Krankenhausbeschäftigte in Norddeutschland stellen Forderungen
Während für die Unterstützung der Wirtschaft bis zu 600 Milliarden Euro locker gemacht wurden, dauerten die Verhandlungen über die bescheidene Corona-Prämie von bis zu 1000 Euro lange. Die grundlegenden Probleme im Gesundheitswesen bleiben bestehen: Bei einer vernünftigen Personalbemessung wären rund 160.000 Stellen bundesweit im Krankenhausbereich zu besetzen. Noch immer mangelt es an persönlicher Schutzausrüstung. Die ohnehin unzureichende gesetzliche Personalbesetzung wurde während der Pandemie ausgesetzt, die Quarantäneregelung für medizinisches Fachpersonal gelockert.
von Viktor, Berlin
Die Verantwortung für diese Zustände tragen die Politiker*innen aller etablierten Parteien. Wenn diese im Bundestag für die „Held*innen“ klatschen, kann es nur als Hohn verstanden werden. In einem offenen Brief haben Betriebs- und Personalräte, Mitarbeiter*innenvertretungen aus 60 Krankenhäusern in Niedersachsen und Bremen ihre Forderungen formuliert. Sie schreiben:
„Wir sind keine Held/innen, sondern professionell Tätige in einem gesellschaftlich sensiblen Bereich.“
„Wir werden die Fehlentwicklungen nicht inmitten der Krise korrigieren. Aber wir werden, wenn das Schlimmste überstanden ist, Druck für den Aufbau eines Gesundheitssystems machen, das ausschließlich der bestmöglichen Versorgung dient.“
Medizinisches Fachpersonal ist nicht auf wundersame Weise immun gegen eine Infektion mit Corona – nicht nur zum Zweck des Schutzes der eigenen Gesundheit und der Gesundheit ihrer Angehörigen, sondern auch, weil eine starke Ausbreitung von Corona unter medizinischem Fachpersonal zum Zusammenbruch der Krankenversorgung führen kann, stellen die Kolleg*innen Forderungen zum Schutz:
„Eine Testung der Beschäftigten nach Selbsteinschätzung der Erforderlichkeit muss möglich sein … Quarantäne muss auch für infizierte Beschäftigte gelten: Krank ist krank“.
Die Ankündigung der Politik, irgendwann im August Schutzausrüstung vor Ort produzieren zu können, ist keine genügende Antwort auf die deutlich gewordene Tatsache, dass das Versagen des Marktes zur Gefährdung der Gesundheit und des Lebens von in der Krankenversorgung tätigen Menschen geführt hat. Folgerichtig fordern die Kolleg*innen:
„Die Produktion anderer Betriebe muss auf die Herstellung von Schutzkleidung und Hygienemittel umgestellt werden (positive Beispiele gibt es); Umstellungen müssen, wenn nötig, in gesellschaftlichem Interesse auch verordnet werden.“
Entscheidungen über den Umgang mit der Krise dürfen nicht über die Köpfe der Beschäftigten gefällt werden – andernfalls führt es lediglich dazu, dass zum Beispiel die aktuell günstige epidemiologische Situation von Klinikleitungen dazu genutzt wird, Minusstunden als Arbeitszeitpolster für eine mögliche krisenhafte Entwicklung aufzubauen. Auch weiss niemand besser als die Beschäftigten in der jeweiligen Abteilung, wie die Abläufe sind und welche Gefahren möglicherweise bestehen – so fordern die Kolleg*innen:
„Die Mitbestimmung der Betriebs- und Personalräte ist vollständig zu beachten. In die Krisenstäbe werden die Interessenvertretungen sowie ,ExpertInnen in eigener Sache’, Beschäftigte unterhalb der Führungsebene, beratend hinzugezogen.“
Schlussendlich ist klar, dass das 2003 eingeführte DRG-System zu einer deutlichen Fehlausrichtung des Gesundheitssystems geführt hat Pflege gilt nur noch als Kostenfaktor im Krankenhaus, bestimmte Prozeduren werden aus finanziellen Gründen bevorzugt durchgeführt und die Vorbereitung auf eine Pandemiesituation gilt nicht als betriebswirtschaftlich sinnvoll:
„Wir fordern einen Umbau des Gesundheitssystems: Das Finanzierungssystem der Fallpauschalen (DRGs) muss durch eine kostendeckende Finanzierung ersetzt werden.“
Weitere Infos: https://nds-bremen.verdi.de/branchen-und-berufe/gesundheit-soziale-dienste-wohlfahrt-und-kirchen/aktuelles