Generalstreiks zeigen das Potenzial den Putsch zurückzuschlagen. Die Bewegung muss anfangen die Gesellschaft zu organisieren.
von Geert Cool, LSP/PSL (ISA in Belgien)
*Siehe Kasten unten für wichtigen historischen Kontext
Mehr als einen Monat nach dem Militärputsch unter der Führung von Min Aung Hlaing geht der Kampf zwischen dem Volk und dem Militär Myanmars weiter. Streiks legen das tägliche Leben lahm. Die Generalstreiks am 22. Februar und 8. März waren die bisherigen Höhepunkte der Bewegung. Die Armee, die Tatmadaw, reagierte nach dem 22. Februar mit noch mehr Gewalt, die viele Tote forderte.
Das bekannteste Opfer dieser tödlichen Repression ist die 19-jährige Angel Kyal Sin. Sie wurde am 3. März in Mandalay, der zweitgrößten Stadt des Landes, getötet, während sie ein T-Shirt mit dem Slogan trug: „Alles wird gut.“ Mit 38 Toten war der 3. März der bisher blutigste Tag. Das erste Todesopfer war die 20-jährige Studentin Mya Thwate Khaing, die am 9. Februar angeschossen wurde und zehn Tage später starb.
Diese Märtyrer*innen der Bewegung sind junge Frauen, wie auch viele der Anführer*innen der Bewegung. Die Arbeiter*innenklasse nimmt eine zentrale Stellung ein: Der Streik ist die Hauptwaffe der Bewegung und erweist sich einmal mehr als besonders effektiv. Zu den ersten Gruppen, die in den Streik traten, gehörten Arbeiter*innen aus Sektoren, die bereits in den letzten Jahren bestreikt worden waren. Arbeiter*innen aus dem Gesundheitswesen standen nach einem Jahr der Gesundheitskrise an vorderster Front. Lehrer*innen und Jugendliche hatten 2014–15 gegen eine Bildungsreform gestreikt und eine stärkere Bildungsgewerkschaft gegründet. Arbeiter*innen des schnell wachsenden Textilsektors, in dem mittlerweile bis zu 900.000 Arbeiter*innen, die meisten von ihnen Frauen, beschäftigt sind, streikten bereits 2019 für bessere Arbeitsbedingungen. Die globale Pandemie und die sinkende Nachfrage nach Textilien durch große Bekleidungsmarken führten in letzter Zeit zu Entlassungen und neuen Protesten.
Die Generalstreiks zeigen das Potenzial, den Putsch zu besiegen. Wenn das arbeitende Volk alles lahmlegt, hat die Armeeführung keine Chance mehr. Um sie wirklich zu entmachten, muss die Bewegung selbst damit beginnen, die Gesellschaft auf der Grundlage der Interessen und der Beteiligung der Mehrheit der Bevölkerung zu organisieren. Ein Sieg dieser revolutionären Bewegung würde internationale Konsequenzen haben. So wie diese Bewegung den „Hunger Games“-Drei-Finger-Gruß international verbreitet hat, kann sich das Beispiel einer starken und siegreichen Streikbewegung von Myanmar aus in der ganzen Region und darüber hinaus ausbreiten.
Generalstreiks
Im Vorfeld des Generalstreiks vom 22. Februar gab es mehrere Protestaktionen, die das tägliche Leben störten. Am 17. Februar zum Beispiel täuschten die Menschen Autopannen vor und brachten so den gesamten Verkehr in den großen Städten wie Yangon zum Erliegen. In den Dörfern wurden Baumstämme quer über die Straßen gelegt, um Armeefahrzeuge an der Durchfahrt zu hindern.
In der ersten Phase des Protestes gegen den Militärputsch vom 1. Februar übernahmen Arbeiter*innen im Gesundheits- und Bildungswesen die Führung. Sie traten in den Streik, und diesem Beispiel folgten bald viele andere Branchen.
Es gibt keine lange Tradition von Gewerkschaften in Myanmar. Die Gewerkschaften wurden 1988 in der Bewegung gegen die Militärjunta wiedergegründet und operieren erst seit 2011 legal. Der Allgemeine Gewerkschaftsbund (General Confederation of Trade Unions) hatte 2018 nur 65.000 Mitglieder – bei einer Bevölkerung von 54 Millionen. Es gibt einige besonders kämpferische Gewerkschaften, die aus Arbeiter*innen-Aktionen entstanden sind. Das ist zum Beispiel in der Bekleidungsbranche der Fall, die in den letzten Jahren besonders schnell gewachsen ist und in der die Arbeiter*innen begonnen haben, ihren Anteil vom Kuchen einzufordern. Im Jahr 2019 gab es eine Welle von Streiks für Lohnerhöhungen und bessere Arbeitsbedingungen. Darauf folgten 2020 Streiks gegen willkürliche Entlassungen von Gewerkschaftsmitgliedern, und für sichere Arbeitsbedingungen während der Gesundheitskrise. Im Zuge der aktuellen Proteste gegen den Putsch wachsen die Gewerkschaften und es entstehen neue.
Am 22. Februar traten Millionen Menschen in den Streik. Nicht nur in Sektoren, in denen bereits gestreikt wurde, sondern in allen Teilen der Wirtschaft. Von Minen und Fabriken bis zu Restaurants und informellen Straßenverkäufer*innen. Den ganzen Tag stand alles still und blieb still. Hunderttausende gingen in allen Städten und auf dem Land auf die Straße. Dieser Generalstreik wurde die „22222-Revolution“ genannt, nach den fünf Zweien, die in dem Datum 22. Februar 2021 vorkommen. Die Nachrichtenseite Irrawaddy.com berichtete, dass in Mandalay, der zweitgrößten Stadt des Landes, buchstäblich alle Einwohner*innen bei einer Demonstration auf die Straße zu sein schienen, die nach Aussage von Veteran*innen der Protestbewegung von 1988 noch größer war als diese historische Demonstration. Selbst in Naypyidaw, einer Stadt, die zwischen 2002 und 2012 künstlich errichtet wurde, um als „sichere“ Hauptstadt für das Regime zu dienen, gab es Streiks und Demonstrationen.
Ein Streik, der so allumfassend ist, bringt das ganze Land zum Erliegen. Das hat Folgen. Die Aktionen der Bankbeschäftigten machten es den Anführer*innen des Putsches unmöglich, die Löhne des Militärs zu zahlen, während sie die Unterstützung der einfachen Soldat*innen dringend brauchen, um sich an der Macht zu halten. Hunderte von Angestellten privater und öffentlicher Banken schlossen sich den Gewerkschaften an und beteiligten sich an der Bewegung des zivilen Ungehorsams (CDM). Wegen des Streiks haben Unternehmen und die Regierung kaum Zugang zu Geld. Es erinnert ein wenig an den reaktionären Kapp-Putsch in Deutschland 1920, als die rechten Putschisten keine Druckerei finden konnten, die nicht streikte, und deshalb die offiziellen Verlautbarungen des Putsches nicht drucken lassen konnten.
Das bedeutet natürlich nicht, dass es „Game Over“ ist. Die Verschärfung der Repression durch die Armeeführung ist ein Ausdruck von Verzweiflung, die äußerst gefährlich werden kann. Der erneute Generalstreik am 8. März bestätigte das Potenzial der Bewegung und das Scheitern der Repression. Wenn zwei Generalstreiks nicht ausreichen, um das Regime zu stürzen, muss ein Generalstreik von unbestimmter Dauer ausgerufen werden. In einer Reihe von Branchen streiken die Arbeiter*innen bereits seit Anfang Februar.
Bewegung des zivilen Ungehorsams
Die Bewegung des zivilen Ungehorsams spielt eine wichtige Rolle in der Bewegung und treibt sie von unten gegen die Militärdiktatur voran. Das ist eine bemerkenswerte Besonderheit der Situation. Früher wurde Aung San Suu Kyis National League for Democracy (NLD) allgemein als die zentrale Organisation der Opposition gegen das Militär angesehen. Ihre Beteiligung an der Regierung in den vergangenen Jahren und die Zusammenarbeit mit der Armee untergruben jedoch die Autorität der NLD. Die Protestbewegung wurde von Gesundheitsarbeiter*innen, Lehrer*innen und anderen Arbeiter*innen ins Leben gerufen. Sie gründeten die Bewegung für zivilen Ungehorsam als Facebook-Seite, die über 300.000 Follower*innen hat.
Die Arbeiter*innen des Gesundheitswesens nehmen nach der globalen Gesundheitskrise, die auch Myanmar getroffen hat, eine besondere Rolle ein. Zusätzlich gibt es einige gewerkschaftliche Organisator*innen in diesem Bereich. Im Bildungssektor gibt es eine relativ starke Gewerkschaft, die „Myanmar Teachers‘ Federation“, die inzwischen nach eigenen Angaben 100.000 Mitglieder hat. Das Ausmaß der Protestbewegung hat sogar dazu geführt, dass eine Reihe von Arbeitgeber*innen und internationalen Unternehmen ihre Zusammenarbeit mit der Regierung beendet haben. Es ist auch der Druck der Bewegung und die Isolierung des Putschregimes in Myanmar, die internationale Regierungschef*innen wie Biden dazu veranlasst hat, Erklärungen gegen das Militär abzugeben und Sanktionen zu verhängen.
Die Macht der Streiks ist wichtig, aber gleichzeitig muss sie durch die Organisation von Streikkomitees und regionalen Aktionskomitees gebündelt werden. In der Bewegung von 1988 spielten Streikkomitees und „Volkskomitees“ eine wichtige Rolle. Solche Gremien werden auch jetzt gebraucht. Sie waren damals wichtig, um sicherzustellen, dass die Protestbewegung nicht von alten „Krokodilen“ gekapert wurde. Jetzt, da die Mehrheit der Bevölkerung in Myanmar darauf schaut, wie sie das Militärregime vollständig loswerden kann, wird es notwendig sein, dass die Bewegung ihre eigenen Organisationen und Kampfinstrumente aufbaut und kontrolliert. Das Generalstreikkomitee, das für den Streik vom 22. Februar eingerichtet wurde, war ein vielversprechender Anfang. Es wäre jedoch besser, das Generalstreikkomitee auf der Grundlage lokaler Komitees in den Betrieben und in den Stadtvierteln zu gründen, die sich auf nationaler Ebene koordinieren, als andersherum zu beginnen.
Lehren aus der Geschichte – ein Programm für echten Wandel ist nötig
Trotz der Existenz von Illusionen in Konzepte wie „führungslose“ Bewegungen, gibt es immer die Tendenz, dass ein Führungsvakuum gefüllt wird. Wenn die Arbeiter*innen und armen Bauern und Bäuerinnen es nicht von unten füllen, wird es immer Kandidat*innen geben, die von oben hereinstoßen. In der Bewegung von 1988 versuchte der ehemalige Premierminister U Nu dies, aber sein Versuch wurde durch die schnelle Entwicklung einer neuen politischen Partei aus der Bewegung heraus vereitelt: die National League for Democracy (NLD). Diese Partei betrachtete Aung San Suu Kyi, die damals gerade zurückgekehrte Tochter eines ehemaligen Freiheitskämpfers, als ihre neue Anführerin.
Heute befindet sich Aung San Suu Kyi in einer ähnlichen Position wie U Nu im Jahre 1988. Ihre NLD spielte keine zentrale Rolle bei der Organisation des Protestes und das Regime, dem sie angehörte, ist eindeutig gescheitert. Dennoch hat das Fehlen eines politischen Programms der Massenbewegung und die durch Repression erlangte Autorität es der NLD ermöglicht, wieder auf die Beine zu kommen. Am 2. März gründete ein Komitee von NLD-Abgeordneten das „Cabinet of Committee Representing Pyidaungsu Hluttaw“ (CRPH, Pyidaungsu Hluttaw ist der Name des Parlaments). Dies ist eine alternative Regierung mit vier Minister*innen: drei NLD-Politiker*innen und ein unabhängiger Akademiker, Dr. Zaw Wai Soe, der als Rektor der medizinischen Universität eine zentrale Rolle im Kampf gegen Covid-19 in Yangon spielte. Er rief sofort alle Staatsbediensteten auf, sich der Bewegung des zivilen Ungehorsams (CDM) anzuschließen. Die CDM fordert explizit die Anerkennung des CRPH und übergibt damit eigentlich die Initiative an die NLD zurück.
Es ist normal, dass es in der Bevölkerung Illusionen in die CRPH gibt und die Proteste fordern zu Recht die Freilassung aller politischen Gefangenen. Die Frage ist jedoch, welche Politik die CRPH vorschlägt, welche Taktik gegen die Armee und was für eine Alternative geschaffen werden soll, wenn die Putschist*innen vertrieben wurden. Eine Rückkehr zu den Verhältnissen von früher ist keine adäquate Antwort auf die Sorgen der Bevölkerung. Eine Zusammenarbeit mit der Armee zum Beispiel wird nicht akzeptiert werden.
Um die Armee loszuwerden, muss der Kampf nicht nur auf der politischen, sondern auch auf der wirtschaftlichen Ebene geführt werden. Die Armeespitzen spielten eine aktive Rolle bei den Privatisierungen, die nach 1988 über die Wirtschaft hereinbrachen. Viele wichtige Unternehmen sind in Militärhand, darunter die Myanmar Economic Corporation (MEC) oder die Myanmar Economic Holding Ltd (MEHL), die in der Privatisierungswelle einige lukrative Teile der Wirtschaft aufkauften. Das wird in der Bewegung instinktiv verstanden: So werden z.B. Bier von Myanmar Beer oder Produkte des Telekommunikationsbetreibers MyTel (beide Teil der MEC) massiv boykottiert.
Die Protestbewegung braucht ein Programm, um der Bevölkerung wirklich die Macht zu geben. Das bedeutet nicht nur demokratische Wahlen, sondern die Kontrolle des Volkes über die Schlüsselsektoren der Wirtschaft, um eine demokratische Kontrolle des enormen Reichtums des Landes zu ermöglichen. Dies wird nicht durch die CRPH geschehen, selbst wenn dieses Gremium unter dem Druck der Bewegung ein radikaleres Profil annehmen muss, als das, was bisher von der NLD befürwortet wurde. Die Politik der Zusammenarbeit mit der Armee ist gescheitert, deshalb muss die NLD sich davon abwenden. Aber selbst das reicht nicht aus, um einen grundlegenden Wandel herbeizuführen.
Internationale Reaktionen
Es gibt ein instinktives Verständnis in der Bewegung, dass Solidarität sowohl im Inland als auch international wichtig ist. Es gibt eine gesunde Einstellung zur nationalen Frage und zu den Rechten der vielen Minderheiten im Lande. Mit englischsprachigen Protestschildern rufen die Demonstrant*innen explizit zu internationaler Solidarität auf. Sie zielen nicht so sehr auf die internationalen Institutionen und Anführer*innen, sondern auf die einfachen Menschen mit einem besonderen Augenmerk auf frühere Bewegungen in Thailand und Hongkong. Hier und da werden Illusionen über die Rolle der USA geäußert, aber das scheint derzeit innerhalb der Bewegung eher marginal zu sein.
Die internationalen Kapitalist*innen haben nie ein Interesse an der Mehrheit der Bevölkerung in Myanmar gezeigt. Als Aung San Suu Kyi freigelassen wurde und die NLD ankündigte, 2012 an Nachwahlen für 45 Sitze teilzunehmen, strömte das internationale Establishment nach Myanmar in der Hoffnung, lukrative Geschäfte zu machen. Dass es etwas zu holen gab, war schon nach den Privatisierungen und der Öffnung der Wirtschaft nach 1988 klar geworden: So stiegen Total, Chevron und die thailändische PTT in das Öl- und Gasunternehmen Myanma Oil and Gas Enterprise ein.
Politiker*innen wie Hillary Clinton traten sich beinahe gegenseitig auf die Füße, um als erste mit Aung San Suu Kyi Tee zu trinken, als sie Regierungsverantwortung übernahm. Das Wall Street Journal bemerkte zu der Zeit: „Das Potenzial Myanmars ist für einige Investor*innen zu groß, um es zu ignorieren. Als einer der letzten grossen Grenzmärkte in Asien ist es reich an Öl, Gas, Holz und Edelsteinen und hat das Potential, ein wichtiger Exporteur von Reis und Meeresfrüchten zu werden.“ („Firms See Myanmar as Next Frontier“, WSJ 30. November 2011).
Außerdem wollten die USA und Europa den Einfluss Chinas begrenzen. Im Jahr 2010 gab es bereits chinesische Investitionen im Wert von 12,3 Milliarden Dollar in dem Land. Das chinesische Regime hofft, durch Myanmar Zugang zum Indischen Ozean zu bekommen, was für die „Belt and Road“-Initiative wichtig ist. Heute versucht die Militärführung – dieselbe, die in den 1960er Jahren ein diktatorisches Regime nach dem Vorbild von Maos China errichtete – verzweifelt, die chinesische Unterstützung für den Putsch aufrecht zu erhalten. Das chinesische Regime weigert sich, den Putsch zu verurteilen und spricht von einer „Umbildung des Kabinetts“. Der chinesische Botschafter in Myanmar, Chen Hai, musste jedoch zugeben, dass die gegenwärtige Situation „absolut nicht das ist, was China sehen möchte.“
Es besteht kein Zweifel, dass Chen Hai damit meint, dass das chinesische Regime es vorziehen würde, keine Massenproteste in der Region zu sehen. Der Außenminister Singapurs, eines wichtigen Handelspartners Myanmars, sagte, er hoffe, dass der asiatische Block ASEAN eine „diskret konstruktive Rolle“ spielen könne, um Myanmars „Rückkehr zur Normalität und Stabilität“ zu erleichtern. Der indische Premierminister Modi, der in der Vergangenheit gute Beziehungen zum Armeechef Min Aung Hlaing unterhielt, hält sich über die Ereignisse in Indiens östlichem Nachbarland so weit wie möglich zurück.
Die imperialistischen und regionalen Mächte mögen unterschiedliche Haltungen gegenüber den Militärputschist*innen haben, aber sie eint das Interesse an einem möglichst schnellen Ende der Massenbewegung.
Was ist nun zu tun?
Die aktuelle Bewegung zeigt die Macht der Arbeiter*innenklasse, selbst in einem Land, in dem die Mehrheit der Bevölkerung in der Landwirtschaft tätig ist. Die Arbeiter*innenklasse in Aktion spielt die führende Rolle und zieht die Landbevölkerung zur Unterstützung hinter sich. Sie demonstrieren vor allem für demokratische Forderungen und gegen die Militärdiktatur, aber es ist klar, dass jede demokratische Forderung bald einen sozialen Charakter annimmt. Die Macht der Militärführung zu brechen, bedeutet zwangsläufig auch, ihre wirtschaftliche Position zu brechen und das gesamte System in Frage zu stellen.
Die Öffnung der Wirtschaft für privates Unternehmertum und ausländische Firmen ab 1988 bedeutete für die Mehrheit der Bevölkerung keinen sozialen Fortschritt. Das gesamte System muss in Frage gestellt werden. Nur eine sozialistische Umgestaltung der Gesellschaft kann den Forderungen der Bewegung wirkliche Substanz verleihen. Zu diesem Zweck müssen die Schlüsselsektoren der Wirtschaft, einschließlich der natürlichen Ressourcen, verstaatlicht werden. Nicht Verstaatlichungen wie die nach 1963, die von einer kleinen Clique an der Spitze kontrolliert wurden, sondern Verstaatlichungen unter der demokratischen Kontrolle des Volkes.
Um der Bewegung eine Richtung zu geben, muss es eine Diskussion darüber geben, welche Forderungen gestellt werden sollen und eine Alternative zum derzeitigen System, in dem die Armee eine zentrale Rolle spielt. Streik- und Aktionskomitees in den Betrieben, Stadtteilen und Dörfern sind notwendig, um die nächsten Schritte des Protestes demokratisch zu diskutieren und mit größtmöglicher Beteiligung zu organisieren. Solche Komitees sind auch notwendig, um die Selbstverteidigung gegen Repression zu organisieren. Diese Komitees sollten auf lokaler und nationaler Ebene koordinieren, aber auch die Verwaltung wichtiger Aspekte des täglichen Lebens der Arbeiter*innen und Armen übernehmen, wie die Verteilung von Lebensmitteln, medizinischer Versorgung und anderen dringenden Bedürfnissen. Ein klares Programm und eine klare Führung der Bewegung würden die einfachen Polizist*innen und Soldat*innen auf die Seite des Volkes ziehen. So eine demokratisch Organisation der Bewegung könnte den Grundstein für eine andere Art von Gesellschaft legen. Eine Konstituierende Versammlung, die von der Arbeiter*innenklasse, der Landbevölkerung und den Unterdrückten durch solche demokratischen Strukturen gewählt würde, könnte einen Plan zur grundlegenden Veränderung der Gesellschaft beschließen.
Die dringendsten Schritte in dieser Phase der Bewegung sind ihre Strukturierung und die Diskussion von Forderungen und Alternativen. Beide Elemente gehen Hand in Hand: Einerseits wird die Strukturierung der Bewegung unweigerlich zu Diskussionen über ihren Inhalt führen, und andererseits ist es zur Veränderung der Gesellschaft notwendig, Hebel zu entwickeln, um diese Veränderung zu erreichen. Revolutionär*innen, wie die Mitglieder der ISA, würden natürlich eine aktive Rolle in einem solchen Prozess spielen, indem sie für sozialistische Veränderungen eintreten. In einer Massenbewegung kann ein sozialistisches Programm schnell ein breites Publikum finden, aber es braucht eine Organisation von Revolutionär*innen, um es zu entwickeln, auszuarbeiten und in die Bewegung hineinzutragen, damit es zu einem tatsächlichen Faktor wird.
Die Bewegung ist stärker, wenn sie auf jeden Versuch, zu spalten und zu herrschen, mit einem vereinten Kampf antwortet. Das bedeutet, dass die Beachtung von nationalen Forderungen und Sensibilitäten wesentlich ist, besonders in einem Land mit über 135 ethnischen Gruppen. Das Militärregime hat eine lange Tradition der Gewalt gegen Minderheiten, von der Vertreibung hunderttausender Tamilen in den 1960er Jahren unter Ne Win bis hin zur Verfolgung der Rohinya-Muslime im Nordwesten des Landes, die seit 2015 bis zum Extrem betrieben wird.
Die NLD von Aung San Suu Kyi hat sich bei der Unterdrückung von Minderheiten mitschuldig gemacht. Die Protestbewegung muss sich dem entgegenstellen. Die Einheit der Arbeiter*innen und Unterdrückten der Bamar-Mehrheitsbevölkerung mit Shan, Karan, Rakhine, Chines*innen … macht die Bewegung stärker. Diese Einheit erfordert Respekt und damit die Anerkennung des Rechts auf Selbstbestimmung. Wir sind zwar nicht dafür, einfach nationale oder regionale Fahnen zu schwenken, aber es war an sich positiv, dass während des Generalstreiks am 22. Februar explizit Fahnen verschiedener nationaler Minderheiten von den Aktivist*innen getragen wurden. Ein Programm, das das Recht auf Selbstbestimmung anerkennt, kann dieses instinktive Gefühl so formen, dass es zu einem starken Argument wird, um die Bewegung unter allen ethnischen Gruppen weiter zu stärken.
Dies sind einige der zentralen Elemente unseres sozialistischen Ansatzes, der darauf abzielt, den Kapitalismus zu stürzen und ihn durch eine sozialistische Gesellschaft mit einer demokratisch geplanten Wirtschaft zu ersetzen, in der der enorme Reichtum des Landes und das enorme Potenzial seiner kreativen und jungen Arbeiter*innenklasse zum Nutzen der gesamten Bevölkerung voll ausgeschöpft werden können. Ein solcher Schritt würde sofort ein enormes Gehör in der Region und dem Rest der Welt finden.
Wie es dazu kam – Geschichte Myanmars
Um die aktuelle Situation zu verstehen, ist es hilfreich, sich einige Aspekte des historischen Kontextes in Erinnerung zu rufen.
Von der britischen Kolonie zur Unabhängigkeit
Das Gebiet des heutigen Myanmar wurde von den Briten kolonisiert und war Teil Indiens. Die Briten waren Meister der Teile-und-Herrsche-Methode, die die Mehrheitsbevölkerung im damaligen Burma benachteiligte. Der antikoloniale Widerstand, der besonders unter den Studierenden stark war, zwang die Briten 1937 dazu, Burma nicht mehr als Teil Indiens, sondern als eigene Kolonie auszuweisen.
Einer der bekanntesten Anführer*innen des Widerstandes gegen die britische Kolonialmacht in Burma war Bogyoke Aung San, der Vater von Aung San Suu Kyi. Auch der Diktator der 1960er Jahre, Ne Win, war ein prominenter Kämpfer. Die Führung des antikolonialen Kampfes beschränkte sich auf eine nationalistische Vision und hatte keine grundlegende Antwort für die sozialen Bedingungen der Mehrheit der Bevölkerung. Soziale Fragen wurden nur in Worten, nicht in Taten, angegangen.
Aung San war in den 1930er Jahren Mitbegründer der Kommunistischen Partei im Lande, zögerte jedoch zusammen mit anderen nicht, im Zweiten Weltkrieg Japan gegen die Briten zu unterstützen. Die Tatsache, dass Japan, das Burma während des Krieges besetzte, auf der Seite der Nazis stand und dazu überging, die lokale Bevölkerung brutal zu unterjochen, wurde mit dem Argument „gerechtfertigt“, dass wenigstens die Briten weg seien. Der Feind meines Feindes ist mein Freund, war das Argument für den Schulterschluss mit dem asiatischen Verbündeten des Faschismus. Unter der japanischen Besatzung wurde die „Death Railway“ („Todeseisenbahn“) von Burma nach Thailand gebaut, ein Unterfangen, das Zehntausende tötete und später durch den Roman „Die Brücke am Kwai“ berühmt wurde.
Die Tatsache, dass die Japaner das Marionettenregime in Burma absetzten – weil es zu stur war und auf der Beibehaltung einer gewissen Unabhängigkeit bestand – sowie der Vormarsch der Alliierten im Weltkrieg, veranlasste Aung San und seine Nationalist*innen, das Lager zu wechseln. Sie gründeten die „Antifaschistische Organisation“, die später in die „Antifaschistische Volksbefreiungsliga“ umgewandelt wurde. Sie wandten sich gegen die Japaner und begannen Verhandlungen mit den Briten. Die Briten kehrten 1945 nach Burma zurück, konnten aber nicht mehr die gleiche wirtschaftliche und militärische Rolle spielen. Die USA und die Sowjetunion gingen als dominierende Weltmächte aus dem Krieg hervor. Zudem verschwand der antikoloniale Widerstand nicht.
In Burma kam es 1946 zu einem Generalstreik als Teil der Welle von allgemeinen Aufständen in den Kolonien. Das Britische Empire musste der Unabhängigkeit zustimmen. Im Januar 1947 unterzeichnete Aung San ein Abkommen mit den Briten, um das Land innerhalb eines Jahres unabhängig zu machen. Aung San wurde noch vor der formellen Unabhängigkeitserklärung am 4. Januar 1948 ermordet. Für viele Burmesen bleibt Aung San ein Held des Unabhängigkeitskampfes. Dass er in dem Chaos nach der Unabhängigkeit keine Rolle spielen konnte, verstärkte dieses Bild.
Aung San und die Nationalist*innen waren in einer Reihe von grundlegenden Punkten besonders uneindeutig. Das Abkommen von 1947 sah vor, dass Burma eine Union mit Rechten für ethnische Minderheiten bilden würde, die das Recht haben sollten, die Union nach zehn Jahren zu verlassen. Das Volk der Karen, das die sofortige Unabhängigkeit forderte, wurde jedoch nicht in das Abkommen einbezogen! Aung Sans Nachfolger, U Nu, versuchte, einen zentralisierten Einheitsstaat ohne Rechte für die Minderheiten durchzusetzen. Dies führte zu ethnischer Guerillakriegsführung, die auch heute noch eine Rolle im Lande spielt.
Ein weiteres grundlegendes Problem war das Fehlen einer Alternative zum Kapitalismus. Die Nationalist*innen behaupteten, für eine „sozialdemokratische Politik“ zu stehen, bei der Teile der Industrie verstaatlicht wurden. In der Praxis bedeutete dies jedoch ein gemeinsames Eigentum der Regierung und großer ausländischer Unternehmen an der Industrie. Der Reis-Export erreichte nie wieder das Vorkriegsniveau. Die Wirtschaft sank tiefer und tiefer, während die Armee mehr und mehr Ressourcen bekam. Ende der 1950er Jahre flossen 30% der Staatsausgaben in das Militär.
Dies ist der Hintergrund, vor dem der Militärputsch von General Ne Win im Jahr 1962 stattfand. Der Versuch, ein stabiles, kapitalistisches, unabhängiges Burma zu etablieren, hatte im Zeitalter des Imperialismus keine Chance.
Militärdiktatur nach chinesischem und russischem Vorbild
Ein Teil der Militärführung um General Ne Win suchte einen Ausweg aus dieser Sackgasse und Instabilität. Sie stützten sich auf das ruinierte Bürgertum in den Städten und auf die Landbevölkerung. Sie orientierten sich an Maos Modell in China, das seinerseits 1949 auf einer Karikatur des russischen Stalinismus basierte, und nicht auf dem Modell der Bolschewiki von 1917. Dies war keine bewusste Entscheidung, eine „sozialistische“ Gesellschaft zu errichten, sondern eher ein Versuch, einen Ausgleich zwischen den Klassen zu schaffen, um eine größere Stabilität zu erreichen. Elemente einer bürokratischen Planwirtschaft wurden mit einem Regime der „Ordnung und Disziplin“ gekoppelt, in dem demokratische Rechte beiseite geschoben wurden, einschließlich der Rechte nationaler Minderheiten. Ein Einparteienstaat wurde unter der Führung der Burmesischen Sozialistischen Programmpartei (BSPP) errichtet.
Unter dem Regime von Ne Win wurden alle ausländischen Firmen, Banken und Großbetriebe verstaatlicht. Der Kapitalismus wurde beseitigt. Die Machthaber sprachen vom „burmesischen Weg zum Sozialismus“, aber es war eine Karikatur des Sozialismus. Es war eine Nachahmung des Stalinismus in der Sowjetunion und China, ergänzt durch buddhistische Rhetorik und Nationalismus. Eine kleine Elite hielt alle Fäden in der Hand, die Opposition wurde unterdrückt.
Das Regime von Ne Win baute eine beeindruckende Armee auf. Anfänglich genoss das Regime breite Unterstützung auf dem Land. Der Erlass aller Schulden der Bauern und Bäuerinnen bei den Banken, staatliche Kredite für Bauern und Bäuerinnen, der Import von Traktoren aus der Tschechoslowakei und andere Maßnahmen sicherten diese Unterstützung. Auch die Bildung wurde gestärkt; 1986 konnten 86% der Männer und 74% der Frauen lesen und schreiben.
Doch gleichzeitig blieben die Widersprüche zwischen ländlicher und industrieller Entwicklung bestehen und es gab keine Antwort auf die nationale Frage. Die einzige Antwort des Regimes auf die bestehenden Widersprüche war Repression in Kombination mit extremem Nationalismus und Fremdenfeindlichkeit. Die wirtschaftliche Isolation und die sehr primitive Planung der Wirtschaft mit bürokratischer Kontrolle hemmten jede weitere Entwicklung.
Als in den 1980er Jahren die Rohstoffpreise zu fallen begannen, wurde die Situation völlig unhaltbar. Ne Win nahm eine Abwertung der Währung vor, es kam zu einer Inflation zwischen 200–500%. Das war der Hintergrund, vor dem der Aufstand von 1988 stattfand.
Studierendenaufstand und Generalstreik von 1988
Im März 1988 wurde ein Student von der Armee getötet. Sofort brachen Proteste an der Universität von Yangon aus. Die Polizei reagierte mit tödlicher Repression, 41 Studierende starben an Erstickung in Polizeiautos, als sie ins Gefängnis gebracht wurden. Die darauf folgende Protestbewegung sollte das Überleben des Regimes bedrohen.
Den ganzen Frühling und Sommer hindurch gab es große Proteste für Demokratie, Wirtschaftsreformen und die Strafverfolgung der Mörder des Militärs. Unterstützt wurden die Studierenden von Gewerkschafter*innen, die in den Betrieben Arbeiter*innenkomitees bildeten. Auch Mönche und Beamt*innen wurden aktiv.
Ne Win versuchte, den Protest zu stoppen, indem er als Parteichef zurücktrat und versprach, ein Referendum über das Einparteiensystem abzuhalten. Hinter den Kulissen zog er weiterhin die Fäden. Der Protest ging weiter und baute sich auf.
Am 8. August 1988 brachte ein Generalstreik das Land zum Stillstand und Millionen Demonstrant*innen gingen auf die Straße. Hunderte von Menschen wurden verletzt und getötet. Doch der Aufstand ging mit Demonstrationen, Streiks und Unruhen weiter. Das Regime geriet zunehmend unter Druck; die Unterdrückung des Aufstands war nur durch den Einsatz von Soldaten*innen aus anderen Volksgruppen gegen die Demonstrant*innen möglich. Der Sold der Soldat*innen wurde um 45% erhöht, um ihre Unterstützung aufrecht zu erhalten. Unter dem Druck der Proteste versprach das Regime wirtschaftliche Reformen.
Diese Ankündigungen wurden mit Freude aufgenommen, aber die Demonstrationen gingen weiter. Ende August gab es einen weiteren Generalstreik von unbestimmter Dauer. In mehreren Dörfern und Städten übernahmen „Volkskomitees“ die Kontrolle. Die Generäle waren machtlos, die Straße übernahm die Kontrolle. Das Problem war ein Mangel an Koordination und alternativer Führung. Dem Aufstand fehlten eigene organisierte Wege und eine politische Führung, die ihn mit einem demokratischen sozialistischen Programm ausstattete.
Eine Reihe von prominenten Persönlichkeiten reagierte auf die Bewegung. Die meiste Unterstützung erhielt Aung San Suu Kyi, eine zufällige Führerin der Bewegung. Sie war gerade aus Großbritannien nach Burma zurückgekehrt, um ihre kranke Mutter zu pflegen. Wegen der Autorität ihres Vaters und dem Fehlen jeglicher Verbindung zum Militärregime oder dessen demokratischem Vorläufer, der keinen Wandel herbeigeführt hatte, war Aung San Suu Kyi ein ideales Symbol.
Die Ankündigung von Wahlen führte zur Gründung einer neuen Partei: der National League for Democracy, geführt von Aung San Suu Kyi. Die NLD genoss massive Unterstützung in allen Teilen des Landes. Welche Alternative die Partei bieten wollte, war jedoch alles andere als klar. Von Anfang an betonte Aung San Suu Kyi die Ideen von „Einheit“ und „Dialog“ mit dem Militärregime. Die Zugeständnisse der Diktatur zielten nicht auf einen Dialog ab, sondern darauf, Zeit zu gewinnen, um die Kontrolle über das Land wiederzuerlangen. Die einzige „Ideologie“ des Regimes war immer der Erhalt der eigenen Macht.
Veränderungen nach 1988
Da die Revolution unvollendet blieb, konnte das Militär die Dinge wieder in die Hand nehmen. Wichtige Führungspersönlichkeiten der Opposition wurden verhaftet. Ein neuer starker Mann, Saw Maung, der Ne Win nahe stand, tauchte auf. Die neue Militärführung nahm den Namen SLORC (State Law and Order Restoration Council = Staatlicher Rat für Recht und Ordnung) an, der später in State Peace and Development Council (SPDC, Staatlicher Rat für Frieden und Entwicklung) umbenannt wurde. Der SLORC entfernte alle Hinweise auf den Sozialismus und benannte das Land in Myanmar um. Die Wahlen von 1990 ergaben einen Sieg für die NLD (die Partei erhielt 60% der Stimmen), aber zu diesem Zeitpunkt hatte die Militärführung nach dem Ende der aktiven Protestbewegung ihre Position wiedererlangt und erkannte das Wahlergebnis nicht an.
Die Militärdiktatur wurde wiederhergestellt. Auf wirtschaftlicher Ebene gab es jedoch große Veränderungen: Das Land wurde für ausländische Kapitalist*innen geöffnet, die Interesse an den enormen natürlichen Ressourcen des Landes zeigten. Thailändische Firmen konnten in den riesigen Teakwäldern florieren. Später folgten Firmen aus Japan, Singapur, China usw. Die Ölgesellschaft wurde an mehrere Firmen verkauft, darunter der französische Konzern Total, Chevron aus den USA und die thailändische PTT. Die Armeechefs selbst sorgten dafür, dass ihre wirtschaftliche Position bei den Privatisierungen erhalten blieb.
Die „neue ökonomische Politik“ führte nicht zu den gewünschten Ergebnissen. Die fehlende Infrastruktur, die Korruption und die Unmöglichkeit, auf dem bereits von imperialistischen Mächten dominierten kapitalistischen Weltmarkt Fuß zu fassen, spielten alle eine Rolle. Das führte zu Spannungen an der Spitze, die durch neue Proteste von unten ergänzt wurden. Im Jahr 2007 gab es Aktionen gegen die steigenden Energiepreise. Daraus entwickelten sich landesweite Demonstrationen, die von buddhistischen Mönchen angeführt wurden. Auch hier kam es zu Repressionen, bei denen mindestens 31 Menschen getötet wurden.
Wahlen in den Jahren 2010–12 und Öffnung der internationalen Beziehungen
Wie schon 1988 wurde auf die Bewegung von 2007 mit dem Versprechen von Wahlen geantwortet. Und wieder fanden diese Wahlen erst einige Jahre später statt. Nach 1988 wurden erst 1990 Wahlen abgehalten; auf die Bewegung von 2007 folgten die Wahlen von 2010. Diese wurden vollständig von der Armee kontrolliert und daher von der NLD boykottiert. Bei Nachwahlen für 45 Sitze (von 664) im Jahr 2012 nahm die NLD zum ersten Mal seit 1990 wieder teil und gewann 41 Mandate. Die Union Solidarity and Development Party (USDP) von Thein Sein war die Partei der Armee.
Nach Jahren des Hausarrests zog Aung San Suu Kyi ins Parlament ein und vereinbarte mit dem Militär die Bildung einer gemeinsamen Regierung. Mit der NLD als kleinem Partner war dies für die Armee noch akzeptabel. Aung San Suu Kyi öffnete internationale Türen, die zuvor verschlossen geblieben waren, und darüber hinaus war die Beteiligung der NLD an der Macht eine starke Waffe, um den internen Protest im Lande zu stoppen. Die größte Schwäche der NLD war wieder einmal das Fehlen einer Alternative: die Partei verfolgte eine neoliberale Politik, die auf die Profite des Großkapitals ausgerichtet war, einschließlich der Firmen, die vom Militär und dessen Marionetten geführt werden. Außerdem unterstützte sie die Repression gegen Minderheiten, die NLD brachte zunehmend einen nationalistischen Diskurs ein.
Bei den Wahlen 2015 gewann die NLD eine Mehrheit im Parlament, obwohl ein Viertel der Sitze automatisch vom Militär eingenommen wurde. Die NLD bildete eine Regierung ohne Thein Seins USPD, arbeitete aber weiterhin mit dem Militär zusammen. Die Wahlen 2020 bestätigten die Position der NLD, die bei der Anzahl der Sitze leicht zulegen konnte. Dieser Sieg zeigte die große öffentliche Opposition gegen das Militär.
Den Artikel im Original auf Englisch lesen.
Bild: Ninjastrikers, CC BY-SA 4.0 https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0, via Wikimedia Commons