Trotz gewaltiger Fortschritte in Medizin, Immunologie, Virologie und Technologie verursacht der neue Stamm des Coronavirus (SARS-CoV-2, der die COVID-19-Krankheit hervorruft) auf der ganzen Welt menschliches Leid. Dieser neuartige Coronavirus stammt von Fledermäusen ab. Aber wie konnte ein in Fledermäusen entstandener Virus aus dem ländlichen China eine tödliche Pandemie verursachen – und was hat der Kapitalismus damit zu tun?
Keishia Taylor, Socialist Party – Irische Schwesterorganisation der SLP in der International Socialist Alternative
Zuerst erschienen am 22. März, auf Englisch unter https://socialistparty.ie/2020/03/roots-covid-19-capitalist-food-product…
Der COVID-19-Ausbruch wurde ursprünglich auf Schuppentiere auf einem Wildtiermarkt in Wuhan zurückverfolgt. Es gibt jedoch Hinweise darauf, dass sich das Virus seit Oktober oder November unbemerkt in der lokalen Bevölkerung ausbreitete, bevor es im Dezember als neuer Virusausbruch erkannt wurde. SARS-CoV-2 ist ein zoonotisches Virus. Das heißt, es wurde von einer anderen Spezies an Menschen übertragen. Entweder direkt von Fledermäusen oder durch einen Zwischenwirt wie Tiere, die zu den Wildtiermärkten gebracht wurden. Zibetkatzen, die auf Wildtiermärkte in Guangdong gebracht wurden, verbreiteten auch das SARS Virus von 2002. Wildtiermärkte stellen immer noch eine Gefahr dar.
Wildtiermärkte und Lebendtierhandel
Asiatische Wildtiermärkte handeln eine Reihe von lebenden Zucht- und Wildtieren. Sie werden in engen, vollgepackten und übereinander gestapelten Käfigen gehalten. Oft werden sie an Ort und Stelle geschlachtet, bei unzureichenden Kühlmöglichkeiten und schlechten Abflüssen. Die Tiere stehen durch die Bedingungen, unter denen sie gehalten werden, unter Stress. Dadurch sind ihre Immunsysteme geschwächt. Das Zusammenkommen einer einzigartigen Kombination von Spezies und Pathogenen (Krankheitserregern) auf den Märkten bedeutet, dass sich mutierende Viren einfach von einer Spezies zur anderen verbreiten können.
Die Tiere auf diesen Märkten kommen zunehmend von industrialisierten Betrieben, aber auch von kleinen Bauernhöfen und Wildfängen, vor allem seit den Reformen der 1980er. Sie sollten großangelegte industrielle Züchtung und Handel von Wildtieren fördern. Diese lukrative Industrie im Wert von 76 Milliarden Euros wird durch die Staatsmacht unterstützt. Gerechtfertigt wird sie mit den Jobs, die sie in verarmten Gegenden schafft (14 Millionen in ganz China).
Wilde Spezies wie Schuppentiere, Schlangen und Zibetkatzen werden nicht von normalen Arbeiter*innen konsumiert, sondern nur von den Wohlhabenden – als Luxusgüter, Kräftigungsmittel und Statussymbole. Es gab einen Schwall von Beiträgen mit dem Hashtag #RejectGameMeet („Jagdwild-Fleisch ablehnen“) auf der Social-Media-Plattform Weibo. Sie richteten sich gegen den Wildtierhandel und auch gegen den Auberglauben an angebliche medizinische Wirkungen von Tierprodukten. Der COVID-19-Ausbruch und öffentlicher Druck haben zu mehr Auflagen rund um den Wildtierhandel geführt. Aber, wie beim vorübergehenden Verbot nach der SARS-Epidemie von 2002, sind diese Beschränkungen begrenzt. Und sie könnten von kurzer Dauer sein.
Globale Nahrungsmittelproduktion und Zerstörung von Lebensraum
Die großen Wildtier-Zuchthöfe werden tendenziell in den Randgebieten der menschlichen Gesellschaft angelegt und dringen in Wälder und Wildnis ein. Neue Krankheitserreger können vor allem dort entstehen, wo Menschen – in Form von Großkonzernen und kapitalistischen Regierungen – die Landschaft drastisch verändern: Durch Zerstörung von Wäldern, Intensivierung der Landwirtschaft, Bergbau, Straßen- und Siedlungsbau. Das geschieht in erster Linie durch die Agrarindustrie. Beispielsweise bringt die weltweite Zerstörung von Regenwald durch die Nahrungsmittelindustrie neue Arbeiter*innen in diese Lebensräume und verdrängt kleine Bäuerinnen tiefer in die Wälder. (Die Rindfleisch-Industrie ist für 65% der Zerstörungen von Regenwald verantwortlich.)
Diese Form menschlicher Aktivität beschädigt Ökosysteme und zerstört die Biodiversität (Artenvielfalt). So verlieren Viren ihre Wirte und suchen neue. Fledermäuse und Ratten sind besonders anpassungsfähig, überleben Veränderungen in Ökosystemen und werden zu Reservoirs für alte und neue Viren. Die Virologin Zheng-Li Shi identifizierte dutzende SARS-ähnliche Viren in Höhlen in Yunnan (China). Diese Viren könnten Menschen infizieren. Menschliche Invasionen unberührter Wälder bringen wilde Spezies und die Krankheitserreger, die sie tragen, in Kontakt mit Nutztieren, Landarbeiter*innen und anderen Menschen.
Der neue Coronavirus ist die sechste große Epidemie in den letzten 26 Jahren, die ihren Ursprung in Fledermäusen hat. Sie wurden durch eine Reihe von domestizierten, gejagten oder Nutztieren übertragen, wie Pferde (australischer Hendra-Virus von 1994), Kamele (Middle East Respiratory Syndrome, 2012), für Bushmeat gejagte Schimpansen (Ebola, 2014), Schweine (malaysischer Nipah-Virus, 1998) und Zibetkatzen (SARS auf chinesischen Wildtiermärkten, 2002). Diese Fälle hätten als Warnung für rasches Handeln dienen sollen.
Nahrungsmittel für Profite
Stattdessen sind Agrarkonzerne bereit, massive Waldrodungen, die den Planeten zerstören, durchzuführen, Arbeiter*innen mit Hungerlöhnen auszubeuten, sie Giftstoffen und Krankheiten auszusetzen und Viren den Weg zur Verbreitung in der menschlichen Bevölkerung zu bereiten. All das im Namen der Profite. Im kapitalistischen System wird diesen Agrarkonzernen gestattet, die Kosten (finanziell und anderweitig) auszulagern – an Ökosysteme Tiere, Konsumentinnen, Landarbeiter*innen und Regierungen. Und sie wären nicht überlebensfähig, müssten sie die Rechnung selbst bezahlen. Die fünf Billionen Dollar schwere Agrarindustrie ist in einer „strategischen Allianz mit Influenza“, argumentiert der Evolutionsbiologe Rob Wallace. Denn sie verwendet ihren enormen Reichtum und ihre Macht, um diese gefährlichen und unethischen Praktiken, die zum Aufkommen von Krankheiten führen, fortzusetzen.
Der Drang nach Profiten in der DNA des Kapitalismus bedeutet einen Zwang, Märkte zu erobern oder neue zu erfinden, permanent in unberührte Gebiete zu expandieren und alle Ressourcen in Waren und Umsatz zu verwandeln. Das führt zur Ausbeutung und Zerstörung von Menschen, Ökosystemen und Land in neokolonialen Ländern, in erster Linie durch das große Kapital der fortgeschrittenen kapitalistischen Länder – und damit zu massiver globaler Ungleichheit. Hunderte Millionen von verarmten Menschen in Afrika und Asien ohne Zugang zu Kühlsystemen sind von traditionellen Märkten abhängig.
Was ist nötig, und wie?
Wenn wir zukünftige Pandemien verhindern wollen, brauchen wir eine drastische Reorganisierung der Nahrungsmittelproduktion. Wir müssen natürliche Lebensräume schützen und Renaturierung in Angriff nehmen, um zu ermöglichen, dass gefährliche Krankheitserreger in der Wildnis bleiben. Und wir müssen gefährliche und unhygienische Nahrungsmittelproduktion und -verbreitung beenden. Massentierhaltung sollte beseitigt werden. Das würde auch dabei helfen, Klimawandel und Antibiotikaresistenz zu bekämpfen und die Chancen neuer viraler Epidemien deutlich senken. Wir brauchen eine gerechte Umstellung zu sicherer Nahrungsmittelproduktion und gerechte Verteilung über die Weltbevölkerung, einschließlich sicherer, guter Jobs. Wir müsse die ekelhafte und barbarische Behandlung von Tieren in der Nahrungsmittelproduktion beenden.
Solange der globale Kapitalismus am Ruder ist, werden Industrien und Regierungen keine Schritte unternehmen, die ihre Profite reduzieren. Und sie werden mit Sicherheit nicht die grundlegenden Veränderungen umsetzen, die nötig sind, um zu verhindern, dass die Nahrungsmittelindustrie weitere tödliche Pandemien entfesselt. Agrarindustrien müssen in demokratisches, gesellschaftliches Eigentum überführt werden, unter der Kontrolle von arbeitenden Menschen. So können sie umgewandelt und genutzt werden, um den Interessen von Bäuer*innen, Konsument*innen, Arbeiter*innen und der Umwelt zu dienen, in lokaler und globaler Zusammenarbeit.
Die Produktion von Nahrungsmitteln kann in den falschen Händen verheerende globale Konsequenzen haben und darf nicht der Anarchie des freien Marktes überlassen werden. Etwas derart Grundlegendes muss demokratisch geplant sein, um die Bedürfnisse der Mehrheit zu befriedigen. Dieses Ziel ist gerechtfertigt, kann aber nicht unter der Herrschaft des Profits erreicht werden, sondern nur in einer sozialistischen Gesellschaft, die von den und für die Massen geführt wird.