VKG kann ein Faktor werden

Anfang Oktober trafen sich rund 90 gewerkschaftliche Aktive in Frankfurt. Die Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften (VKG) beschloss den Aufruf “Nein zu Preisexplosion und Lohnverlusten: Die Gewerkschaften müssen die Gegenwehr organisieren!” und tritt dafür ein, die laufenden Tarifrunden und weitere Bereiche zu einer gemeinsamen Bewegung zur Verteidigung der Reallöhne zu verbinden.

Von Claus Ludwig, Köln und Marc Treude, Aachen

Kolleg*innen aus dem Hamburger Hafen berichteten, wie sich dort nach 40 Jahren ohne Streik die Kampfbereitschaft entwickelte und Druck für Lohnsteigerungen ausgeübt werden konnte. Die Arbeitgeber gingen vor Gericht, um die Streiks per einstweiliger Verfügung abzuwürgen. Die ver.di-Führung stimmte einem gerichtlichen Vergleich zu, die Streiks auszusetzen. Das daraufhin verhandelte Ergebnis war für viele Kolleg*innen nicht zufriedenstellend, vor allem nicht in den unteren Entgeltgruppen.

Im Arbeitskreis zur Lage der Kliniken zeigte sich, dass kämpferische, linke Gewerkschafter*innen die Kämpfe dort prägen konnten. Sowohl bezüglich der Häfen als auch der Kliniken wurde die Frage angesprochen, dass einmal gewählte Mitglieder von Tarifkommissionen oder Team-Delegierte schwer abgewählt werden können. Kämpfe entwickeln sich jedoch dynamisch, einige Kolleg*innen gehen nach vorne, andere ermüden. Die jederzeitige Wähl- und Abwählbarkeit der Vertreter*innen von Belegschaften ist eine wichtige Frage, welche die Aktiven der VKG thematisieren werden.

Stärken und Schwächen

Es ist bisher nicht gelungen, wirklich breite Schichten gewerkschaftlicher Aktiver betriebs- und branchenübergreifend in der VKG zu organisieren. Die meisten auf der Konferenz Anwesenden sind in sozialistischen Gruppen organisiert. Angesichts der dramatischen Abwertung der Löhne ist das eine klare Schwäche, aber sie ist nicht verwunderlich und nicht hausgemacht – in den letzten Jahren hat es nur wenige Klassenkämpfe gegeben, in vielen Branchen hat sich noch keine neue Schicht von Aktivist*innen herausgebildet.

Ein weiteres Manko ist die geringe Verankerung in den Kernbereichen der Industrie, während es im Gesundheits- und Bildungswesen durchaus gute Ansätze gibt und eine Reihe gerade junger Kolleg*innen präsent war. Eine Stärke der VKG hingegen ist der offene Umgang mit diesen Schwächen. Die eigenen Kräfte werden realistisch eingeschätzt. Dazu kommt, dass die VKG sich politisch klar positioniert und eine scharfe, grundsätzliche Kritik an der Führung des DGB und der Einzelgewerkschaften formuliert, was bei anderen Vernetzungen kritischer Gewerkschafter*innen zu kurz kommt.

Die VKG hat das Potenzial, zu einem Faktor bei der Entwicklung einer kämpferischen Opposition in Betrieben und Gewerkschaften zu werden. Die VKG wurde direkt vor der Pandemie gegründet und hatte in dieser Phase erzwungener Inaktivität einen schweren Start. Sie hat diese Phase überstanden und wurde nicht geschwächt. Heute erreicht der E-Mail-Verteiler der VKG direkt 600 Aktive. Die Veröffentlichungen der VKG werden gelesen und tragen zur Debatte in Gewerkschaften und Betrieben bei. Zum Schluss der Konferenz wurde ein 18köpfiger Koordinationskreis gewählt, die SAV ist mit Claus Ludwig in dieser Koordination vertreten.

Infos & Termine

Website der VKG: www.vernetzung.org. Dort findet sich auch die einstimmig beschlossene Resolution “Nein zu Preisexplosion und Lohnverlusten”.

Am 15.11. findet um 19:00 eine Veranstaltung der VKG als Videokonferenz statt. “Wie können wir die Proteste gegen die Verarmungspolitik von Regierung und Kapital organisieren?”. Bei Interesse Anmeldung an: info@vernetzung.org.

Save the date: Die VKG beteiligt sich auch an der fünften “Konferenz Gewerkschaftliche Erneuerung” der Rosa-Luxemburg-Stiftung, vom 12. bis 14. Mai 2023 an der Ruhr-Universität Bochum.