Erklärung des SAV-Bundesvorstands
Schon wieder ein Ausschlussantrag gegen Marxist*innen in der Linksjugend… Nachdem es 2018 den erfolglosen Versuch gegeben hatte, die SAV auszuschließen, und letztes Jahr die SAV und SOL (Sozialistische Organisation Solidarität) aus den Linksjugend-Strukturen in Bayern geworfen werden sollte (ebenfalls ohne Erfolg), sind jetzt unsere Ex-Genoss*innen von der SOL Ziel eines Ausschlussantrags auf dem nächsten Bundeskongress.
Sowohl die aktuellen als auch die vergangenen Ausschlussversuche haben sich schon immer gegen linke Kräfte im Verband gerichtet und sind Ausdruck einer politischen Kontroverse zwischen reformistischen und revolutionären Ideen. Doch statt die Ausrichtung des Verbandes und Bruchlinien wie an der Frage von Regierungsbeteiligung auch politisch zu diskutieren, wird einer inhaltlichen Auseinandersetzung durch bürokratische Verdrängungsversuche jegliche Grundlage entzogen.
Die Begründung für den Ausschlussversuch ist dieses Mal neu: Statt des zusammenfantasierten Vorwurfs einer Sektenstruktur, die die Mitarbeit in breiteren linken Organisationen als Geschäftsmodell sehe und psychologischen Druck auf ihre Mitglieder ausüben solle (eine ausführliche Antwort dazu gibt es hier), geht es dieses mal vor allem um die jederzeitige Wähl- und Abwählbarkeit von Funktions- und Mandatsträger*innen, die angeblich “satzungswidrig” sei.
Wir verteidigen dieses Prinzip als ein wichtiges innerhalb der Arbeiter*innenbewegung, das verhindert, dass einmal gewählte Vertreter*innen das in sie gesetzte Vertrauen missbrauchen, und sich von den politischen Positionen, für die sie gewählt wurden, verabschieden. Auch wenn Delegierte auf Parteitagen und Kongressen keine öffentlichen Ämter besetzen, ist das Prinzip der jederzeitigen Abwählbarkeit wichtig. Delegierte müssen die Freiheit haben, sich von guten Argumenten auch überzeugen zu lassen, sonst würde es ausreichen, auf Parteitagen Stimmautomaten zusammenkommen zu lassen. Das entsendende Gremium sollte aber das Recht haben, Rechenschaft für eine von den Mehrheitsbeschlüssen abweichende Position zu verlangen, und, falls die Argumente nicht überzeugen, Delegierte auch abzuwählen. Dieses Prinzip wurde in der Geschichte der Arbeiter*innenbewegung schon immer angewendet, sei es bei der Pariser Kommune 1871, 1917 in Russland 1918 in Deutschland und Österreich. Das “freie Mandat”, in dem gewählte Mandatsträger*innen sich nur alle paar Jahre der Wiederwahl stellen und dazwischen machen können was sie wollen, ist das Grundprinzip des bürgerlichen Parlamentarismus und führt in fröhlicher Regelmäßigkeit zu Machtmissbrauch, gebrochenen Wahlversprechen und Politiker*innenverdruss bei Wähler*innen.
Dass die Antragssteller*innen ausgerechnet mit einem Ausschlussantrag gegen Marxist*innen vorgeben, den “Pluralismus” zu verteidigen, ist nicht nur widersprüchlich, sondern macht auch klar, dass das ein politischer Angriff ist. Angegriffen wird der linke, antikapitalistische und revolutionäre Flügel der Linksjugend, die politische, aktivistische Praxis des Landesverbandes NRW, sowie Positionen, die sich deutlich gegen die Beteiligung an Regierungen mit prokapitalistischen Parteien wendet. Unterschiedliche Positionen zu beziehen und für diese einzutreten ist im Sinne der pluralistischen Verfasstheit des Verbandes. Ein Unvereinbarkeitsantrag hingegen stellt eine Gefahr für die verbandsinterne Demokratie des Verbandes dar. Wir stellen uns klar gegen solche Ausschlüsse und wollen beim Aufbau eines aktiven und bewegungsorientierten Jugendverbands mitwirken.
Ein kämpferischer, sozialistischer Jugendverband ist heute notwendiger denn je. Der Kapitalismus bietet der Jugend ohnehin keine selbstbestimmte Zukunft – die Coronakrise und der Klimawandel spitzen diese Situation weiter zu. Daher müssen wir dieses System überwinden und durch einen demokratischen Sozialismus ersetzen. Um das zu erreichen, braucht es in der Bewegung Debatten- Organisierungs- und Strömungsfreiheit sowie die Bereitschaft Differenzen auszuhalten und trotzdem gemeinsam zu agieren.