Nachdem die Entlassung eines Berliner Mitarbeiters zu wilden Streiks führte, schaffte das finanziell extrem erfolgreiche Startup Gorillas, welches auf den Markt der Lebensmittel-Lieferdienste eindringt, den Sprung auf das Radar vieler, die vorher noch nichts von ihm gehört hatten.
Von Budi, Bremen
Aus dem Werbeslogan „Delivery in less than 10 minutes“ wurde „We organize in less than 10 minutes“ nachdem der „Rider“ (so werden die Lieferfahrer*innen genannt) Santiago Anfang Juni plötzlich entlassen wurde. Schnell ging es um mehr als die Solidarität mit einem einzelnen Kollegen. Es wurden gesundheitsgefährdende Arbeitsbedingungen, verspätete Gehaltszahlungen, ignorierte Überstunden und unlautere Betriebspraktiken kritisiert, mit denen die – oft migrantischen – Arbeiter*innen ausgenutzt werden, welche sich oft ihrer Rechte oft nicht bewusst sind. Bewegt hat sich seitdem wenig.
Zuvor hatte das Unternehmen bereits eine Betriebsratswahl angefochten, weil angeblich nicht allen Wahlberechtigten Zugang gewährt wurde. Bereits im Februar gab es inoffizielle Streiks, weil Berliner Fahrer*innen gezwungen wurden, im schlimmsten Schneesturm seit Jahrzehnten auszuliefern.
Zwar sind Arbeiter*innen bei Gorillas, im Gegensatz zu Kolleg*innen anderer Lieferdienste, keine Freelancer*innen sondern Angestellte. Bei befristeten Verträgen von einem Jahr, mit einer sechsmonatigen Probezeit, in welcher Angestellten willkürlich fristlos gekündigt werden kann, erinnert diese Unterscheidung aber eher an Vergleiche zwischen Knechtschaft und frühindustriellen Verhältnissen.
Die Unternehmensseite reagiert damit, Thermometer aus Lagerhäusern zu entfernen, damit Angestellte sich nicht darüber beklagen können, im Sommer bei Temperaturen von 30-35°C zu arbeiten. Die Anzahl von (wilkürlichen) Verwarnungen bis zur Kündigung wurde von drei auf zwei reduziert.
Auf Social-Media-Plattformen vernetzen sich Arbeiter*innen, etwa satirisch auf Memeseiten, aber auch kämpferisch im Gorillas Workers Collective (@GorillasWorkers), um auch deutschlandweit und unternehmensübergreifend ein kämpferisches Bewusstsein zu schaffen und ihre prekären Arbeitsbedingungen anzukreiden. Dort solidarisieren sie sich z.B. mit Fahrer*innen von Domino’s-Pizza, welche ihre eigenen Kämpfe führen, und vermitteln Arbeiter*innen an Gewerkschaften wie die anarchosyndikalistische FAU (Freie Arbeiter*innen Union).