzte Leistung.“
– „Irish Examiner“, 27. April, 2016.