Nach drei Verhandlungsrunden und großen Warnstreiks hat das Management der Deutschen Post ein Angebot gemacht, welches in der Summe nicht einmal die Hälfte der Forderungen der Beschäftigten erfüllt. Reallohnverlust wäre die Folge gewesen. Jetzt stimmen die ver.di-Mitglieder über einen unbefristeten Erzwingungsstreik ab.
Von Thies Wilkening, Reinbek
Ende Januar und Anfang Februar sind in den diversen Standorten der Post über 100.000 Personenstreiktage zusammengekommen, viele Beschäftigte haben insgesamt zwei oder drei Tage lang für die Forderung nach 15 % mehr Lohn bei einem Jahr Laufzeit gestreikt. Am 10. Februar lehnte ver.di das Tarifangebot der Post ab, das im Durchschnitt etwa 10-12 % Tabellenerhöhung sowie insgesamt 3000 Euro steuerfreie Einmalzahlungen gebracht hätte – über zwei Jahre Laufzeit. Es ist wenig verwunderlich, dass dieses laut Post-Vorstand „beste Tarifangebot in der Geschichte unseres Unternehmens“ von der Tarifkommission abgelehnt wurde.
Outsourcing-Drohung
Die Post lässt ihren Personalvorstand Thomas Ogilvie den Beschäftigten im Zeitungs-Interview mit Outsourcing im Brief- und Paketbereich drohen. Die Lohnforderung zu erfüllen sei so teuer, dass es sich für die Post finanziell lohnen würde, die Briefzustellung oder Logistik- und Sortierzentren oder beides in Tochterfirmen auszulagern oder zu verkaufen. Damit würden dort keine Tarifverträge mehr gelten, die Post könnte die Löhne beibehalten oder sogar senken.
Aus mindestens zwei Gründen ist die Gefahr von Outsourcing kein Argument für Lohnverzicht bzw. den Verzicht auf einen Erzwingungsstreik. Einerseits gibt es keinen Grund anzunehmen, die Deutsche Post AG würde eine Möglichkeit zur Gewinnmaximierung nicht nutzen, nur weil die Beschäftigten „brav“ sind. Wenn das Management Tarifflucht durch Outsourcing für juristisch machbar und wirtschaftlich lohnend hält, wird es früher oder später dazu kommen. Andererseits sind entschlossene Streiks und starke gewerkschaftliche Organisierung das beste Mittel, um Outsourcing zu verhindern. Wenn die Kolleg*innen die Arbeit niederlegen, wird von einem outgesourcten Zustellstützpunkt aus kaum ein Brief zugestellt, in einem outgesourcten Sortierzentrum bleiben die Sendungen liegen. Die Post wird kaum von heute auf morgen zehntausende Leute finden, die die Arbeit zum Mindestlohn machen.
Die meisten Menschen möchten täglich Post bekommen können und wollen, dass „ihr*e“ Zusteller*in jeden Tag vorbeikommt. Die offene Drohung mit Tarifflucht als „Strafe“ für einen konsequenten Arbeitskampf wirkt für Arbeiter*innen maximal unsympathisch und verdeutlicht, dass es der Post-Chefetage nicht darum geht, dass Briefe und Pakete schnell ans Ziel kommen, sondern um schlichte Gewinnmaximierung. Daran können Gewerkschafter*innen und Linke gut ansetzen und die Streikenden bei der Post unterstützen, indem sie in Gesprächen im persönlichen Umfeld, mit Kolleg*innen usw. auf den berechtigten Streik und das Verhalten des Managements hinweisen, oder mit einem Aufkleber am Briefkasten.
Die ehemals staatliche Post ist schon lange privatisiert, die Brief- und Paketzustellung ist aber noch gesetzlich geregelt. Je deutlicher sich also eine gesellschaftliche Mehrheit gegen Outsourcing und Tarifflucht ausspricht, und für eine funktionierende Post mit gut bezahlten Kolleg*innen, die nicht durch immer größere Zustellbezirke und immer stärkere Arbeitsverdichtung in die Erwerbsunfähigkeit getrieben werden, desto schwerer wird für Regierung und Bundestag die Durchsetzung von Verschlechterungen im Interesse der Post-Aktionär*innen und anderer Unternehmen.
Solidarität aufbauen
Die Urabstimmung endet am 8. März, danach kann ver.di nach eigenem Ermessen jederzeit zu Streiks aufrufen. Diese Streiks sollten mit Warnstreiks im öffentlichen Dienst koordiniert werden, um mit gemeinsamen Kundgebungen Solidarität und Stärke zeigen zu können. Erste Schritte in diese Richtung hat es schon bei den Warnstreiks gegeben, so haben in Hamburg Kolleg*innen der Stadtreinigung die Streikkundgebung besucht. Solidarität mit den Streiks bei der Post hilft nicht nur den Postler*innen, denn das Ergebnis wird eine Signalwirkung weit über die Post hinaus haben – für den öffentlichen Dienst, aber auch für die später im Jahr stattfindenden Tarifrunden bei der Bahn und im Handel. Wenn die Postler*innen zeigen, dass kämpfen sich lohnt und ein echter Inflationsausgleich möglich ist, wird es für die Beschäftigten in allen diesen Bereichen leichter, ihre Forderungen durchzusetzen.
Briefkasten-Aufkleber zur Solidarität mit den Streikenden bei der Post könnt ihr hier bestellen: