Wir haben genug vom Hin und Her. Unabhängig vom Zeitpunkt der Schulöffnung: Bis dahin muss sich was ändern. Solange die Pandemie nicht vorbei ist, bleibt es gefährlich, wenn die Schüler*innen in volle Klassen zurückkehren. Ohne kleinere Klassen und massive Investitionen verfestigt sich zudem die soziale Spaltung im Bildungssystem. Unsere Vorschläge:
- Bei Rückkehr an die Schulen – geteilter Unterricht in allen Schulen als erster Schritt zur dauerhaften Verkleinerung der Klassen
- Luftreinigungsgeräte für alle Unterrichtsräume
- Freistellung von Eltern für Homeschooling-Tage bei 100% Lohnfortzahlung
- Wir wissen selbst was geht: Demokratische Entscheidungen durch Schüler*innen, Lehrer*innen und Eltern
- Einstellung von mehr Lehrer*innen
- Ausstattung aller Schüler*innen mit notwendiger Hardware und Aufbau eines IT-Supports an den Schulen
- Die Reichen sollen zahlen – Finanzierung der Investitionen im Bildungsbereich durch eine Corona-Vermögens-Abgabe: 10% ab einer Million Euro, 30% ab zehn Millionen Euro.
Schüler*innen von heute sind komische Wesen. Im vollgestopften morgendlichen Bus oder in überfüllten Klassen scheinen sie immun gegen Covid-19 zu sein. Dagegen werden sie am Nachmittag zu egoistischen Superspreader*innen und müssen auf viele Kontakte zu Freund*innen verzichten.
Diese Argumentation von Politiker*innen dient dazu, Jugendlichen die Schuld in die Schuhe zu schieben und vom eigenen Versagen abzulenken. Nach zehn Monaten Pandemie sind unsere Schulen noch immer nicht auf die Situation vorbereitet. Tests gibt es erst, wenn es zu spät ist und Symptome vorliegen. Dabei ist bekannt, dass man auch ohne Symptome ansteckend ist.
Es müsste schon lange Luftfilter für jeden Klassenraum geben. Nichts ist passiert. Für den Preis eines einzigen Eurofighters der Bundeswehr könnten eine Million Schüler*innen mit diesen Anlagen versorgt werden. Stattdessen müssen wir uns lächerliche Tipps anhören, Kniebeugen zu machen und in die Hände zu klatschen, um gegen die Kälte anzukämpfen.
Eltern sollen arbeiten
Den Politiker*innen geht es ihnen nicht um unsere Bildung, wenn sie die Schulen in voller Besetzung wieder starten wollen. Vor allem die jüngeren Schüler*innen sollen in die Schule, damit die Eltern weiter arbeiten gehen und die Profite ihrer Firmen sichern können. Das ist der normale Wahnsinn des Kapitalismus.
Der Teil-Lockdown ab Anfang November hatte nach Angaben der Regierung den Zweck, ein unkontrolliertes Anwachsen der Infektionszahlen zu verhindern. Dieses Ziel stand allerdings unter dem Vorbehalt, die kapitalistische Wirtschaft am Laufen zu halten und die Stellung deutscher Konzerne in der internationalen Konkurrenz zu verteidigen. Während harte Einschnitte für Privatleben, Kultur, Freizeit, Sport und Gastronomie vorgenommen wurden, liefen viele Fabriken und selbst mit voller Besetzung, ebenso Bussen und Bahnen.
Das bisherige Hin und Her wälzt den Stress und die Verantwortung auf Schüler*innen, Lehrer*innen und Eltern ab. Die Eltern müssen die Möglichkeiten der Kinderbetreuung individuell mit ihren Betrieben aushandeln, dafür Erholungsurlaub opfern oder Lohnverluste in Kauf nehmen.
Es wird wird weiter so getan, als könnte in diesem Schuljahr der gesamte Stoff durchgezogen und geprüft werden. Doch beim Online-Lernen kann definitiv weniger Stoff vermittelt werden. Klausuren und Prüfungen müssen verringert, angepasst oder ausgesetzt werden.
Wir alle, Schüler*innen, Eltern, Lehrer*innen, brauchen abgestimmte Lösungen. Wir wollen klare Regelungen, den Unterricht anders zu organisieren, wir brauchen umfassende Investitionen in Technik, Lehr- und Lernmittel. Eltern brauchen die volle Fortzahlung der Löhne für die Tage, an denen sie Homeschooling-Support machen. Die Lehrer*innen brauchen Weiterbildung und technischen Support für die Organisierung des Hybrid-Unterrichts.
Demokratie in der Schule
Wir wissen selbst am Besten, was gut für uns ist. Lehrer*innen, Schüler*innen und Eltern können sich abstimmen und demokratisch entscheiden, was möglich ist. Die Schulbehörden müssen dafür den Rahmen und die finanziellen Mittel bereitstellen anstatt sämtliche sinnvolle Ansätze von unten zu verbieten, wie es zum Beispiel in Solingen passiert ist. Dort hatte die NRW-Bildungsministerin Gebauer (FDP) den Schulen untersagt, ihr ausgearbeitetes Modell für den Hybrid-Unterricht umzusetzen.
Das Bildungssystem ist über Jahrzehnte kaputt gekürzt worden. In keinem anderen Industrieland wird der Graben zwischen reichen, “gebildeten” und armen, “bildungsfernen” Kindern und Jugendlichen so stark durch das Bildungssystem zementiert wie in Deutschland. Das wird durch die Pandemie verstärkt, aber nicht, weil es nicht anders möglich wäre, sondern weil die herrschenden Parteien kein Interesse daran haben, das Bildungssystem grundlegend zu verändern. Sie gefährden damit auch die Gesundheit unserer Familien und verhindern, dass die Ausbreitung von Covid-19 effektiv gestoppt werden kann.
Wir akzeptieren das nicht mehr. Das Bildungssystem muss endlich ausreichend finanziert werden, die sozialen Schranken eingerissen werden. Das werden nicht die Bildungspolitiker*innen der etablierten Parteien für uns machen, das müssen wir selbst erkämpfen. Die Klassen sind auch außerhalb der Pandemie zu groß, wir wollen dauerhaft kleine Klassen von 15 Schüler*innen.
Die Reichen sollen zahlen!
Nötig sind eine Ausbildungs- und Einstellungsoffensive von Personal an den Schulen – Lehrkräfte, Reinigung, technischer Support, Sozialarbeit – und weitere Investitionen für den Aus- und Neubau von Schulen. Schon vor der Pandemie schätzte die Bildungsgewerkschaft GEW den zusätzlichen Investitionsbedarf auf über 40 Milliarden Euro. Dies kann aus den knappen Kassen der Städte, Gemeinden und Länder nicht finanziert werden. Um das Bildungssystem zu verbessern, müssen zusätzliche Gelder eingesetzt werden. Diese können nur von den Reichen und Superreichen kommen, deren Gewinne während der Pandemie noch gewachsen sind. Durch die Einführung einer stark progressiven Vermögenssteuer und eine einmalige Corona-Abgabe auf Vermögen können diese Gelder gewonnen werden.
Das heutige Bildungssystem gefährdet unsere Gesundheit, ist unsozial und undemokratisch. Eine andere Schule ist nötig und möglich – demokratisch, finanziell besser ausgestattet, nicht ausgerichtet an kapitalistischen Interessen, sondern an den Bedürfnissen der Kinder und Jugendlichen – in der Pandemie und danach. Die Finanzierung ist dabei ein Aspekt. Dazu sind qualitative Änderungen nötig: Einführung der Gesamtschule als Regelschule; kostenloser gebundener Ganztagsunterricht, volle Lehr- und Lernmittelfreiheit, auch digital; Abschaffung der Noten …