Am 11. Oktober hat die Bundestarifkommission von ver.di die Forderung für die aktuelle Tarifrunde im öffentlichen Dienst bei Bund und Kommunen beschlossen: 10,5% mehr Lohn, mindestens 500 Euro mehr bei 12 Monaten Laufzeit. Um die Forderung durchzusetzen und Reallohnverlust zu stoppen, müssen sich alle Kolleg*innen beteiligen.
von Thies Wilkening, Reinbek
Die Forderung ist das Ergebnis von Diskussionen auf Bezirks- und Landesbezirksebene und in der Bundestarifkommission. 200.000 Beschäftigte aus allen Bereichen des öffentlichen Dienstes hatten sich vorher an einer Umfrage zu den Forderungen beteiligt. Dabei haben über 97% dafür gestimmt, sich in dieser Tarifrunde auf die Lohnerhöhung zu konzentrieren – angesichts der steigenden Lebenshaltungskosten brauchen wir dringend mehr Geld.
Die 500 Euro Mindesterhöhung für alle Vollzeitbeschäftigten sind die zentrale Forderung. Für die Mehrheit der Kolleg*innen bedeuten 500 Euro mehr als 10,5% – bis zur Entgeltgruppe 9b gilt das für alle Erfahrungsstufen, bei den Einstiegsgehältern in Stufe 1 sogar bis hoch zur E14. Eine Schulsekretärin mit Entgeltgruppe 5 und zehn Jahren Berufserfahrung bekäme bei einer Erhöhung um 500 Euro 16% mehr Lohn. Das ist auch nötig, weil die Inflationsrate bei 10% pro Jahr liegt und die Löhne seit dem letzten Tarifabschluss 2020 schon jetzt über 12% an Wert verloren haben.
#zusammengehtmehr – in der Gewerkschaft, am Arbeitsplatz und auf der Straße
Solche Lohnerhöhungen können nur starke Gewerkschaften erkämpfen. Warnstreiks werden wahrscheinlich nicht reichen. Um Bund und Kommunen zum Zahlen zu zwingen, brauchen wir längere Erzwingungsstreiks. Um darauf vorbereitet zu sein, sollten alle Beschäftigten im öffentlichen Dienst, die noch nicht in der Gewerkschaft sind, jetzt in ver.di oder die GEW eintreten – denn nur Mitglieder bekommen Streikgeld als Ersatz für Verdienstausfall an Streiktagen.
Offiziell beginnt die Tarifrunde erst mit dem Verhandlungsauftakt im Januar, aber schon jetzt starten die Vorbereitungen. Um in den Dienststellen und Betrieben die Unterstützung für die Forderungen zu zeigen, sollen beim „Stärketest“ bis Ende Dezember 230.000 Unterschriften gesammelt werden. Das wären 10% aller Beschäftigten, die nach dem TVÖD (Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst) bezahlt werden. Diese Unterschriftensammlung ist aus mehreren Gründen wichtig – um mit Kolleg*innen ins Gespräch über die Tarifrunde zu kommen, um der Bundestarifkommission und der Führung von ver.di zu zeigen, dass die Beschäftigten bereit sind, für die Forderungen zu kämpfen und zu streiken und um den Druck auf die Arbeitgeber zu erhöhen.
Um den Stärketest und erste Aktionen vorzubereiten, finden in den ver.di-Bezirken in den nächsten Tagen “Kampagnen-Kickoffs” statt. Leider wurden sie in einigen Bezirken mitten in die Arbeitszeit gelegt, so dass nur freigestellte Betriebs- bzw. Personalrät*innen und Kolleg*innen teilnehmen können, die spontan frei bekommen. Im weiteren Verlauf der Tarifauseinandersetzung sollte darauf geachtet werden, Veranstaltungen außerhalb von Streiks so zu planen, dass möglichst viele Kolleg*innen daran teilnehmen können. Es wird viele Diskussions- und Planungstreffen brauchen, damit die Aktiven aus Betrieben und Dienststellen sich austauschen und Streiks vorbereiten können. Während der Streiks sollte es Streikversammlungen geben, bei denen sich die Streikenden über den Stand der Tarifrunde informieren, diskutieren und demokratisch über weitere Schritte entscheiden können.
Um zusammen Stärke zu zeigen, wären gemeinsame Streikkundgebungen mit den Beschäftigten der Post sinnvoll, deren Tarifvertrag gleichzeitig mit dem TVÖD abläuft. Auch bei den Protesten gegen steigende Lebenshaltungskosten am 22. bzw. 29. Oktober, an deren Organisierung ver.di beteiligt ist, sollte eine Verbindung zu den kommenden Tarifrunden gezogen werden. Denn der TVÖD und der Tarifvertrag Metall-Elektro, der aktuell verhandelt wird, betreffen Millionen Menschen. Wenn es gelingt, Lohnerhöhungen durchzusetzen und Reallohnverlust zu verhindern hat das Signalwirkung für andere Branchen, und letztlich profitieren viele Arbeiter*innen davon. Umgekehrt ist es bei Arbeitskämpfen im öffentlichen Dienst wichtig, Solidarität in der Bevölkerung und damit politischen Druck aufzubauen, denn mit Streiks lässt sich weniger direkter ökonomischer Druck erzeugen als in anderen Bereichen.
Laufzeit: Nicht länger als 12 Monate
Am Ende der Tarifrunde wird neben der Höhe der erkämpften Lohnerhöhung auch die Laufzeit des Tarifvertrags entscheidend sein. Wie genau sich die Inflation in den nächsten Jahren entwickeln wird, ist unklar, aber wahrscheinlich werden die Preise auch 2023 und 2024 weiter steigen. Durch eine längere Laufzeit als 12 Monate würde daher weiterer Reallohnverlust drohen, wie die Erfahrung mit den 27 Monaten Laufzeit des letzten Tarifabschlusses zeigt. Eine Möglichkeit, Reallohnverluste zu bekämpfen, wäre eine Klausel zur automatischen Anpassung der Löhne an die Inflation.