Anfang Februar 2020 – zu Beginn der ersten Corona-Welle – empfahl der Gesundheitsminister Spahn mehr Mut zu Krankenhausschließungen und löste bundesweit Empörung aus. Heute befinden wir uns mitten in der zweiten oder dritten Corona-Welle und müssen zusehen, wie sich eine zweite Welle von Forderungen nach Klinikschließungen und Personalabbau im Krankenhausbereich aufbaut.
Von Ianka Pigors, Hamburg
Der kommunale Klinikverbund „Gesundheit Nord“ (Geno) will 450 Vollzeitstellen abbauen. Das sind über 5% aller Vollzeitstellen in Bremer Krankenhäusern (Statistisches Bundesamt). Die Geno beklagt wie viele andere Anbieter im Gesundheitsbereich, dass auf Grund der Pandemie weniger lukrative Eingriffe, zum Beispiel Knie- und Herz-OPs, stattfinden und den Kliniken damit profitable Fallpauschalen entgehen. Allerdings ist der kommunale Klinikverbund bereits seit Jahren in finanziellen Schwierigkeiten, auch, weil weder die alte rot-grüne Landesregierung, noch die seit 2019 amtierende rot-rot-grüne Koalition die gesetzlich vorgeschriebenen Investitionsmittel in voller Höhe auszahlt. DIE LINKE forderte im Wahlkampf „Mehr Personal, gesündere Arbeit, bessere Pflege“. In der Regierung scheint sie unfähig, solche Verbesserungen umzusetzen.
Unter der LINKEN Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard wurden die Investitionsmittel zwar erhöht, sie bleiben aber noch immer hinter den gesetzlichen Vorgaben zurück. Bernhard protestiert zwar gegen das Fallpauschalensystem, für das sie keine Verantwortung trägt, in der konkreten Verantwortung beugt sie sich aber den angeblichen Sachzwängen und geht gegen den Stellenabbau nicht auf die Barrikaden. Sie behauptet, Pflegekräfte wären nicht von Kündigungen betroffen. Das ist nicht die ganze Wahrheit. Frau Bernhard verschweigt, dass Verträge aus Arbeitnehmerüberlassungen, Pflegekräfte in der Probezeit und Pflegehelfer*innen sehr wohl gekündigt werden.
Während Leiharbeitnehmer*innen z.B. in der Industrie und der Logistik-Branche meist erheblich schlechter verdienen als die Kernbelegschaften, stellt sich die Lage im Gesundheitsbereich anders dar. Arbeitsüberlastung und schlechte Arbeitsbedingungen führen dazu, dass Kolleg*innen oft schnell hinschmeißen. Die für Leiharbeit typische kurzfristige Beschäftigungsperspektive erscheint unter diesen Umständen weniger abschreckend als in anderen Bereichen. Der – ebenfalls aus schlechten Arbeitsbedingungen resultierende – Fachkräftemangel führt dazu, dass Leiharbeitnehmer*innen im Gesundheitsbereich meist nicht weniger, sondern mehr Gehalt fordern können als ihre festangestellten Kolleg*innen. Viele Krankenhausbeschäftigte sind daher in den letzten Jahren in die Leiharbeit „geflüchtet“. In Bremen haben etwas unter 5% der Krankenhausbeschäftigten Leiharbeitsverträge. Die Kündigung dieser Verträge bedeutet genauso Personalabbau wie Stellenstreichungen bei Festangestellten.
Das Fehlen jeder einzelnen Kolleg*in, die Streichung jeder Arbeitsstunde auf Station verschlimmert die bereits bestehende Unterversorgung der Patient*innen und die Arbeitsüberlastung der Beschäftigten, die gerade in einer Pandemie unter Einsatz der eigenen psychischen und physischen Gesundheit verzweifelt versuchen, ihrem Auftrag, Menschen in Not zu helfen, nachzukommen. Ein weiteres Scheinargument der Bremer Gesundheitssenatorin ist, dass in der Pandemie angeblich mehr ambulant behandelt wird. Das mag stimmen. Aber mehr ambulante Behandlungen ohne entsprechende Aufstockung der Mittel in diesem Bereich sind Kürzungspolitik. Auch für eine ambulante Versorgung braucht es Ärzt*innen, technisches Personal, Versorgung etc. Im Ergebnis setzt Bernhard deshalb die ungesunde Politik ihrer SPD-Vorgängerin fort.
Beispiel Rhein-Sieg-Kreis
Der Rhein-Sieg-Kreis ist der drittgrößte Landkreis Deutschlands und war in der jüngsten Vergangenheit von besonders vielen Krankenhausschließungen und Privatisierungen betroffen. Überwiegend traf es Geburtsstationen, weil nicht genug Kinder zur Welt kamen, um einen profitablen Betrieb der Einrichtungen zu gewährleisten.
Der Rhein-Sieg-Kreis umfasst viele Kleinstädte. Daher bietet er sich als Experimentierfeld für die Privatisierungspläne der profitorientierten Gesundheitskonzerne, vor allem für ländliche Regionen an. Unter anderem wurde 2010 die Geburtshilfe in Siegburg geschlossen, 2014 folgte das Eitorfer Krankenhaus, 2017 die Asklepios-Kinderklinik in Sankt Augustin und 2021 die Geburtsstation Bad Honnef.
Heute gibt es im rechtsrheinischen Teil des Kreises nur noch zwei Krankenhäuser mit Geburtsstationen. Beide sind in Troisdorf. Vor allem für alleinstehende Schwangere und Eltern von Kleinkindern aus dem ländlichen Raum bedeutet das, dass sie oft mehr als 30 Kilometer von der nächsten Geburts- und Kinderklinik entfernt leben. Das Recht, sicher und mit vernünftiger medizinischer Versorgung ein Kind zu bekommen und es unbeschadet durch die ersten Lebensmonate zu bringen, spielt für das Profitstreben der Gesundheitskonzerne keine Rolle.
Mitglieder der LINKEN sind seit Jahren aktiv für eine bessere Personalausstattung im Gesundheitswesen. Im Bündnis für mehr Krankenhauspersonal, im Betriebsrat, in der Opposition. Das Bündnis für mehr Personal im Krankenhaus in Bremen, in dem auch die SAV mitarbeitet, hat eine Online-Petition gestartet.
“Krankenhauspersonal entlasten – nicht entlassen!
Liebe Kolleg*innen, liebe Bevölkerung,
Wir wehren uns gegen die Vernichtung von Arbeitsplätzen in den Kliniken und fordern:
- Kein Personalabbau in den Krankenhäusern: Wir brauchen alle, sowohl jetzt, als auch nach der Pandemie!
- Von der Gesundheitssenatorin die Klarstellung des Versorgungsauftrages durch die vier GENO-Krankenhäuser und die Ablehnung des geplanten Stellenabbaus von 450 Vollzeitkräften
- Vom Aufsichtsrat der GENO eine klare Ablehnung der Stellenstreichungssplanung
- Die Einhaltung der Pflegepersonaluntergrenzen auf allen Stationen – sowohl in der Planung wie in der Durchführung
- Eine gesetzliche bedarfsgerechte Personalbemessung auf Grundlage der Pflegepersonalrichtlinie (PPR 2.0).
- Die Wiedereingliederung von lohndrückenden Tochtergesellschaften wie der Gesundheit Nord Dienstleistung (GND). Die GND-Kolleg*innen müssen arbeitsvertraglich und tariflich wieder direkt an die Krankenhäuser angebunden werden.
- Keine Schließung von Krankenhäusern, Teilkliniken oder Fachabteilungen
- Die Freigabe der nach Landeskrankenhausfinanzierungsgesetzes gesetzlich vorgeschriebenen Investitionskosten für die Kliniken.
- Krankenhäuser entschulden und von der Gewinnorientierung befreien
- Abschaffung des Fallpauschalensystems (DRGs), das die Profitlogik in die Krankenhäuser eingeschleppt hat.
Die Corona-Pandemie hat zugespitzt gezeigt: Profite pflegen keine Menschen. Schon vor der Pandemie war der sogenannte Normalzustand in den Krankenhäusern ein Krisenzustand. Krankenhausbeschäftigte haben auch vor der Pandemie deutlich gemacht, dass die Arbeitsbedingungen in den Krankenhäusern gesundheitsgefährdend sind und die Versorgung der Patient*innen gefährden. Jeder weitere Stellenabbau ist unverantwortlich.”
Kein Maulkorb für kritische Kolleg*innen
Im Dezember 2020 gab die bei der Asklepios-Klinik St. Georg in Hamburg beschäftigte Betrtriebsrätin Romana Knezevic dem NDR-Fernsehn ein Interview. Sie kritisierte die Überlastung der Pflegekräfte auf den Intensivstationen und sagte: „Patienten sterben allein auf ihren Zimmern“. Der private Klinikbetreiber reagierte mit einer fristlosen Kündigung, der Betriebsrat stimmte nicht zu. Die Sache landete vor dem Arbeitsgericht. Romana wurde durch eine breite Solidaritätswelle, vor allem durch die Hamburger Krankenhausbewegung, unterstützt. Es gab Proteste und Demonstrationen. Am 17.2.21 knickte die Konzernleitung ein und nahm die Kündigung und die Klage auf Zustimmung des Betriebsrats zurück. Romanas Sieg ist ein wichtiger Schritt für Kolleg*innen im Gesundheitsbereich, die die Kritik an den unerträglichen Arbeitsbedingungen und Zuständen für Patient*innen nicht länger verschweigen wollen.