Apokalyptischer Futurismus und der Milliardär

Wie Elon Musk zu seinem Reichtum kam

Von Budi Budzynski und Sebastian Rave, Bremen

Für eine „vom Tellerwäscher zum Millionär“-Story eignet sich Elon Musks Karriere nicht gerade. Seine Eltern waren reich. Ziemlich reich. Sein Vater besaß eine Smaragdmine, seine Mutter war ein berühmtes Model. Die Familie lebte ein Jetset-Leben, finanziert durch die Ausbeutung schwarzer Arbeiter*innen in Südafrika. Sein Vater sagte rückblickend, dass sie so reich waren, dass sie den überquellenden Safe nicht mehr schließen konnten. Nach den hohen Standards des Reichen-Magazins „Forbes“ ist das allerdings nur „obere Mittelklasse“.

Ein Start-Up-Teenie surft auf der großen Welle

Mit zehn Jahren beginnt Elon Musk zu programmieren und verkauft seine eigene Software. Mit 18 zieht er zu seinem Bruder nach Kanada, um der südafrikanischen Wehrpflicht zu entgehen, beginnt zu studieren und bekommt mehrere Internships im Silicon Valley. Dort beginnt sein Aufstieg zum Aushängeschild des Kapitalismus. Gemeinsam mit seinem Bruder gründet er 1995 seine erste Firma, die von ihrem Vater und anderen Investoren eine Starthilfe von mehreren hunderttausend Dollar bekommt. Weitere Startup-Investments in Millionenhöhe kommen dazu, bis die Firma für viel Geld verkauft wird. Musk gründet den Onlinebezahldienst x.com, der mit dem PayPal-Gründer Confinity fusioniert. Musk verdient an dem anschließenden Verkauf der Firma an eBay 165 Millionen Dollar.

Tesla: Profit durch Ausbeutung

2004 steigt der Multimillionär mit 6,3 Millionen Dollar Aktienwert bei Tesla ein und wird zum Vorstandsvorsitzenden. Glück bringt das dem Unternehmen nicht: Im Zuge der großen Rezession ab 2008 steht Tesla mehrmals kurz vor dem Bankrott. Nach dem Ende der Finanz- und Weltwirtschaftskrise erholt sich der Aktienwert und steigt 2013 um 400%. Mit dem Wert des Unternehmens steigt auch der Druck – und die Anzahl der Arbeitsunfälle in den Tesla-Betrieben, sowie Beschwerden über zu lange Arbeitszeiten und unbezahlte Überstunden. Mit der höheren Nachfrage nach E-Autos geht auch der Bedarf nach den für die Herstellung benötigten Rohstoffen nach oben: Besonders Lithium, dessen größtes Vorkommen in Bolivien liegt. Dort findet 2019 ein (gescheiterter) Putsch mit engen Verbindungen zur US-Außenpolitik statt. Elon Musk scherzt auf Twitter: „Wir putschen weg, wen wir wollen. Kommt damit klar!“ 

Seine Versprechen, die Herstellung von Tesla-Fahrzeugen komplett zu automatisieren, um die Autoindustrie – wie Henry Ford damals – zu revolutionieren, bleibt unerfüllt. Tesla bleibt auf die Ware Arbeitskraft angewiesen. Die Zahl von Tesla-Arbeiter*innen steigt – und ebenso die immer weitergehenden Versuche, ihre gewerkschaftliche Organisierung zu verhindern. Gewerkschafter*innen werden entlassen, bekommen weniger Aktienanteile als nicht gewerkschaftlich organisierte Kolleg*innen und Whistleblower*innen, die von den Arbeitsbedingungen berichten, werden mit Unterlassungsklagen von bis zu 150 Millionen Dollar überzogen. Zum Beginn der Pandemie wurden Arbeiter*innen unter Androhung von Kündigungen gezwungen, in die Fabrik zu kommen. Hunderte vermeidbare Corona-Fälle in der Belegschaft waren die Folge. 

SpaceX und die Kommerzialisiung des Weltraums

Es lohnt sich nicht, im Detail auf Musks bescheuerte Ideen wie Hyperloop, Neuralink und künstlicher Intelligenz, einer Marskolonie und dem dazugehörigen Sportwagen im Weltraum einzugehen. Nur so viel: Das meiste davon ist Marketing-Hype. Tatsächlich profitabel wird aber seine 2002 gegründete Firma SpaceX. Nicht zuletzt, weil sie Aufträge von der NASA im Wert von 1,6 Milliarden Dollar bekommt. Seit 2012 arbeitet SpaceX mit milliardenschweren Satellitenanbieter*innen in Nordamerika, Europa und Asien zusammen. 2017 kommt dann ein mächtiger Auftraggeber dazu: Das US-Militär, das von SpaceX Spionagesatelliten ins All schießen lässt. Das Weltraumgeschäft ist lukrativ: 2016 beläuft sich der Markt auf 345 Milliarden US-Dollar – und SpaceX ist mittlerweile Marktführer mit über 700 in den Orbit gebrachten Satelliten. Auch, wenn gerade 49 Starlink-Satelliten einem Sonnensturm zum Opfer gefallen sind, werden es immer mehr: 30.000 – 42.000 sollen es einmal werden, wenn es nach SpaceX geht. Das Prinzip der Konkurrenz führt dazu, dass es für jeden benötigten Dienst, egal ob Beobachtung, Navigation, Wissenschaft oder Datenübertragung mittlerweile dutzende Satelliten gibt, die alle das gleiche tun – aber gegeneinander. Nebenwirkung: Der Weltraumschrott nimmt zu, was dazu führt, dass neue Satelliten mit stärkerer Panzerung versehen werden müssen, was das Gewicht und damit die Kosten und den Energiebedarf für den Start erheblich vergrößert. 

Aber nicht nur das All wird zugemüllt: Auch der 2014 gegründete Weltraumbahnhof bei Boca Chica in Texas sorgt für jede Menge Lärm und Müll. Die Anwohner*innen werden nicht gefragt, ob sie eine Raketenstartrampe in ihrem Dorf haben möchten. Dafür bekommen sie Briefe mit dem Hinweis, dass ihre Fensterscheiben möglicherweise regelmäßig zerbersten könnten. Seit der Gründung des Weltraumbahnhofs fallen immer wieder Raketentrümmer auf das Dorf und das naheliegende Wildtierreservat herab. Unterlassungsklagen sowie gesetzliche und behördliche Vorgaben werden regelmäßig ignoriert.

u/Kruzat, CC BY-SA 4.0 https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0, via Wikimedia Commons

Fake-Futurismus

Die „Counterculture“ der 1960er hatte einen großen Einfluss auf die entstehende Cyberkultur in den 1970ern bis 1980ern. Die digitale Welt sollte eine ohne staatliche Regeln sein, die Hippiekommune wurde zur Cyberkommune. 1984 warb Apple mit einem Werbespot, in dem eine junge Frau einen Hammer in einen großen Bildschirm wirft, von dem der „Große Bruder“ von Orwells „1984“ zu grau uniformierten Menschen spricht. Die IT-Revolution war aber keine: Die Profite entstehen durch die Ausbeutung der Arbeitskraft, die Hardware zusammenlötet und hunderttausende Zeilen Software-Code schreibt. Und die großen visionären Gurus, die durch die IT-Revolution zu Milliardär*innen werden, werden es nur durch die private Aneignung von gesellschaftlich produziertem Mehrwert und von technologischen Entwicklungen, die gesellschaftlich entstanden sind. Hinter der glatten Oberfläche des iPhones steckt Technologie, die in öffentlichen Universitäten und Forschungsinstitutionen entwickelt worden war. 

Musk präsentiert sich als radikaler Futurist und Innovator. Die pompöse Präsentation des „Loop“, in dem autonom fahrende E-Autos in unterirdischen Tunneln den Straßenverkehr umgehen sollten, war schon im ersten Entwurf nur eine schlechtere U-Bahn. Der Prototyp in Las Vegas ist am Ende nur eine Schnellstraße in einem engen und gefährlichen Tunnel, in dem sich Teslas Taxis in den Stau fahren. Musks „Boring Company“, die den Loop entwickelt, hat das erklärte Ziel, irgendwann Tunnel für eine Marskolonie zu graben. Der Loop (und sein größerer Bruder, der Hyperloop) soll aber schon vorher profitabel werden: Mit Hilfe öffentlicher Gelder – ein Prototyp für Musks steuersubventionierte „futuristische“ Ideen. Auch das Spacelink-Projekt wird damit beworben, Menschen in ländlichen Gebieten Zugang zum Internet zu verschaffen. Leider nur teurer, langsamer und mit umweltschädlichen Raketenstarts.

Aber wem dient der Musksche Futurismus mit seinen Tunneln, bei dem nur zahlende Kund*innen Zugang haben, den kugelsicheren und solarbetriebenen Pickup-Trucks und der fernen Marskolonie? Um Musk selbst zu zitieren: „Wir wollen die Marktführer in Apokalypse-Technologie sein.“ Musk bereitet sich auf eine Zukunft vor, in der die Erde zerstört ist und das Sicherheitsbedürfnis einer reichen Elite bedient werden will. 

Musk bietet keine Lösungen für den drohenden Kollaps von Umwelt und Gesellschaft. Er bietet Fluchtwege für Reiche. Und das Propagandamärchen des American Dream eines Südafrikaners aus einer „Mittelschicht-Familie“, der mit Fleiß und Innovation ein Vermögen von 242 Milliarden Dollar anhäufen kann, mehr als die Ökonomien von 145 Ländern. 

Doch Elon Musk hat nie etwas entwickelt, das der Menschheit hilft, wie es seine Fanboys behaupten. Stattdessen hat er von seiner privilegierten Stellung profitiert: Ein weißer Mann aus einer reichen Familie in Südafrika unter der Apartheid, der in die USA zog um mithilfe seiner finanziellen Investments Menschen auf der ganzen Welt auszubeuten. Der Kreis zu Henry Ford, Antisemit und Hitlerfreund, schließt sich, wenn Musk sagt, der Klimawandel sei kein Problem, solange arme Länder nicht industrialisiert werden. Das ist nichts anderes als der alte, rassistische Mythos der Überbevölkerung. Arme Länder sollen an ihrem Platz bleiben – unter Elon Musk.

Titelbild: SpaceX, CC BY-NC 2.0