Die Grünen sind bekannt dafür, in Koalitionen große Teile ihrer Wahlprogramme für Minister*innenposten zu opfern. Trotzdem haben wir uns mit ihrem Programm zur Bundestagswahl beschäftigt, in dem sie wenig überraschend den Schwerpunkt auf Klimaschutz setzen. Für dieses Thema werden sie gewählt und ihnen wird hohe Lösungskompetenz zugeschrieben. Aber wie sehen die Lösungsansätze aus?
Von Thies Wilkening, Hamburg
Die Grünen wollen den Klimawandel auf der Grundlage einer „sozial-ökologischen Marktwirtschaft“ bekämpfen. Neben höheren CO2-Preisen schlagen sie vor allem Subventionsprogramme vor. Zum Beispiel sollen bis 2030 15 Millionen Elektro-Autos gebaut und verkauft werden. Beim Erreichen dieses Ziels soll ein „Bonus-Malus-System“ helfen, also die Einführung zusätzlicher Abgaben beim Kauf von Autos mit Verbrennungsmotor, und Subventionen, um Elektroautos billiger zu machen.
Insgesamt wollen die Grünen zwar den Autoverkehr deutlich reduzieren, dadurch dass die Fahrgastzahlen des ÖPNV sowie die Zahl der per Fahrrad oder zu Fuß zurückgelegten Wege verdoppelt werden , trotzdem ist die massive Förderung von E-Autos ein Kernstück des grünen Programms, wie auch schon beim Klimaschutzplan der CDU-SPD-Koalition von 2019. Aber Elektroautos senken – unter anderem durch einen höheren CO2-Ausstoß im Herstellungsprozess – die CO2-Produktion gegenüber Autos mit Verbrennungsmotor um maximal 30% und schaffen zusätzlich neue Probleme, zum Beispiel durch den Bedarf an knappen Ressourcen für die Akkus, wie der Verkehrsexperte Winfried Wolf feststellt.
Profite für Private
Die Grünen wollen nicht nur den Kauf von E-Autos subventionieren, sondern auch ihre Vermietung in Form von Carsharing. Entsprechende Stationen an unrentablen Standorten, vorwiegend in ländlichen Gebieten, sollen subventioniert werden, um den Betrieb für Unternehmen attraktiv zu machen. In Dörfern, in denen der Ausbau von Busverbindungen wegen geringem und stark schwankendem Bedarf schwierig sein kann, könnte Carsharing zwar ein sinnvoller Bestandteil der Verkehrswende sein ; die Stationen sollten aber von kommunalen oder anderen öffentlichen Trägern betrieben werden statt von Unternehmen, denen der Staat durch Subventionen neben den eigentlichen Betriebskosten auch noch einen Profit finanzieren würde.
Auch in anderen Bereichen soll der Staat Privatunternehmen Profite sichern: Um CO2-neutrale Technologien zu entwickeln und zu produzieren, sollen kleine und mittelständische Unternehmen, die Forschung betreiben, weniger Steuern zahlen müssen. Unternehmer*innen, die neue Startups gründen und sich zu den UN-Nachhaltigkeitszielen bekennen, erhielten mit den Grünen bis zu 25.000 Euro Gründungskapital vom Staat und rechtliche Vergünstigungen .
Die Grünen, die Anfang der 2000er Jahre mit der SPD zusammen Hartz IV geschaffen haben, wollen es jetzt zumindest dem Namen nach wieder abschaffen und durch eine sanktionsfreie „Garantiesicherung“ ersetzen. Der Regelsatz soll erst einmal nur um 50 Euro erhöht werden, die Vermögensprüfung vereinfacht und das Schonvermögen angehoben werden. Der Mindestlohn soll auf 12 Euro erhöht werden.
Nachhaltig in den neuen kalten Krieg
Außenpolitisch fällt im Programm neben ständigen Bekenntnissen zur EU, die bei diversen Forderungen als Bezugsrahmen genannt wird und deren Kommission über neu zu erlassende europaweite Regelungen und eigene Steuereinnahmen mehr Macht erhalten soll, vor allem die Ausrichtung auf die Führung des neuen kalten Kriegs gegen China und Russland an der Seite der USA auf.
Die Grünen sehen den Westen in einem „globalen Systemwettbewerb mit autoritären Staaten und Diktaturen“ und stilisieren so die Konkurrenz des eigenen Imperialismus gegen jenen Chinas und Russlands zum Freiheitskampf. In diesem soll die Bundeswehr auch eine „internationale Schutzverantwortung wahrnehmen“, wie schon unter der letzten Bundesregierung mit grüner Beteiligung im Kosovo und in Afghanistan. Zusätzlich zur NATO will man die militärischen Strukturen der EU ausbauen.
Angesichts der Umfragewerte steht den Grünen eine Legislaturperiode als Juniorpartner der Union in einer Regierung unter Armin Laschet bevor, falls sich die CDU/CSU nicht für eine andere Koalition entscheidet – an fehlendem Anpassungswillen der Grünen wird Schwarz-Grün sicher nicht scheitern. Ob und – wenn ja – welche Inhalte aus dem Wahlprogramm es dann in einen Koalitionsvertrag schaffen und hinterher tatsächlich umgesetzt werden, ist unklar ; es werden aber viel eher die aggressivere Außenpolitik oder Geschenke an Startups und andere Unternehmen sein als der höhere Mindestlohn oder die begrenzten Verbesserungen bei Hartz IV.