Lohn, Zeit, Respekt: Schweizer Gewerkschaften und feministische Aktivist*innen rufen zum Streik auf
Vier Jahre nach dem feministischen Streik vom Juni 2019, an dem 500.000 Menschen teilgenommen haben (in der Schweiz l,eben 8,7 Millionen Menschen), bereiten sich Frauen, Arbeiter*innen, LGBTQ+-Personen und Jugendliche erneut darauf vor, dieses Jahr auf die Straße zu gehen und zu protestieren, diesmal in jeder schweizer Stadt.
Von Soraya Sala, Wuppertal
Der Streik von 2019 war die größte Mobilisierung seit dem Generalstreik von 1918.
Durch den Streik von 2019 wurden einige wichtige Reformen und Änderungen forciert: die Einführung eines bezahlten Vaterschaftsurlaubs von zwei Wochen im Januar 2021 und die Gleichstellung der Ehe für gleichgeschlechtliche Ehen im Juli 2022. Für die Mehrheit der arbeitenden Frauen, LGBTQ+ und Jugendlichen ist das bei weitem nicht genug und so gibt es viele Gründe, für den Streik in diesem Jahr zu mobilisieren. 2022 wurde das Renteneintrittsalter für Frauen von 64 auf 65 Jahre angehoben. In vielen Kantonen gibt es keinen Mindestlohn, was vor allem Frauen in prekären Arbeitsverhältnissen betrifft. Das Recht auf den Schwangerschaftsabbruch wird vor allem von der rechtspopulistischen SVP angegriffen, mit einer Unterschriftensammlung wollen sie ein Referendum auslösen. Ein weiteres großes Problem, vor allem für die Frauen in der Schweiz, ist die Kinderbetreuung: es existiert so gut wie kein öffentliches Angebot für Kinderbetreuung unter drei Jahren und der bezahlte Mutterschaftsurlaub beträgt nur vier Monate.
250 Gewerkschaften und feministische Kollektive mobilisieren für den Streik am 14. Juni. Es soll in Betrieben, Schulen, Universitäten und auch zu Hause gestreikt werden. Gleichzeitig ist es den Organisator*innen wichtig, ein Zeichen von Solidarität mit anderen Kämpfen weltweit zu setzen. Sie setzen sich dafür ein, dass die feministische Bewegung weiterhin alle unterdrückten Gruppen einbezieht und dabei einen klassenkämpferischen Ansatz vertritt.
Die Forderungen der Organisatoren lassen sich in drei Kategorien zusammenfassen:
1. Lohn: Finanzielle und gesellschaftliche Gleichstellung der Arbeit von Frauen. In der Schweiz beträgt der offizielle Gender Pay Gap mindestens 18%, liegt in der Realität jedoch weit höher, da Frauen in schlechter bezahlten Jobs arbeiten. Darauf verweist der Unterschied bei der Rente, der 34,6% beträgt. Forderungen sind u.a. Lohnerhöhungen in Branchen mit niedrigem Lohnniveau, Mindestlohn sowie existenzsichernde Renten ohne Rentenaltererhöhung.
2. Zeit: Mehr Zeit und Geld für Betreuungsarbeit. Familienkompatible Arbeitszeiten, kürzere Arbeitszeiten und Kinderbetreuung als service public (durch die öffentliche Hand finanzierte Angebote).
3. Respekt: Respekt statt Sexismus am Arbeitsplatz. Nulltoleranz bei sexualisierter Gewalt, Prävention von sexueller Belästigung und Sexismus am Arbeitsplatz, und die Ratifizierung der ILO-Konvention 190 durch die Schweiz.
(Mehr Infos: https://www.14juni.ch).
Der Streik am 14. Juni kann ein wichtiger Schritt sein, um den Kampf gegen genderbasierte Unterdrückung und Ausbeutung zu entwickeln. Um die Regierung dazu zu bringen, auf die Forderungen der Streikenden einzugehen, müssen Gewerkschaften und Aktivist*innen weiter im Austausch bleiben und weiter zusammen kämpfen. Wie wir aus Frankreich lernen können, ist das Establishment nicht zu Kompromissen bereit. Es ist nötig, sich mit anderen Bewegungen zu verbinden und sich international zu organisieren, um eine sozialistische demokratische Alternative zum Kapitalismus aufzubauen.
Bild: Malhiermalda, CC BY-SA 4.0 https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0, via Wikimedia Commons