Der rot-grüne Hamburger Senat will den Hafenbetrieb HHLA (Hamburger Hafen und Logistik AG) zu 49% an die Reederei MSC verkaufen. Beschäftigte, Betriebsrat und die Hamburger Gremien von ver.di lehnen den Verkauf ab. Anfang November gab es einen wilden Streik in einem Containerterminal.
Von Jan Hagel, Hamburg
Die HHLA, die mit ca. 6600 Beschäftigten drei Containerterminals betreibt und die logistische Anbindung des Hafens zum Weitertransport der Güter organisiert, gehörte bisher zu 70% der Stadt Hamburg, die restlichen Aktien waren im Streubesitz. Seit im September gegen den Willen der Belegschaft und ihrer nicht vorab informierten Betriebsräte der geplante Verkauf verkündet wurde, haben die meisten Privataktionär*innen an die Reederei MSC mit Sitz , in der “Seefahrernation” Schweiz. Die restlichen Anteile sind noch in Besitz der Stadt, SPD und Grüne stellen den Verkauf aber von Anfang an als beschlossene Sache dar.
Dagegen wehrten sich am 19.9. weit über 1000 HHLA-Beschäftigte mit einer lauten und wütenden Demo nach Feierabend. Der gleichzeitig stattfindende ver.di-Bundeskongress solidarisierte sich mit ihnen, und auch die gewerkschaftlichen Gremien auf Landesbezirksebene positionierten sich klar gegen den Verkauf, ebenso wie Die Linke.
MSC soll zwar eine Jobgarantie für fünf Jahre zugesichert haben, die Hafenarbeiter*innen fragen sich aber zu Recht, was danach passiert. Einerseits wird, wie bei jeder Privatisierung, der Druck zu mehr Arbeitsverdichtung, Automatisierung und letztlich Jobabbau zunehmen. Andererseits bekommt durch den Verkauf die größte Reederei der Welt entscheidenden Einfluss auf den Hafen. Es ist naheliegend, dass die Konkurrenz von MSC Hamburg deshalb eher meiden und der Güterumschlag des Hafens insgesamt zurückgehen wird.
Für die Stadt Hamburg bedeutet der Verkauf von 19% der HHLA-Anteile den Verzicht auf ca. 10 Millionen Euro Einnahmen jährlich. Der Senat hat angedeutet, die Aktien unter Wert verkaufen zu wollen, genaue Zahlen sind immer noch geheim. Er begründet den Verkauf mit von MSC versprochenen Investitionen in den “Standort Hamburg”, die sich die Stadt selbst nicht leisten könne.
Wilder Streik!
Anfang November stimmten Vorstand und Aufsichtsrat der HHLA den Verkaufsplänen zu. Daraufhin beschlossen am Nachmittag des 6.11. die anwesenden Kolleg*innen im Terminal Burchardkai (CTB) in den Streik zu treten, um die Privatisierung zu stoppen. Auch die anderen beiden Schichten schlossen sich an, so dass hunderte Kolleg*innen an der Aktion beteiligt waren, trotz Einschüchterungsversuchen und Abmahnungen durch das Management.
Sie forderten, dass Finanzsenator Dressel oder Wirtschaftssenatorin Leonhard (beide SPD) zum Terminal kommen und mit den Kolleg*innen verhandeln sollten, außerdem eine außerordentliche Betriebsversammlung um über den Verkauf zu diskutieren und zu beschließen. Von ihren Arbeitnehmervertreter*innen im Aufsichtsrat verlangten sie die Zurücknahme der Zustimmung zum Verkauf.
Nach dem deutschen Streikrecht ist ein solcher Streik nicht vorgesehen, denn die Kolleg*innen kämpften nicht im Rahmen einer Tarifrunde, sondern zur Verteidigung ihres Betriebs und ihrer Jobs gegen eine politisch beschlossene Privatisierung. Rechtlich war es also ein “wilder” Streik, auf den das Management mit Abmahnungen und sogar Entlassungen reagieren kann. Davor können sich die Beschäftigten nur durch eine breite Beteiligung im Betrieb, gemeinsames Handeln und Solidarität schützen.
Kolleg*innen aus anderen Betrieben besuchten bei Schichtwechseln die Streikenden, brachten heiße Getränke oder hielten Grußworte von Gewerkschaftsstrukturen und Organisationen. Auch TVL-Streikende besuchten die Kolleg*innen am Burchardkai. Es entstand eine Telegram-Gruppe zur Solidarität mit dem Streik mit über 400 Mitgliedern. Die Streikenden versuchten, den Streik auch auf die beiden anderen HHLA-Terminals auszuweiten, was aber nicht gelang, auch weil Vorgesetzte die Kolleg*innen direkt unter Druck setzten. Nach vier Schichten und 32 Stunden wurde der Streik beendet, nachdem die SPD zugesagt hatte, sich bei einer ver.di-Veranstaltung den Fragen und der Kritik von HHLA-Kolleg*innen zu stellen.
Am darauffolgenden Samstag organisierte ver.di eine Kundgebung auf dem Rathausmarkt, an der bei schlechtem Wetter etwa 600 Menschen teilnahmen, neben HHLA-Beschäftigten auch Gewerkschafter*innen aus anderen Betrieben, aus der TVStud-Bewegung und solidarische Linke. Viele Redner*innen betonten die klare Position der Betriebsräte der HHLA und der einzelnen Terminals sowie der ver.di-Gremien gegen den Verkauf. Eine Betriebsrätin kritisierte direkt die Bundesebene von ver.di mit der stellvertretenden Vorsitzenden Christine Behle, die den Kolleg*innen am 7.11. mit einer Pressemitteilung in den Rücken gefallen war. Darin wurde erklärt, ver.di sei zwar eigentlich gegen den Verkauf, er sei aber nun mal beschlossen und man habe in Verhandlungen mit MSC „wichtige Punkte durchgesetzt”.
Solidarität wirkt
Im Anschluss an den wilden Streik versuchte das HHLA-Management, die CTB-Betriebsrätin Jana Kamischke fristlos zu kündigen – offiziell wegen öffentlicher, politischer Äußerungen, weil sie sich nicht nur klar gegen den Verkauf positioniert, sondern auch Interviews mit ihr auf Websites linker Gruppen erschienen sind. Gegen die Kündigung wurden sofort Unterschriften und Solidaritätserklärungen vieler Gewerkschafter*innen und Betriebsgruppen gesammelt – mit Erfolg, nach wenigen Tagen nahm die HHLA die Kündigung zurück.
Auf der durch den Streik erzwungenen Diskussionsveranstaltung mit Kolleg*innen blieb die SPD bei ihrer Position: der Verkauf sei beschlossene Sache, man sei weiter vom Deal mit MSC überzeugt und um ihn noch zu verhindern, müsse laut dem SPD-Bürgerschaftsabgeordneten Markus Schreiber “die Hölle zufrieren”.
Allerdings scheint das doch nicht so klar zu sein: bei der Bürgerschaftssitzung am 22. November sollte der Verkauf der städtischen Anteile eigentlich endgültig beschlossen werden. Der Beschluss wurde aber ohne öffentliche Erklärung von der Tagesordnung genommen. Damit besteht weiterhin die Chance, den Verkauf noch zu verhindern. Dafür muss die ganze Belegschaft der HHLA die Arbeit niederlegen, oder die Gewerkschaften größere Teile der arbeitenden Bevölkerung auch außerhalb des Hafens zu größeren Demonstrationen und Kundgebungen mobilisieren, um den politischen Druck auf den Senat zu erhöhen.
Bei weiteren Warnstreiks in der TV-L-Tarifrunde sollte die HHLA ein Thema sein, auf möglichst jeder Demo sollten Grußworte von HHLA-Kolleg*innen organisiert werden, auch bei den weiteren anstehenden Tarifrunden in der Infrastruktur in Hamburg, bei Dataport und im Nahverkehr. Wenn es zu einer Abstimmung über den Verkauf in der Bürgerschaft kommt, muss die Gewerkschaft eine Großdemonstration während der Arbeitszeit zum Rathaus organisieren.
Wir fordern:
- Keine Privatisierung der HHLA
- Erhalt und Verbesserung der Tarifverträge aller HHLA-Beschäftigten
- Keine Maßregelung gegen Streikende
- Volle Solidarität von ver.di und dem DGB – auf allen Ebenen
- Enteignung der Reedereien und Werften – für gemeinsame, ökologisch und gesellschaftlich sinnvolle Planung der Schiffahrt und Logistik unter Verwaltung und Kontrolle der Beschäftigten, Stadt und Gewerkschaften statt Profitorientierung und Konkurrenz
Foto: Taro Tatura