Erklärung des Internationalen Frauenbüros der ISA und von ROSA International
2021 war ein weiteres Jahr des Kampfes gegen Sexismus, LGBTQ-Phobie und Rassismus, einschließlich Massenprotesten und Streiks, die inspirierende Beispiele für die Solidarität zwischen Arbeiter*innen aller Geschlechter lieferten. Im Mercedes-Werk im Baskenland streikten 3500 Arbeiter*innen nach dem Mord an der Kollegin Erika Tavares und forderten ein Ende der geschlechtsspezifischen Gewalt. Als Reaktion auf die vom Supreme Court der USA bestätigten Anti-Abtreibungsgesetze und das schockierende Abtreibungsverbot in Texas demonstrierten am 2. Oktober Zehntausende von Frauen mit der Forderung #BansOffOurBodies, um das Recht auf Abtreibung landesweit zu schützen. Mehr als 100.000 Arbeiter*innen in den USA verhandeln über Arbeitsverträge und ergreifen Maßnahmen von der Filmindustrie bis hin zu Fabriken in dem, was als „Striketober“ bezeichnet wurde. In Argentinien und Mexiko wurden Abtreibungsrechte erkämpft. Mehr als 5000 indigene Frauen marschierten durch Brasilien gegen den Versuch des Präsidenten Bolsonaro, indigenes Land an Bergbauunternehmen zu verteilen. Dies ist der Kontext, in dem wir den 25. November begehen – mit dem Ziel, ihn zu einem Tag des Kampfes zu machen, statt leerer Worte des Establishments.
„Schon in den ersten Monaten der Pandemie rief UN-Generalsekretär António Guterres zu einem weltweiten Gewaltstopp auf, um die Schattenpandemie der Gewalt gegen Frauen und Mädchen zu beenden, und appellierte an den häuslichen Frieden und ein Ende aller Gewalt überall.“ – aus der UN-Erklärung zum Internationalen Tag für die Beseitigung von Gewalt gegen Frauen.
Wenn man sich das Ausmaß der Gewalt gegen Frauen weltweit vor Augen führt, ist ein Ende der Gewalt definitiv vonnöten. Die UNO schätzt, dass jede vierte Frau während der Schwangerschaft körperliche oder sexuelle Gewalt erfährt, dass 603 Millionen Frauen in Ländern leben, in denen häusliche Gewalt nicht als Verbrechen gilt, und dass 80 % der Opfer von Menschenhandel Frauen und Mädchen sind, 79 % davon zum Zweck der sexuellen Ausbeutung. Schwarze Frauen und Frauen mit Migrationshintergrund sind sogar noch stärker von Gewalt betroffen. Das US-amerikanische Institute for Women’s Policy Research stellte 2017 fest, dass mehr als vier von zehn schwarzen Frauen im Laufe ihres Lebens körperliche Gewalt durch einen Intimpartner erfahren, und zitierte Studien, die zeigen, dass schwarze Frauen zweieinhalb Mal häufiger von Männern ermordet werden als ihre weißen Geschlechtsgenossinnen.
Um der Gewalt ein Ende zu setzen, braucht es jedoch mehr als Wunschdenken und einen Aufruf zum Frieden – vor allem, wenn er von einer internationalen kapitalistischen Institution kommt, die ein System verteidigt, das für frauenfeindliche Gewalt überhaupt erst verantwortlich ist.
Jenseits der leeren Worte von Institutionen wie der UNO oder einer „fortschrittlichen“ Regierung sind Frauen selbst aktiv geworden und haben verstanden, dass sie es sind, die den Kampf organisieren, um Siege und Zugeständnisse zu erreichen. Auf diese Weise wurden dieses Jahr in Argentinien und Mexiko Abtreibungsrechte durchgesetzt, ein elementarer Kampf gegen geschlechtsspezifische Gewalt durch den Staat.
Der Kapitalismus wird in der ganzen Welt zunehmend in Frage gestellt. Vom Wiederaufleben der Jugendstreiks für das Klima über die Streiks der Arbeiter*innen, die sich weigern, für die neue Wirtschaftskrise zu zahlen, bis hin zu den revolutionären Aufständen der letzten Monate in Kolumbien und Myanmar und dem Kampf der indigenen Völker gegen die Zerstörung des Amazonas-Regenwaldes. Bei all dem stehen die Frauen an vorderster Front, nicht zuletzt, weil der Kapitalismus sich mehr und mehr als unfähig erweist, uns ein sicheres Leben zu bieten.
Afghanistan – Imperialistisches Versagen führt zu großem Rückschlag für Frauen und LGBTQ+ Menschen
Das katastrophale Ende der imperialistischen Intervention in Afghanistan hat zur Rückkehr der Taliban und eines Regimes geführt, das auf systematischer geschlechtsspezifischer Gewalt basiert. Viele Menschen sind bereits aus dem Land geflohen und haben in ihrer Verzweiflung in anderen Ländern Asyl gesucht. Während bei Solidaritätsprotesten in mehreren Ländern die Unterstützung breiterer Schichten für Frauen und LGBTQ+-Menschen, die vor diesem reaktionären Regime fliehen, deutlich wurde, werden die meisten dieser Geflüchteten bestenfalls in Lagern Zuflucht finden, die alles andere als sicher für sie sind. Die meisten Länder halten ihre Grenzen geschlossen. Die Regierungen dieser Länder kümmern sich nicht um ihre Notlage, so wie sie sich auch nicht um sie kümmerten, als sie die korrupte Regierung Ghani stützten. Der Krieg in Afghanistan selbst hat Zehntausende von Toten verursacht – 43 % davon sind Frauen und Kinder -, und die Gewalt gegen Frauen war auch mit der Vertreibung der Taliban im Jahr 2001 nicht verschwunden.
Die Versprechen der Taliban, den Frauen einige Freiheiten zu gewähren, sind unglaubwürdig. Die Tatsache, dass die Taliban diese verbalen Zusagen machen müssen, zeigt zwar die Wirkung der weltweiten Frauenbewegung in den letzten Jahren, ihr Sieg muss aber als Rückschlag anerkannt werden. Die Scharia ist in Kraft getreten, was bedeutet, dass Frauen das Haus nicht ohne einen Mann verlassen dürfen, und es wurden Kleidervorschriften durchgesetzt. Für die Taliban sind Frauen das Eigentum der Männer. Dies ist ein extremes Beispiel für die Stellung der Frau in der Klassengesellschaft – seit Tausenden von Jahren wird sie in den Augen des Establishments, des Gesetzes und der Religion als Eigentum betrachtet. Auch LGBTQ-Personen sind mit einer noch nie dagewesenen physischen Bedrohung ihrer Existenz konfrontiert und werden in ein Leben in ständiger Angst und im Verborgenen gedrängt.
Wie dunkel die Dinge auch erscheinen mögen, es gibt immer ein Licht des Widerstands. Es hat bereits Demonstrationen gegeben, die sich gegen die Versuche gewehrt haben, Frauen zurück ins Haus und aus der Bildung zu drängen. Der Kampf gegen Gewalt gegen Frauen muss international sein und Solidarität mit denjenigen aufbauen, die sich in Afghanistan und in allen anderen Ländern gegen archaische Regime und Gesetze wehren, die Frauen als Bürgerinnen zweiter Klasse behandeln.
Abtreibungsrechte als Kampfgebiet
Auch das Recht auf Schwangerschaftsabbruch ist ein Kampfgebiet in der ganzen Welt. Dieses Grundrecht, über den eigenen Körper zu entscheiden, wird immer noch Millionen von Frauen und anderen Menschen, die schwanger werden können, durch repressive Gesetze oder das völlige Fehlen einer grundlegenden, für alle zugänglichen Gesundheitsversorgung verweigert. Während in einigen Ländern ein entschlossener Kampf zur Erlangung dieses Rechts geführt hat, sind in anderen Ländern die Angriffe auf bestehende Abtreibungsrechte in vollem Gange. In den letzten Jahren gab es in Polen Proteste und Streiks gegen die reaktionäre „Law and Order“ Regierung, die die Abtreibungsrechte weiter eingeschränkt hat, und auch in Argentinien und Mexiko gab es Erfolge zu verzeichnen. Nach Jahren der feministischen Massenbewegung hat die Regierung in Argentinien Schwangerschaftsabbrüche legalisiert. In Mexiko erklärte der Oberste Gerichtshof der Nation in diesem Jahr die Kriminalisierung der Abtreibung in Coahuila für verfassungswidrig und schloss sich damit ähnlichen Urteilen in Oaxaca, Hidalgo, Veracruz und Mexiko-Stadt an. Das ist nicht das Ende des Kampfes – der Kampf um das Recht auf Abtreibung und das Gesundheitssystem, das sie ermöglicht, muss weitergehen. Aber es ist ein Hinweis darauf, was die feministische Bewegung durch ihren Kampf erreichen kann. Der Kampf um diese Rechte – und um sie vor neuen Angriffen zu schützen, die es in einem kapitalistischen System immer geben kann – ist viel stärker, wenn sich die Frauenbewegung mit anderen Bewegungen gegen Unterdrückung und mit Organisationen der Arbeiter*innenklasse zusammenschließt.
In den USA ist die Abtreibung trotz des Versprechens von Präsident Biden, Roe v. Wade [das Supreme Court-Urteil, mit dem 1973 Abtreibung in den USA legalisiert wurde, A.d.Ü.] zum „Gesetz des Landes“ zu machen, in Texas de facto verboten und in anderen Bundesstaaten bedroht. Das neue Gesetz in Texas, Senate Bill 8, verbietet alle Abtreibungen, nachdem ein fetaler Herzschlag festgestellt werden kann, ohne Ausnahmen bei Vergewaltigung, wobei bis zu 95 % der Abtreibungen nach diesem Zeitpunkt vorgenommen werden. Noch dazu stützt sich die Durchsetzung dieses Verbots vollständig auf Einzelpersonen, die gegen jede Person klagen können, die in irgendeiner Weise „Beihilfe“ zur Abtreibung leistet. Mit solchen Klagen und der Androhung des wirtschaftlichen Ruins sollen sichere Abtreibungen verhindert werden. Wenn das erfolgreich ist, werden sie ein Vorbild für die Offensive der Rechten gegen den Zugang zu Abtreibungen in den USA sein. Dies unterstreicht einen wichtigen Punkt für die Frauen- und Arbeiter*innenbewegung überall – wir können uns für unsere Rechte weder auf die Gerichte noch auf die so genannten fortschrittlichen etablierten Parteien verlassen, die eindeutig nicht bereit sind, in dieser Frage einen echten Kampf zu führen.Roe v Wade wurde 1973 unter dem Druck der Frauenbewegung der 60er in den USA durchgesetzt, einer mächtigen Massenbewegung, die zusammen mit anderen Kämpfen im Rahmen der revolutionären Welle, die die Politik nach links drängte, stattfand. Aber jahrzehntelange Angriffe des rechten Flügels haben den Zugang zu Abtreibungen in weiten Teilen des Landes stark eingeschränkt und die Politiker*innen der Demokraten haben nur symbolischen Widerstand dagegen geleistet. Jetzt greifen rechte Politiker*innen das Recht selbst an und zeigen, dass wir immer wachsam bleiben müssen, da alle im Kapitalismus errungenen Rechte wieder zurückgenommen werden können.
Im Kapitalismus werden die reproduktiven Rechte immer umkämpft sein, da die staatliche Kontrolle über den Körper für die Unterdrückung der Frauen von zentraler Bedeutung ist. Historisch gesehen war das Bedürfnis, die Abstammung der Kinder zu kennen und damit die Sexualität der Frauen zu kontrollieren, einer der Eckpfeiler in der Entwicklung des Sexismus und der Unterwerfung der Frauen. Die Erfahrung zeigt, dass ein Verbot von Abtreibungen die Abtreibungsrate nicht senkt, sondern den Zugang zu einer sicheren Abtreibung vor allem für Arme und die Arbeiter*innenklasse erheblich erschwert, was tödliche Folgen hat. Außerdem trifft es vor allem Arbeiter*innen und arme Frauen, die in den meisten Ländern aufgrund der hohen Kosten für die Kinderbetreuung, der hohen Lebenshaltungskosten bei gleichzeitig niedrigen Löhnen und der Sorge um die Zukunft, einschließlich der Auswirkungen des Klimawandels, keine wirkliche Wahl haben, wann und ob sie Kinder bekommen wollen. Frauen können auch dann unter Druck gesetzt werden, Kinder zu bekommen, wenn sie es einfach nicht wollen, weil ihnen die Vorstellung vermittelt wird, dass ihre Hauptaufgabe in der Fortpflanzung besteht. Die staatlich sanktionierte Kontrolle über den weiblichen Körper kommt Gewalt gleich, wenn man bedenkt, dass jedes Jahr 7 Millionen Frauen wegen unsicherer Abtreibungen ins Krankenhaus eingeliefert werden und dass es noch unzählige mehr gibt, die vom Staat überwacht werden und denen das grundlegendste aller Rechte verweigert wird – die Kontrolle über den eigenen Körper.
Auch die reproduktiven Rechte der Frauen können je nach den Bedürfnissen des Kapitalismus aus- und wieder eingeschaltet werden. In den USA ist das Recht auf Abtreibung ein politischer Spielball, mit dem die Rechten ihren Rückhalt in der reaktionären christlichen Wählerschaft festigen wollen. In China hat das Regime nach jahrzehntelanger Ein-Kind-Politik, die zu illegalen geschlechtsselektiven Abtreibungen führte, weil die Geburt von Söhnen bevorzugt wurde, diese Politik abgeschafft und wirbt nun dafür, dass Frauen mehr Kinder bekommen. Das Regime fürchtet einen weiteren Rückgang der Erwerbsbevölkerung, die seit acht Jahren rückläufig ist. Unterstützt wird dies durch die Erschwerung von Scheidungen, eine repressive Zensurkampagne gegen feministische Gruppen und Propaganda über die Rolle „traditioneller“ Familien und Geschlechterrollen. Dieser Antifeminismus steht im Zusammenhang mit der allgemeinen nationalistischen Hysterie des chinesischen Regimes, mit der es versucht, die Unterstützung für die Diktatur zu sichern. Auch im Kontext des eskalierenden Kampfes um die Weltherrschaft zwischen den beiden dominierenden imperialistischen Supermächten, den USA und China, werden die Rechte der Frauen auf einen politischen Fußball reduziert. Chinesische Staatsmedien haben versucht, die aufkeimende #MeToo-Bewegung zu diskreditieren, indem sie ihr eine von den USA angezettelte Verschwörung vorwarfen, die Geschlechterfrage zu nutzen, um in China Chaos zu stiften. Parallel dazu stellt die Biden-Regierung ihren Feminismus als Waffe in diesem neuen „Kalten Krieg“ zur Schau, obwohl das Establishment der Demokratischen Partei seit langem kaum Widerstand gegen reaktionäre Angriffe auf Frauen vor der eigenen Haustür geleistet hat.
Staatliche Gewalt gegen Frauen
Im letzten Jahr haben wir uns mit den Betroffenen der systematischen sexualisierten Gewalt der Tatmadaw solidarisiert, mit der der Aufstand gegen den Militärputsch in Myanmar niedergeschlagen werden sollte. Jedes reaktionäre Regime setzt systematische geschlechtsspezifische Gewalt als Waffe ein, um die Mehrheit der Bevölkerung zu unterdrücken, aber die Realität zeigt, dass staatliche Gewalt gegen Frauen auch in der fortgeschrittenen kapitalistischen Welt existiert, wie sich in Großbritannien mit den Morden an Sarah Everard und Sabina Nessa akut gezeigt hat. Sarah wurde von einem diensthabenden Polizisten ermordet, der seinen Polizeiausweis benutzte, um sie auf dem Nachhauseweg unter dem Vorwand zu verhaften, sie habe gegen den Lockdown verstoßen. Sabina wurde zu der Zeit ermordet, als die abscheulichen Details des Mordes an Sarahvor Gericht verhandelt wurden. Die Tatsache, dass in den sechs Monaten zwischen den Morden an diesen beiden Frauen weitere 80 Frauen im Vereinigten Königreich von Männern getötet wurden, hat große Teile der Bevölkerung verärgert. Was die Menschen jedoch noch mehr verärgerte, war die Reaktion der Polizei, die anfangs die Schuld bei den Opfern suchte und sagte, dass Frauen nachts nicht allein ausgehen sollten, obwohl die meisten dieser Frauen in ihren eigenen vier Wänden von jemandem getötet wurden, den sie kannten. Die Polizei griff nicht nur gewaltsam eine friedliche Mahnwache für Sarah Everard an, sondern setzte die Opferbeschuldigung fort, als sie Menschen, die einem Polizisten, der sie anhielt, nicht trauten, riet, „einen Bus anzuhalten“ oder sogar die Nummer 999 anzurufen, um zu überprüfen, dass der Polizist echt ist. Dies hätte nicht nur Sarah nicht gerettet – ihr Mörder war ein „echter“ Polizist -, sondern ist auch ein Armutszeugnis für die Polizei angesichts der institutionalisierte frauenfeindliche Gewalt innerhalb der Polizei. Jüngste Zahlen zeigen, dass 666 Polizisten im Vereinigten Königreich in einem Zeitraum von drei Jahren wegen geschlechtsspezifischer Gewalt angeklagt wurden, aber nur 3,9 % wurden verurteilt. Sarah Everard war die 16. Frau, die seit 2009 von einem Polizisten getötet wurde.
Die Polizei in einer kapitalistischen Gesellschaft ist nicht dazu da, die einfachen Menschen zu verteidigen, sie ist in erster Linie für den Schutz von Privateigentum und des Staates da. Es gibt viele Beispiele dafür, dass die Polizei eingesetzt wird, um Proteste und Streikposten von Arbeiter*innen gewaltsam anzugreifen und linke politische Gruppen zu unterwandern, indem sie Beziehungen zu deren weiblichen Mitgliedern aufbaut, um sie auszuspionieren. Jegliche Ermittlungen, die das Verhalten der Polizei untersuchen, müssen von wirklich unabhängigen Ermittler*innen durchgeführt werden, zu denen auch Vertreter*innen der Familien der Opfer, der Gewerkschaften, von Frauenrechts- und antirassistischen Organisationen usw. gehören. Wir brauchen auch eine demokratische Kontrolle darüber, wo die Polizei eingesetzt wird, wie sie Ermittlungen durchführt, und über die Einstellung und Entlassung von Polizist*innen, um sexistische, rassistische, homophobe und transphobe Polizist*innen aus dem Verkehr ziehen zu können.
Sexistisches Gedankengut ist bei der Polizei selbst offensichtlich sehr verbreitet. Der Mörder von Sarah Everard war auch Teil einer WhatsApp-Gruppe mit anderen Polizisten, die sich gegenseitig frauenfeindliche, homophobe und rassistische Nachrichten schickten. Es wurde berichtet, dass er sich bereits seit 2015 mehrmals unsittlich entblößt hat, aber die Polizei hat das nie ernsthaft untersucht. Das Versenden von sexistischen Nachrichten, die Belästigung weiblicher Kolleginnen und anderes Verhalten werden oft als „unbedeutend“ angesehen und daher nicht ernst genommen. Da sie jedoch an Arbeitsplätzen, in Gemeinden und Bildungseinrichtungen überall unangefochten bleiben, bilden sie zusammen eine Gemeinschaft, die problematische Einstellungen gegenüber Frauen, insbesondere in Bezug auf die weibliche Sexualität und die Vorstellung eines männlichen Anspruchs auf den weiblichen Körper, aufrechterhält und verstärkt. Im Extremfall kann dies zur Ermordung scheinbar zufälliger Frauen auf der Straße führen, wie im Fall von Sarah Everard und Sabina Nessa. Danyal Hussein, der Mörder von Nicole Smallman und Bibaa Henry, die im Juni 2020 in London ermordet wurden, nahm an einem „Deradikalisierungsprogramm“ der Regierung teil. Er glaubte, dass er „Frauen opfern“ müsse, um erfolgreich zu sein, und dass er auch Zaubersprüche anwenden könne, um sich für Frauen attraktiver zu machen. Jake Davidson, der im August in Plymouth fünf Menschen erschoss, gehörte der frauenfeindlichen „Incel“-Bewegung an, deren Mitglieder Frauen die Schuld an ihren eigenen wahrgenommenen Schwächen geben.
Diese brutalen Beispiele aus Großbritannien finden sich leider auf der ganzen Welt wieder. Das Vorherrschen von Gewalt gegen Frauen ist in den Bedingungen einer zutiefst ungleichen Gesellschaft verwurzelt, die ihren Ursprung an der Spitze, in den Institutionen des Staates, hat, aber die gesamte Gesellschaft durchdringt.
Marxist*innen verstehen, woher die Gewalt kommt
Wladimir Lenin, einer der Anführer der Russischen Revolution, beschrieb den Staat als aus „besonderen Formationen bewaffneter Menschen“ bestehend und stützte sich dabei auf die Analyse des Staates durch Friedrich Engels, einen engen Weggefährten von Karl Marx. Marxist*innen gehen davon aus, dass der Kapitalismus eine Gesellschaft ist, in der eine winzige Minderheit von Menschen – die Kapitalist*innenklasse – die Macht über die große Mehrheit – die Arbeiter*innenklasse – ausübt, und dass dies nur auf der Grundlage von Gewalt und Unterdrückung möglich ist. Die zunehmenden sozialen Umwälzungen und die Instabilität, mit denen der Weltkapitalismus konfrontiert ist, haben dazu geführt, dass die rohe Gewalt des Staates als Instrument der herrschenden Klasse zur Aufrechterhaltung der Ausbeutungs- und Unterdrückungsverhältnisse stärker in den Vordergrund gerückt ist. Der jüngste Militärputsch im Sudan, gegen den sich ein Massenwiderstand mit einer großen Streikwelle entwickelt hat, hat dies einmal mehr eindringlich gezeigt. Frauen standen bei diesem heldenhaften Widerstand in der ersten Reihe. In Indien sind Frauen und Minderheiten – insbesondere Angehörige der Dalits, niedrigen Kasten und Adivasi – am stärksten von der staatlich geförderten Gewalt betroffen, die unter der derzeitigen rechtsgerichteten, hindu-nationalistischen Regierung von Narendra Modi und der BJP dramatisch zugenommen hat. Aber die Ereignisse haben auch die arbeitenden, armen und unterdrückten indischen Frauen in die vorderste Reihe sehr wichtiger Kämpfe katapultiert, vor allem bei den seit einem Jahr andauernden Protesten der Bauern und Bäuerinnen, einer historischen Rebellion gegen die neoliberale Tagesordnung der BJP und ihre konzernfreundlichen Landwirtschaftsgesetze.
Weltweit sind Frauen, zusammen mit den am stärksten unterdrückten und benachteiligten Gemeinden, von dem Trend zu autoritäreren Formen kapitalistischer Herrschaft betroffen. In extremer Form wurden in Ländern wie Myanmar, Äthiopien oder dem besetzten Kaschmir weit verbreitet Vergewaltigungen und sexuelle Gewalt als Waffe eingesetzt, um Frauen zu unterdrücken und den Widerstand gegen Besatzung und Militärherrschaft zu brechen. Das bedeutet nicht, dass der Staat immer die Form eines Polizeistaats oder einer Militärdiktatur annimmt. Der kapitalistische Staat – der „Überbau“, wie Engels ihn beschrieb – besteht auch aus dem Bildungssystem, religiösen Institutionen, den Medien usw., die alle die kapitalistische Ideologie verstärken. Hauptsächlich geht es darum, die Vorstellung zu verstärken, dass die Arbeiter*innenklasse die Gesellschaft nicht verändern kann, und dass wir nur im Wettbewerb gegeneinander auf die Krümel vom Tisch der Reichen hoffen können.
Dazu gehört auch die Förderung von Spaltungen innerhalb der Arbeiter*innenklasse, z. B. auf der Grundlage von Geschlecht, Rasse, Religion, Sexualität usw. Um ihre Profitmaschine anzutreiben, benötigt die Kapitalist*innenklasse einen kontinuierlichen Strom disziplinierter und gehorsamer Arbeiter*innen, und zwar zu den geringstmöglichen Kosten für das System selbst. In diesem Sinne spielt die patriarchale Familie eine zentrale Rolle für den Kapitalismus, sowohl wirtschaftlich als auch ideologisch. Die Geschlechterrollen und die Familie dienen dazu, die Menschen „auf Linie zu halten“, als nützliche Instrumente der sozialen Kontrolle. Die Förderung der Vorstellung von der Rolle der Frau in der Familie als Kindererzieherin und Betreuerin ist auch nützlich, um dem Staat enorme Summen zu sparen. Abgesehen von unbezahlter Arbeit im Wert von 10 Billionen Dollar (nach Schätzungen von Oxfam), die Frauen weltweit im Haushalt leisten, gibt es diese Vorstellungen auch auf dem Arbeitsmarkt als Rechtfertigung für eine geringere Entlohnung „traditioneller Frauenarbeit“, etwa im Pflegesektor. Nicht nur in der Familie, sondern in der Gesellschaft insgesamt werden die Geschlechterrollen verstärkt. So wird beispielsweise die Kommerzialisierung der Körper von Frauen und LGBTQ+-Personen in der Werbung genutzt, um Produkte zu verkaufen, aber auch um die Vorstellung zu verstärken, dass Männer ein Anrecht auf den weiblichen Körper haben, und um Frauen als Sexobjekte für Männer darzustellen, anstatt als vollwertige Menschen.
Dies alles bedeutet, dass es nicht nur staatliche Gewalt gegen Frauen und die Arbeiter*innenklasse im Allgemeinen gibt, sondern dass Gewalt auf allen Ebenen der Gesellschaft ausgeübt wird. Sexismus hat zwar seinen Ursprung in Klassengesellschaften und ist im Staat verwurzelt, aber er existiert auch innerhalb der Arbeiter*innenklasse. Die Ursache für die Gewalt gegen Frauen liegt vor allem in der patriarchalen Familienstruktur, die von Anfang an eine wirtschaftliche und soziale Grundlage der Klassengesellschaft war. Die meisten Gewalttaten gehen von einer einzelnen Person aus, in der Regel von einem männlichen Intimpartner oder Familienmitglied. Bei dieser Gewalt geht es im Kern um die Kontrolle über die Sexualität und den Körper der Frauen. Die Basis für diese besondere geschlechtsspezifische Gewalt sind Beziehungen, die sehr intim sind, in der Regel allmählich entstehen und mit psychologischer Manipulation einhergehen, die für das Opfer oft sehr schädliche Wirkung entfaltet.
Der Kapitalismus verzerrt die zwischenmenschlichen Beziehungen – weit davon entfernt, sie frei gestalten zu können, können Menschen gezwungen sein, in unglücklichen Beziehungen oder bei einem gewalttätigen Partner zu bleiben, sei es aus finanziellen Gründen oder aus Angst vor dem Stigma der Scheidung, des Alleinerziehens usw. Der Zusammenbruch oder die Nichtexistenz des Wohlfahrtsstaates kann dazu beitragen und dazu führen, dass die Familienmitglieder materiell aufeinander angewiesen sind und nicht auf den Staat. Der Druck des täglichen Lebens kann Auslöser für Gewalt sein, da die Menschen mit Geldsorgen, psychischen Problemen und Problemen am Arbeitsplatz zu kämpfen haben, wie die Zunahme häuslicher Gewalt während der Lockdowns in den letzten beiden Jahren zeigt.
Die weltweite Wirtschaftskrise, die im vergangenen Jahr durch die Pandemie ausgelöst wurde, hatte verheerende Auswirkungen auf Millionen von Frauen, führte zu einem unverhältnismäßigen Anstieg von Arbeitsplatzverlusten und Armut bei Frauen und vergrößerte die Kluft zwischen den Geschlechtern. Frauen waren von den Arbeitsplatz- und Einkommensverlusten am stärksten betroffen, und dies gilt in noch stärkerem Maße für Schwarze Frauen, Frauen of Color und Frauen mit Migrationshintergrund, die nun auch weniger von der relativen Erholung profitieren. Die Erwerbsquote schwarzer Frauen in den USA ist um 9,7 % niedriger als im Februar 2020, bevor Covid-19 die USA traf, bei den hispanischen Frauen ist die Beschäftigung um 8,6 % zurückgegangen. Die Beschäftigung von weißen Männern, weißen Frauen und schwarzen Männern ist seit Februar 2020 um 5 %, 5,4 % bzw. 5,9 % zurückgegangen. Laut einer aktuellen Studie ist die Wahrscheinlichkeit, dass Frauen, die während der Pandemie in Indien ihren Arbeitsplatz verloren haben nicht mehr in den Beruf zurückkehren 11-mal höher als bei Männern. Trotz des Geredes von einer „Erholung“ hat die Krise die Situation von Frauen weltweit nachhaltig beeinflusst und sie einem größeren Risiko ausgesetzt, geschlechtsspezifischer Gewalt ausgesetzt zu sein, übergriffigen Partnern nicht entkommen zu können oder von sexueller Ausbeutung und Menschenhandel bedroht zu sein.
Sexistische Ideen und Verhaltensweisen fallen nicht vom Himmel oder entstehen nur in den Köpfen Einzelner, sondern spiegeln die Art der Gesellschaft wider, in der wir leben. Der Kapitalismus basiert auf ungleichen Machtverhältnissen, und die Spaltung der Arbeiter*innenklasse ist eine Folge davon, einschließlich des Sexismus, der den Tätern geschlechtsspezifischer Gewalt zuweilen die Illusion von Macht vermitteln kann. Das bedeutet, dass wir zwar sexistischem Verhalten in jedem einzelnen Fall entgegentreten sollten, dies aber nicht ausreichen wird, um die Stellung der Frauen in der Gesellschaft grundlegend zu verändern. Es bedarf einer grundlegenden Veränderung der Gesellschaft, um Sexismus und geschlechtsspezifische Gewalt vollständig zu beseitigen. Ein wichtiges Merkmal der Proteste und Bewegungen der letzten Jahre war, die Schuld für die Gewalt auf das System zu schieben. Einzelne Fälle von geschlechtsspezifischer Gewalt können eine Protestbewegung auslösen, aber die Forderungen entwickeln sich schnell über die Gerechtigkeit für das einzelne Opfer hinaus zur Forderung nach Gerechtigkeit für alle. Angefangen mit den Slutwalks im Jahr 2011 und dem Durchbruch durch #MeToo haben Bewegungen von Kolumbien und Chile bis Myanmar und Australien die Idee in den Vordergrund gestellt, dass angesichts von victim blaming und staatlicher Gewalt „das ganze System schuldig ist“.
ROSA und ISA fördern, unterstützen und engagieren sich aktiv in diesen Bewegungen und helfen ihnen, sich zu entwickeln, wo immer wir können, aber wir sind der Meinung, dass wir noch weiter gehen müssen. Nicht nur erklären, was falsch ist, sondern eine Alternative zu diesem kranken System aufzeigen. Der sozialistische Feminismus bietet eine Vision für die veränderte Gesellschaft, die wir brauchen. Aber er kann uns auch dabei helfen, die Art Bewegung aufzubauen, die notwendig ist, um diese Gesellschaft zu erreichen. Wir weisen auf die Notwendigkeit eines vereinten Kampfes der Arbeiter*innenklasse hin, denn es ist die vielfältige Arbeiter*innenklasse, die die Macht hat, die Gesellschaft zu verändern. Die Position der Arbeiter*innen – als Schöpfer*innen des Reichtums – bedeutet, dass ein Streik die Macht hat, das ganze Land (oder die Welt) zum Stillstand zu bringen. Darüber hinaus ist die Arbeiter*innenklasse diejenige, die für das Funktionieren der Gesellschaft gebraucht wird und die eine entscheidende Rolle beim Aufbau einer neuen, sozialistischen Gesellschaft spielen muss. Die Arbeiter*innenklasse an die Macht zu bringen, ist die zentrale Idee des Sozialismus. Um dies zu erreichen, brauchen wir eine geeinte Bewegung. Durch den gemeinsamen Kampf können sich Einstellungen verändern, wenn sich herausstellt, dass wir mehr miteinander gemeinsam haben als mit Menschen desselben Geschlechts, derselben Rasse, Sexualität oder Nationalität in der herrschenden Klasse. Der gemeinsame Kampf zeigt auch, wie viel stärker wir sind, wenn wir uns zusammenschließen, als wenn wir allein kämpfen.
Das letzte Jahrzehnt hat gezeigt, dass es eine völlige Sackgasse ist, unsere Ziele darauf zu beschränken, mehr Frauen in die Politik oder die Wirtschaft zu bringen. Unsere Bewegung muss der dreifachen und vierfachen Unterdrückung besondere Aufmerksamkeit schenken, die zum Beispiel Frauen aus der Arbeiter*innenklasse erfahren, die auch Schwarz und/oder homosexuell und/oder trans sind. Wir müssen für eine Bewegung kämpfen, die für alle repräsentativ ist, die sich für die Rechte jeder unterdrückten Gruppe einsetzt und in der alle mitmachen können. Aber wir müssen uns auf das besinnen, was uns eint, und nicht auf das, was uns unterscheidet – unsere Position als Teil der Arbeiter*innenklasse. Eine solche Bewegung kann nur demokratisch aufgebaut werden, wenn sich alle Unterdrückten nicht nur an Aktionen, sondern auch an Diskussionen darüber beteiligen, wofür die Bewegung kämpft. Auf dieser Grundlage können wir sehen, wie wir nicht nur unsere unmittelbaren Forderungen durchsetzen können, sondern eine neue Art von Gesellschaft, die frei von Unterdrückung, Ungleichheit und Gewalt ist: eine sozialistische Gesellschaft.
Eine sozialistische Gesellschaft ist eine Gesellschaft, in der die Arbeiter*innenklasse auf demokratische Weise die Kontrolle über das Geschehen hat. Durch die Verstaatlichung des Großkapitals und der Banken wären wir in der Lage, den in der Gesellschaft vorhandenen Reichtum zum Nutzen der Mehrheit einzusetzen. Wir könnten die Löhne massiv erhöhen und die Arbeitszeiten verkürzen, so dass jede*r einen angemessenen Lebensstandard hätte. Die wirtschaftliche Befreiung der Frauen würde bedeuten, dass sie sich nicht mehr zwischen Kinderkriegen und Arbeiten entscheiden müssten und dass sie die Freiheit hätten, eine unglückliche oder gewalttätige Beziehung zu verlassen. Eine vollständige Finanzierung der öffentlichen Dienste würde bedeuten, dass Frauen Zugang zu der von ihnen benötigten Gesundheitsversorgung haben, einschließlich kostenloser Abtreibung und Empfängnisverhütung bei Bedarf, sowie zu anderen Leistungen, die ihre Sicherheit gewährleisten und die einen großen Teil der unbezahlten Reproduktionsarbeit, die die meisten Frauen zu Hause leisten, als kostenlose öffentliche Dienstleistungen übernehmen. Das ist nur eine Seite der Medaille. Durch eine Änderung des Wirtschaftssystems könnten wir auch die Einstellungen gegenüber Frauen, die ihre Wurzeln in der Klassengesellschaft haben, grundlegend ändern.
ROSA und ISA bauen eine sozialistisch-feministische Bewegung gegen geschlechtsspezifische Gewalt auf. Das bedeutet eine vereinte Bewegung, die die Forderungen zur Beendigung der Gewalt gegen Frauen mit dem breiteren Kampf der Arbeiter*innenklasse verbindet. Angesichts der durch die Pandemie ausgelösten Krise zwingen die Regierungen die Arbeiter*innen und die Armen, den Preis dafür zu zahlen – mit ihren Arbeitsplätzen, ihrer Lebensgrundlage und sogar ihrem Leben. Wir setzen uns aktiv für Streiks, Proteste und andere Aktionen der Arbeiter*innen ein, um Lohnerhöhungen durchzusetzen, Arbeitsplätze zu retten, Dienstleistungen zu erhalten und Gewalt und Opferbeschuldigungen zu beenden. Schließ dich diesem Kampf an!
● Ni Una Menos – Not one Less – kein Leben darf mehr durch geschlechtsspezifische Gewalt verloren gehen, niemandes psychische oder physische Gesundheit mehr geschädigt werden. Wir kämpfen dafür, geschlechtsspezifische Gewalt, Missbrauch und Belästigung in all ihren Formen und überall dort zu beenden, wo sie stattfindet: am Arbeitsplatz, zu Hause, in Schulen und Universitäten, in staatlichen Einrichtungen, auf der Straße und im Internet.
● Politiker*innen retten Banken und Unternehmen, aber das Leben von Frauen wird geopfert. Diese Pandemie der Gewalt erfordert Sofortmaßnahmen. Wir brauchen eine sofortige Erhöhung der öffentlichen Ausgaben und die Entwicklung einer Regierungspolitik zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen. Dazu sollte der Aufbau von Schutzräumen und Netzwerken für Frauen und Kinder in Gewaltsituationen gehören sowie spezialisierte Dienste für häusliche und sexuelle Gewalt, die allen, die sie benötigen, vor Ort zur Verfügung stehen. Psychosoziale Dienste sollten vor Ort Zugang zu den von den Opfern benötigten Beratungs- und Therapieangeboten sowie zu spezialisierten psychologischen Untersuchungen und Behandlungen für die Täter bieten. Jede*r sollte einen existenzsichernden Lohn und eine Arbeitsplatzgarantie erhalten, um ein unabhängiges Leben zu ermöglichen.
● Das Coronavirus hat deutlich gemacht, dass das Wohlergehen aller Menschen an erster Stelle stehen muss. Wir müssen uns den Reichtum der kapitalistischen Elite aneignen, um eine massive Ausweitung der öffentlichen Dienstleistungen zu finanzieren; von der kostenlosen Gesundheitsversorgung (einschließlich Impfstoffen für alle, Aufhebung der Patente und Freigabe des technischen Wissens, Überführung der pharmazeutischen Industrie in öffentliche Hand, um in jedem Winkel der Welt Impfstoffe und Tests zu produzieren) bis zur kostenlosen Kinderbetreuung. Es gibt überhaupt keinen Grund für Massenarbeitslosigkeit, wo es doch so viel zu tun gibt: Mit verkürzten Arbeitszeiten bei vollem Lohnausgleich, mit mehr Sozialleistungen und der Schaffung von grünen und gesellschaftlich nützlichen Arbeitsplätzen kann die Arbeitslosigkeit auf Null reduziert werden.
● Niemand sollte hungern müssen. Für einen Notfallplan zur Bekämpfung der Zunahme des Hungers – unter der Kontrolle lokaler Gesellschaften, Arbeiter*innenorganisationen, armer Kleinbauern und Bäuerinnen – als ersten Schritt zu einer Umgestaltung der Landwirtschaft. Schluss mit den schädlichen kapitalistischen Produktionsmethoden, die Krankheiten und Hunger verursachen, und Aufbau einer Landwirtschaft in Gemeineigentum im Einklang mit der Natur.
● Die Arbeiter*innen brauchen Arbeitsplätze, an denen sie sicher sind vor der Verbreitung von Infektionen, sexueller Belästigung und Stress. Das erfordert sichere Beschäftigungsverhältnisse, Arbeiter*innenkontrolle über Gesundheits- und Sicherheitsfragen und eine Aufstockung des Personals, um Arbeitsstress zu reduzieren.
● Echte Mietkontrollen und der Bau von Sozialwohnungen in großem Umfang – jede*r hat das Recht auf ein sicheres, erschwingliches und friedliches Zuhause. Enteignung und Überführung in öffentliches Eigentum von Wohnungen, die aufgrund von Spekulationen leer stehen.
● Für eine kostenlose, qualitativ hochwertige, öffentliche, säkulare Bildung mit fortschrittlicher, altersgerechter, LGBTQ-inklusiver Sexual- und Beziehungserziehung, bei der der Schwerpunkt auf dem Thema Einverständnis liegt.
● Kostenloser und einfacher Zugang zu Verhütung und Abtreibung.
● Die Gewerkschaften und Betriebsgruppen müssen für gewerkschaftliche Organisierung, für ein Ende der prekären Arbeit, für einen existenzsichernden Lohn für alle Arbeiter*innen und gegen sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz kämpfen – eine solche Bewegung könnte die Führung im Kampf gegen alle Formen von Sexismus, Frauenfeindlichkeit, Rassismus, Homophobie und Transphobie übernehmen, um einen vereinten Kampf der Arbeiter*innenklasse aufzubauen.
● Schluss mit der Reproduktion von Sexismus, Diskriminierung und Opferbeschuldigung vor Gericht. Jeder Teil des Staates und der Sozialdienste, der mit Opfern und Tätern in Kontakt kommt, sollte über das Problem der geschlechtsspezifischen Gewalt aufgeklärt und geschult werden, um sicherzustellen, dass Kläger*innen und Opfer mit Respekt behandelt werden.
● Wir kämpfen für einen Staat, der demokratisch von der Arbeiter*innenklasse von unten regiert wird, um die derzeitige Voreingenommenheit zugunsten der herrschenden Klassen zu beseitigen und die Grundlage von Rassismus, Sexismus und Diskriminierung im Staat und in der Justiz ein für alle Mal zu beseitigen.
● Für eine sofortige und massenhafte Antwort der gesamten Arbeiter*innenklasse auf die Versuche von Staaten und Religionen, Frauen und LGBTQ-Personen das Recht auf ihren Körper zu nehmen, zum Beispiel mit den Angriffen auf Abtreibungsrechte in vielen Ländern.
● Kampf gegen die Objektifizierung der Körper von Frauen und für ein Ende der sexistischen Werbung – die Medien müssen unter demokratische Kontrolle gebracht werden.
● Stoppt den Kapitalismus, der die Umwelt zerstört und ganze Landstriche unbewohnbar werden lässt. Krieg beenden und für Klimagerechtigkeit kämpfen – rassistische Einwanderungspolitik beenden – für das demokratische Recht auf Asyl.
● Der Wohlstand, den wir alle produzieren, darf nicht von einer kleinen Minderheit beansprucht und kontrolliert werden. Der Reichtum und die Unternehmen müssen aus den Händen der Elite genommen und zum Nutzen der Mehrheit der Bevölkerung betrieben werden – das bedeutet mehr Personal und bessere Bezahlung in den gesellschaftlich nützlichen Berufen, die meist von Frauen ausgeübt werden, wie Kinderbetreuung, Bildung und Gesundheitswesen. In einer solchen Gesellschaft wäre die Betreuung der Jungen, Kranken und Alten eine kollektive Aufgabe und nicht eine individuelle Aufgabe der Frauen in der Familie, was Frauen von unbezahlter Reproduktionsarbeit befreien würde.
● Demokratisches öffentliches Eigentum und Kontrolle der Arbeiter*innenklasse über die wichtigsten Bereiche der Wirtschaft, die wichtigsten Reichtümer und Ressourcen, als Teil einer demokratisch-sozialistischen Planung der Wirtschaft, für die Bedürfnisse der Menschen und des Planeten, nicht für Profit.
● Wir kämpfen für Brot und wir kämpfen auch für Rosen – für eine sozialistische Gesellschaft, in der Sexismus und Gewalt gegen Frauen wirklich der Vergangenheit angehören – für eine sozialistische Welt frei von Klassengegensätzen, Unterdrückung, Krieg und Gewalt, in der jeder Mensch das Recht auf einen guten Lebensstandard hat und die Freiheit, das Leben zu genießen!