Die AfD hat am Wochenende vom 22. und 23. April 2017 ihren Bundesparteitag im Kölner Maritim-Hotel abgehalten, um einen neuen Vorstand zu wählen und ihr Bundestagswahlprogramm zu beschließen. Vor dem Hotel demonstrierten am Samstag mehrere Zehntausend AntirassistInnen dagegen, einige Tausend beteiligten sich an Blockaden – der Tag war aus antirassistischer Sicht ein Erfolg.
von David Redelberger, Teilnehmer der Proteste
Im Vorhinein des Parteitags gab es ein Mediengetrommel, befeuert von Lokalpolitik und Kölner Polizei, mit heraufbeschworenen Bürgerkriegsszenarien und Schreckensbildern, die an dem Tag wahr werden sollten. Wasserwerfer und Sonderwagen aus der ganzen Republik wurden nach Köln geholt, Brücken abgesperrt, Teile des Einzelhandels geschlossen, der Nahverkehr teilweise stillgelegt, nur um vermeintlich drohende Krawalle in den Griff zu kriegen und so Leute davon abzuhalten, zu den Protesten zu kommen. Keins der Schreckensszenarien ist eingetroffen. An dem Tag haben wir entschlossene, massenhafte Proteste und Blockaden gesehen, die Eskalation, an der es offensichtlich im Vorhinein von Polizeiseite aus ein Interesse gab, konnte von Seiten der GegendemonstrantInnen verhindert werden. Es gab in einigen wenigen Situation Gerangel und Auseinandersetzungen, außerdem die Androhung von Wasserwerfereinsatz und der Einsatz von Pfefferspray gegen BlockiererInnen und die Gegenwehr der Betroffenen. Für Proteste dieser Größe sind kleinere Auseinandersetzungen nichts besonderes, von Seiten der Polizei gab es vor allem unnötige Provokationen dadurch, dass Menschen nicht zu den angemeldeten Kundgebungen durchgelassen wurden und sehr viele und intensive Personenkontrollen stattfanden. Insgesamt war klar, dass von Seiten der Gegenproteste das Konzept der friedlichen Massenblockade verfolgt und durchgezogen wurde. Dieses Konzept ging auf und war weitgehend erfolgreich. Das lag an der guten Organisation vorab, vor allem der Blockaden selbst, die mehrfach durchgesprochen und geprobt wurden, an dem kommunizierten Aktionskonsens von “Köln gegen Rechts” und an der massenhaften Beteiligung, sodass die Polizei vermutlich nicht ganz so hart durchgreifen konnte.
Gegen Hetze, aber auch gegen staatlichen Rassismus!
Der Tag startete mit mehreren Blockaden ab 7 Uhr, zu denen auch Busse aus auswärtigen Orten angereist waren. Dort beteiligten sich zwischen 3000 und 5000 Menschen, ohne das nasskalte Wetter wären es wahrscheinlich noch mehr gewesen. Die Blockaden zeigten, dass es eine deutliche Haltung gibt, die AfD nicht als „normale Partei“ zu sehen, sondern sich ihr auch mit Mitteln des zivilen Ungehorsams entgegenzusetzen. Im Laufe des Vormittags füllte sich dann der Heumarkt (in Sicht und Hörweite der AfD im gegenüberliegenden Maritim-Hotel), dort fand zunächst ein gemeinsames Frühstück und dann die Kundgebung von “Köln gegen Rechts” unter dem Motto „Solidarität statt Hetze!“ statt. Der Ablauf musste im Vorhinein erkämpft werden, da die Polizei ursprünglich nur das eher bürgerlich geprägte Bündnis “Köln stellt sich quer” dort protestieren lassen wollte. In den Redebeiträgen auf der KgR-Kundgebung kamen verschiedene Bündnisse und Initiativen zu Wort, nicht nur zum Kampf gegen die AfD, sondern auch zu G20 und dem NSU-Tribunal. Katrin Heinz, Mitglied der SAV, sprach für KgR und betonte den Charakter AfD: „Die AfD ist keine normale Partei. Die AfD vergiftet unser Zusammenleben und spaltet. Mit gezielten Provokationen und Tabubrüchen verschiebt sie die Grenzen des Sag- und Haltbaren immer mehr nach rechts.“ Kritisiert wurde in ihrem und in anderen Redebeiträgen nicht nur die rassistische und sexistische Hetze der AfD, sondern auch die rassistischen Asylrechtsverschärfungen und Abschiebungen der regierenden Parteien in Bund und Ländern: „Das gesellschaftliche Klima, das die AfD erzeugt, wurde durch die Regierungspolitik sogar genutzt – anstatt in einem reichen Land wie Deutschland die Mittel zur Verfügung zu stellen um Flüchtlingen angemessene Hilfe zu leisten, reagiert sie mit der fast völligen Zerstörung des Asylrechts, mit dem Aufbau der ‚Festung Europa‘, der Organisierung massiver Abschiebungen, der Deklaration von Afghanistan zum ‚sicheren Herkunftsstaaten‘.“
„Rassistisch, sexistisch, neoliberal – AfD, Partei fürs Kapital!“
Um 10:30 Uhr mündete die Kundgebung in den Demonstrationszug durch die Innenstadt, der mit 8000 bis 10000 TeilnehmerInnen begann und bis zum Ende auf 15000 anwuchs. Die SAV beteiligte sich am KgR- und am Linke-/Linksjugend [‘solid]-Block. In letzterem gab es die komplette Demo über viele gute Sprechchöre, eine kämpferische Stimmung und kurze, spontane Redebeiträge – und auch generell war die Demo lebhaft und laut. Am Rand wurden die Flyer von Linksjugend [‘solid] NRW an PassantInnen verteilt. Augenscheinlich war die eher geringe Präsenz der Partei DIE LINKE, die sich an den Protesten beider Bündnisse beteiligte und in der Außenwirkung unter ihren Möglichkeiten blieb.
Wahlkampfhilfe
Während “Köln gegen Rechts” durch die Stadt demonstrierte und so Präsenz in der Stadt zeigte, hatte “Köln stellt sich quer” im Anschluss an “Köln gegen Rechts” einen Protest auf dem Heumarkt organisiert. Dort beteiligten sich circa 10.000 Menschen, hier hatten vor allem die Gewerkschaften stark mobilisiert. Auch das war ein großer Protest, allerdings deutlich kleiner als die im Vorhinein angenommenen 30.000 TeilnehmerInnen. Diese Zahl war die Argumentationsgrundlage im eben erwähnten Streit um den Heumarkt, wegen derer “Köln stellt sich quer” ursprünglich allein den Platz bekommen sollte. Die Kundgebung hatte eher den Charakter einer Wahlkampfveranstaltung, weil drei Wochen vor der Landtagswahl alle wichtigen SpitzenpolitikerInnen einschließlich der Ministerpräsidentin dort reden durften.
Erfolgreicher Tag
In der Bilanz des Tages lässt sich sagen, dass die Proteste aus Sicht von “Köln gegen Rechts” ein Erfolg und für “Köln stellt sich quer”, die das TeilnehmerInnenziel nicht erreicht haben, eher eine Schlappe waren: Trotz der Panikmache der Polizei war die linke, kämpferische Demonstration mindestens genauso groß bzw. leicht größer als der „offizielle“ Protest der Lokal- und Landespolitik mit den VertreterInnen der bürgerlichen Parteien im Landtag. Warum war das so? “Köln gegen Rechts” kann anders als “Köln stellt sich quer” auf eine beständige antifaschistische Arbeit über Jahre zurückblicken. Außerdem scheinen gerade Jugendliche eine Alternative zum immergleichen „Bratwurstessen gegen Rechts“-Protest gesucht zu haben und fanden deshalb die Blockaden und die kämpferische Demonstration ansprechender.
Sanfter Putsch in der AfD
Währenddessen hielt die AfD ihren Parteitag ab, der im Vorfeld von Frauke Petrys „Zukunftsantrag“ geprägt war. Diese hatte ein „realpolitisches“ Positionspapier vorgelegt, wie die Partei mittelfristig auch in Regierungsverantwortung gebracht werden sollte und hatte damit keinen Rückhalt gefunden – der Antrag wurde nicht debattiert, sondern mehrheitlich die Nichtbefassung beschlossen. Zum Spitzenteam wurden Alexander Gauland, der rechts-nationalistische Positionen vertritt und mit dem Höcke-Flügel zusammenarbeitet, und Alice Weidel, die marktradikale und hart neoliberale Positionen vertritt. Frauke Petry bleibt Vorsitzende, wurde aber in der medialen Betrachtung des Parteitags für „entmachtet“ erklärt. Das neue Spitzenduo repräsentiert die beiden Grundelemente der AfD – Rassismus, Sexismus, Nationalismus auf der einen Seite, unsoziale und arbeiterfeindliche Politik, Privatisierungen, Abbau von staatlichen Leistungen, Sozialabbau auf der anderen Seite. Die Reden fielen demensprechend aus, Gauland warnte zum Beispiel vor dem aus seiner Sicht drohenden „Bevölkerungsaustausch“ Deutschlands. Das beschlossene Wahlprogramm der AfD ist daher reaktionär wie zuvor: Sie fordern zum Beispiel eine Mindestabschiebequote und eine Einschränkung des Familiennachzugs von Geflüchteten, eine Erhöhung der Geburtenrate beispielsweise durch Meldepflicht von Abtreibungen, mehr Videoüberwachung, eine Verschärfung des Strafrechts und eine Absenkung der Strafmündigkeit, eine Kürzung des Arbeitslosengeldes I, Stärkung des dreigliedrigen Schulsystems, die Beendigung des Ausbaus erneuerbarer Energiequellen und die Durchsetzung von „deutschen Interessen“ in der Außenpolitik – ein Sammelsurium rechter und reaktionärer Positionen.
Rechtstrend bestätigt
Die Frage stellt sich, ob die Partei spürbar weiter nach rechts gerückt ist. Das Spitzenteam stellt in jedem Fall eine gewisse Rechtsverschiebung dar und wird in Zukunft nicht nur für mehr Hetze gegen MigrantInnen, sondern auch für mehr Sozialchauvinismus und unsoziale Politik stehen. Mit Gauland ist ein Nationalist und direkter Kontrahent Petrys Spitzenkandidat, der für die Zusammenarbeit mit faschistischen Kräften offen ist, er verortet sich aber eher im Zentrum der Partei. Frauke Petry ist nicht deshalb abgesägt worden, weil sie gemäßigtere Positionen vertritt, sondern weil sie falschen Seilschaften innerhalb der Partei organisiert hat und offene Positionen klären wollte, deren Offenlassen jedoch gezielte Taktik bei der AfD ist, um Zustimmung zu bekommen. In den nächsten Wochen und Monaten wird sie und ihre Gefolgschaft weiter versuchen, ihren Einfluss geltend zu machen und das laufende Parteiausschlussverfahren gegen Björn Höcke, mit dem Gauland ja teilweise zusammenarbeitet, voranzutreiben. Insgesamt ist aber keine neue Qualität erreicht – der Rechtstrend ist eher bestätigt und verfestigt worden. Die AfD bleibt eine reaktionäre Sozialkürzungspartei, die eine Türöffnerfunktion für Hetze, Angriffe auf Geflüchtete sowie Gesetzesverschärfungen hat und so den faschistischen Kräften entweder indirekt oder direkt den Weg bereitet. Sie ist in der Gesamtheit keine faschistische Partei, weil sie keine offene Zusammenarbeit mit Nazischlägertrupps organisiert und auch die typische soziale Demagogie, einen Pseudoantikapitalismus, im Programm fehlt – an deren Stelle ist der knallharte Neoliberalismus und die Abkehr vom Sozialstaat. Das macht die Partei allerdings nicht weniger gefährlich. Wir werden sie bei jeder Gelegenheit konfrontieren, ihre Hetze entlarven, ihre Parteitage und Demonstrationen blockieren, ihren Wahlkampf stören und ihnen den öffentlichen Raum streitig machen.