Wie der Freihandel auch deutsche Großkonzerne begünstigt
Rechte Kräfte versuchen den Protest gegen TTIP für sich zu nutzen. Der AfD-Mann Alexander Gauland spricht in einer Presseerklärung vom 3. Mai 2016 zu TTIP von einem „Handstreich gegen den Willen der Deutschen“ und beklagt „Die Deutschen sollen dabei […] kein Mitspracherecht haben“. Als ob die deutschen Konzerne statt Mittäter zu sein willenlose Opfer wären.
Von Josephine Wirtz, Köln
Auch in der öffentlichen Debatte zu TTIP ((Transatlantic Trade and Investment Partnership, deutsch: Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft) wird die „Anti-Haltung“ oft darauf reduziert, dass im Falle einer Ratifizierung die US-amerikanischen Großunternehmen wie ein Schwarm Heuschrecken über die angeblich arbeitnehmer– und verbraucherfreundlichen EU-Standards herfallen würden. Hier wird ein Bild von „guten EU-Großunternehmen“ und „schlechten US-Großunternehmen“ gezeichnet, das ins Absurde geht.
Verlierer und Gewinner
Die wahren Verlierer bei Freihandelsabkommen sind die arbeitende Bevölkerung und die Armen aller Länder. Verheerend wird die Situation für die Menschen in unterentwickelten Staaten. So bauen Konzerne der Verhandlungspartner beider Seiten (EU und USA) mit TTIP ihre Weltmarkt-Macht aus, indem der größte Freihandelsraum der Welt geschaffen werden soll (44 Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung). Das würde eine Ausdehnung von Armut, Arbeitslosigkeit und Elend bedeuten. Ein Beispiel dafür ist das seit 2007 verhandelte Freihandelsabkommen zwischen Indien und der EU. Die EU fordert hierbei einen Patentschutz auf Medikamente von zwanzig Jahren. Indien ist mit siebzig Prozent Marktanteil der weltweit größte Hersteller von Nachahmer-Medikamenten (Generika). Viele Menschen sind auf diese preiswertere Variante von Medikamenten angewiesen. So stellt der indische Pharmakonzern Natco eine Kopie eines Krebsmedikaments des Pharmakonzern Bayer her. Die Version aus Indien ist 97 Prozent günstiger als das Bayer-Medikament und kostet 175 US-Dollar anstatt 5500 US-Dollar. Derzeit hat Indien die Verhandlungen unterbrochen. Längere Patentlaufzeiten für neue Arzneimittel könnten durch TTIP direkt für die USA und EU-Länder beschlossen werden. Das würde dann auch den Standard für neue Verhandlungen mit Ländern wie Indien setzen. Folge: PatientInnen in den USA, der EU und Indien müssten mehr zahlen oder könnten sich die Medikamente gar nicht mehr leisten.
Am Ende bezahlen Mensch und Umwelt
Investorenschutzklauseln treiben die Perfidität von Freihandelsabkommen auf die Spitze. So ist ein Fall aus einem bereits bestehenden Freihandelsabkommen (beispielhaft) zu nennen: im nordamerikanischen Abkommen NAFTA, konnte der amerikanische Öl- und Gaskonzern „Lone Pine Resources Inc.“ Kanada auf 250 Millionen Dollar Schadensersatz verklagen, da das Land vorerst ein Fracking-Verbot aussprach. Somit wird der Druck auf Regierungen massiv erhöht, Gesetze im Sinne der Interessen von Unternehmen zu verabschieden. Die geplanten Verträge und die undemokratische Struktur von Schiedsgerichten ermöglichen es natürlich auch deutschen Großkonzernen gegen Staaten zu klagen, wenn sie ihre Gewinne gefährdet sehen. So hat der deutsche Technologiekonzern Siemens 2002 Argentinien verklagt, weil die neue Regierung des Landes die Bedingungen für einen laufenden, von Siemens in den neunziger Jahren geschmierten Auftrag, zu Lasten des Konzerns verändert hat. 2007 kam das Schiedsgericht ICSID der Klage des Konzerns nach und setzte eine Entschädigung von 217 Millionen US-Dollar an. Die kriminellen Machenschaften konnten in diesem Fall glücklicherweise aufgedeckt und der Schiedsspruch geändert werden.
In welcher Welt wollen wir leben?
Der Kapitalismus steckt global, auch gehemmt durch die Grenzen der Nationalstaaten, in der Krise. Da das Mantra des Kapitalismus jedoch das (Profit-) Wachstum ist, wird versucht, diese Hemmnisse durch sogenannte ‘Freihandelsabkommen’ zu beseitigen. Da es aber nicht um die Bedürfnisse der Menschen, sondern um Profite für die Konzerne geht, wird sich dadurch keine Besserung (für die Masse der Bevölkerung) einstellen. Das Gegenteil wird der Fall sein. Wir müssen uns fragen, in welcher Welt wir leben möchten. In einer, in der Mensch und Umwelt im Mittelpunkt stehen, oder in einer, in der nur der Profit der Konzerne zählt.
Lösung Internationalismus
Es ist an der Zeit, der Profitgier einiger weniger Mächtiger auf Kosten der Arbeitenden und Armen, der Umwelt und der zukünftigen Menschheit, ein Ende zu setzen. Durch Internationalismus und Produktion nach den Bedürfnissen der Menschen. Statt brutaler Märkte, Korruption, Konkurrenz und ‘freiem’ Handel um jeden Preis, brauchen wir eine sozialistische, internationalistische und menschliche Gesellschaft. Der von der arbeitenden Klasse produzierte Reichtum, darf sich nicht in den Händen einiger Weniger konzentrieren, sondern muss auf demokratischem Weg der gesamten Gesellschaft zu Gute kommen.