Das Versammlungsgesetz NRW kommt, obwohl es in den letzten Monaten zahlreiche Bedenken und Proteste dagegen gab. Am 15. Dezember hat der NRW-Landtag den Gesetzentwurf von CDU und FDP gegen die Stimmen der GRÜNEN und der SPD durchgewunken.
Von Christian Kubitza, Köln
Zwar hatte es noch einen Änderungsantrag der Regierungsparteien gegeben, der den Entwurf in einigen Punkten abschwächen sollte. Doch das VersG NRW atmet durchweg den Geist von „Gefahrenabwehr“ und nicht von Versammlungsfreiheit, im Widerspruch zu Artikel 8 des Grundgesetzes. Jede Versammlung wird somit in NRW als Gefahr für die Sicherheit (wessen Sicherheit eigentlich?) angesehen.
Selbst der Landesverband der Richter*innen und Staatsanwält*innen NRW hat sich in seiner Analyse gegen dieses Gesetz ausgesprochen und es teilweise als verfassungswidrig bezeichnet.
Das Bundesverfassungsgericht formuliert in seinem Brokdorf-Beschluss deutlich : „Ebenso und erst recht dürfen gegenüber den Veranstaltern und Teilnehmern von Großdemonstrationen keine Anforderungen gestellt werden, welche den Charakter von Demonstrationen als prinzipiell staatsfreie unreglementierte Beiträge zur politischen Meinungsbildung und Willensbildung sowie die Selbstbestimmung der Veranstalter über Art und Inhalt der Demonstrationen aushöhlen würden.“
Eben das macht aber das neue VersG NRW: Durch legale Videoüberwachung von Protesten, Pflicht zur Veröffentlichung von Anmelder*innendaten, Verbot von Behinderung und Störung angemeldeter Versammlungen (also v.a. rechter Veranstaltungen) oder auch nur dem Aufruf dazu. Letzteres wurde – keine Überraschung – vom AfD-Vertreter in der Sitzung des Innenausschusses besonders begrüßt.
Auch das in „Gewalt- und Einschüchterungsverbot“ umbenannte „Militanzverbot“, welches das Tragen einheitlicher Kleidung bei Versammlungen reglementiert, soll Proteste behindern. Laut dem innenpolitischen Sprecher der CDU seien weiße Maleranzüge und einheitliche Kleidung von Fußballfans nicht davon betroffen, aber im Text ist immer noch von „uniformähnlichen Kleidungsstücken“ die Rede, was einen großen Interpretationsspielraum zulässt.
Zusammengefasst soll das Versammlungsgesetz NRW auf alle, die ihren berechtigten Protest auf die Straße tragen wollen, einschüchternd wirken. Es warnt unverhohlen: „Bleibt mal lieber zu Hause, da es ansonsten teuer wird oder ihr im Knast landet!“ Ganz offensichtlich soll das Gesetz den kommenden Entwicklungen bereits im Frühstadium entgegenwirken. Es wird aufgrund sowohl der klima-, als auch der sozialpolitischen Lage zu massiven Protesten kommen, wenn mehr Leute erkennen, dass auch eine Ampel-Koalition den Schwächen und Fehlern eines kapitalistischen Systems nichts entgegenzusetzen hat. Und so werden uns allen größere Steine in den Demonstrationsweg gelegt, was zwangsläufig zu zahlreichen unangemeldeten Spontandemos führen wird.