Der weltweite Aufstieg des Rechtspopulismus

Geht die Welt nach rechts? Das Wahlergebnis in Portugal ist ein Vorgeschmack auf das, was in diesem Superwahljahr in vielen Ländern zu erwarten ist. Der Rechtsruck ist die hässliche Fratze eines kapitalistischen Systems in der Krise.

von Linda Fischer, Hamburg

Die portugiesische rechtspopulistische Partei „Chega“ (zu Deutsch „Es reicht“) konnte ihr Ergebnis bei den Parlamentswahlen am 10. März 2024 im Vergleich zu 2022 mehr als verdoppeln. Sie ist mit 18 Prozent die drittstärkste Kraft geworden. Die Sozialistische Partei (PS) verlor hingegen deutlich an Stimmen.

Mehr als die Hälfte der Portugies*innen vertrauen weder Parteien, noch der Regierung oder den Medien. Die Krise des Gesundheits- und Bildungssystems, Inflation und eine Krise auf dem Wohnungsmarkt machen Portugal zu dem Land in Europa, aus dem die meisten Menschen auswandern.

Vor dem Hintergrund der sozialen Krise und Diskreditierung der politischen Institutionen schafft es Chega – anders als linke Kräfte – sich als vermeintlich entschlossene Anti-Establishment Partei zu präsentieren und profitiert vom wachsenden Rassismus, den der Kapitalismus hervorbringt. Eine Entwicklung, die in vielen Ländern zu beobachten ist.

Superwahljahr steht im Zeichen des Rechtsrucks

Eine Studie der Denkfabrik European Council on Foreign Relations (ECFR) prognostiziert einen „heftigen Rechtsruck“ bei den EU-Parlamentswahlen im Juni dieses Jahres. In neun EU-Mitgliedsstaaten würden rechtspopulistische Parteien an erster Stelle stehen und in weiteren neun – unter anderem in Deutschland – auf dem zweiten oder dritten Platz. Laut einer Wahlprognose vom 20. März 2024 würde die Fraktion Identität und Demokratie (ID), zu der auch die AfD gehört, zusammen mit der Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer (ECR) mehr als ein Fünftel aller Abgeordneten des EU-Parlaments stellen.

Ein gutes Abschneiden der Rechten würde ihr Selbstbewusstsein und die Instabilität der EU, z.B. an der Frage des Ukraine-Krieges, erhöhen. Im EU-Parlament könnten sie mit dazu beitragen, die rassistische und tödliche Abschottungspolitik der EU weiter zu verschärfen. In diesem Sinne können sie für andere bürgerliche Kräfte auch als Rammbock und als Ausrede für die Intensivierung der rassistischen, nationalistischen, klimafeindlichen und arbeiter*innenfeindlichen EU-Politik dienen.

Im Superwahljahr 2024 wird inklusive der 27 EU-Länder in mehr als 60 Ländern gewählt. Betroffen sind rund 45 Prozent der Weltbevölkerung. Von Kommunalwahlen in der Türkei, über Präsidentschaftswahlen in Indien, Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg, sowie den Wahlen in Österreich und voraussichtlich in Großbritannien, bis hin zu den Wahlen in den USA… In vielen Teilen der Erde droht ein Rechtsruck.

Folgen eines möglichen Trump-Siegs

Die Wahl in den USA wird zwischen Trump und Biden entschieden werden. Für viele Wähler*innen ist das eine Entscheidung zwischen Pest und Cholera. Ein Sieg für Trump ist aufgrund der extremen Unbeliebtheit von Biden sehr gut möglich. Trumps Sieg würde den Rechtspopulist*innen weltweit massiven Auftrieb geben.

Er würde seine zweite Amtszeit allerdings in einer neuen, sehr instabilen Weltlage antreten. Die wirtschaftliche, politische und militärische Blockkonfrontation zwischen dem US- und dem chinesischen Imperialismus und ihren jeweiligen Verbündeten ist seit seiner letzten Amtszeit deutlich eskaliert.

Außenpolitisch blickt das breitere imperialistische Bündnis um die USA herum wegen Trumps Alleingängen und Ablehnung der NATO mit Sorge auf seine Wahl. Trumps Handeln ist nicht völlig durchgeknallt und unüberlegt. Er verfolgt eine geopolitische Strategie und Intensivierung der regionalen Handelsbeziehungen zu Kanada und Mexiko, will aber gleichzeitig die Zölle auf alle Waren aus allen Ländern auf 10 Prozent erhöhen, was die Weltwirtschaft weiter destabilisieren könnte.

Seine Politik ist genauso kriegstreiberisch wie die von Biden. Der Fokus würde sich jedoch weg von der Ukraine hin auf die Verschärfung des direkten Konflikts mit China verschieben. In der Frage der bedingungslosen Unterstützung des israelischen Regimes und dessen Massaker in Gaza gibt es zwischen Trump und Biden keinerlei Unterschiede.

Die heutige Republikanische Partei ist voll von Trump-Anhänger*innen, womit er weit besser in der Lage sein wird seine rechte Agenda durchzusetzen: Sein Programm beinhaltet massive Angriffen auf Migrant*innen und Geflüchtete, auf Umweltauflagen, auf queere Personen und auf die Rechte von Arbeiter*innen.

Unter dem Banner „Projekt 2025“ bereitet sich eine Koalition rechter Organisationen auf eine Trump-Präsidentschaft vor, die auch die Macht des Präsidenten ausweiten will. Das Ziel ist die Schaffung eines autoritären Regimes, einer noch brutaleren Herrschaft des Kapitals und weniger Rechte der Arbeiter*innenklasse sich dagegen zu organisieren.

Das kann jedoch massive Gegenproteste hervorrufen. Der Economist warnt die herrschende Klasse zu Recht: „Wenn Mr. Trump die amerikanische Politik auf breiter Front korrumpiert und es so aussieht, dass die Unternehmen von seiner Herrschaft profitieren, stellt dies ein großes Risiko für sie in der Zukunft dar. Als in Lateinamerika große Unternehmen mit Autokraten in Verbindung gebracht wurden, war das Ergebnis in der Regel, dass der Kapitalismus diskreditiert wurde und die Attraktivität des Sozialismus stieg.“

Woher kommt die Stärke der Rechten?

Der Aufstieg der Rechten ist zugleich Ausdruck von der Krise der bürgerlichen Mitte, in vielen Ländern vor allem der Krise der Sozialdemokratie.

Mit dem Untergang der Sowjetunion, dem Wegfall der Systemalternative und der damit einhergehenden Verbürglichung der Sozialdemokratien und der Bürokratisierung der Gewerkschaften haben breite Teile der Arbeiter*innenklasse ihre politische Heimat verloren.

Die bisherigen Versuche, neue Linke Formationen aufzubauen, haben zwar mitunter kurzfristig zum Aufstieg dieser Kräfte geführt, aber ihre Halbwertzeit war kurz und ihre Verankerung in der Klasse ist nicht vergleichbar mit den alten Sozialdemokratien. Entweder, weil sie nicht bereit waren, mit der kapitalistischen Logik zu brechen und sich in Regierungsbeteiligungen schnell entzaubert haben, oder weil sie nie den Anspruch hatten, die Arbeiter*innenklasse zu organisieren und Zentrum von organisierter Gegenwehr zu sein.

Die Existenz der LINKEN in Deutschland war ein wichtiges Gegengewicht, um den Aufstieg der AfD über Jahre zu bremsen. Das Versagen der LINKEN, Antworten auf die multiplen Krisen der letzten Jahre zu präsentieren, ihre tendenzielle Anpassung an das politische Establishment und ihre innere Zerrissenheit haben diese Bremse gelöst.

Solange der Kapitalismus einigermaßen stabil war, hatten die bürgerlichen Kräfte die politischen Entwicklungen mehr oder weniger unter Kontrolle. Mit der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise 2008 und in deutlich schnellerem Tempo seit Beginn des Ukraine-Kriegs ist die Epoche dieser relativen Stabilität und der neoliberalen Globalisierung zu Ende gegangen. Der Kampf um die Neuaufteilung der Welt hat begonnen und mit ihr die Zuspitzung der Blockkonfrontation in Form von Geopolitik, Protektionismus, Militarisierung, Krieg und Nationalismus. Die multiple kapitalistische Krise ist umfassend: wirtschaftlich, sozial, ökologisch und politisch. Das Vertrauen in die bürgerlichen Institutionen ist eingebrochen.

Das Aufeinandertreffen dieser Entwicklungen schafft den Raum für den Aufstieg der Rechten. Die neue kapitalistische Ära braucht gesteigerten Nationalismus, Rassismus und andere Spaltungsinstrumente, die den Aufstieg der extremen Rechten begünstigen. Das Bürgertum braucht Rechte wie Trump oder die AfD als Machtoption. Es gibt eine Reihe von Beispielen, wo Rechte aus der Außenseiterposition zur Regierungsbeteiligung gekommen sind, wie in Italien mit Meloni oder in Finnland mit einer Braun-Blauen Regierung.

Das heißt: Es gibt historische Gründe für den Aufstieg der AfD und der Rechten weltweit. Sie sind ein Symptom für die verallgemeinerte Krise, in der sich der Kapitalismus und seine bürgerliche Herrschaft mit seinen Institutionen befinden.

Gegenwehr

Der Rechtsruck ist zum Glück nicht der einzige Ausdruck dieses Systems in der Krise. Die mit dem Wirtschaftscrash 2008 ausgelösten Prozesse führten in einigen Ländern zu explosionsartigen Revolten bis hin zu revolutionären Erhebungen und zu einer massenhaften Verbreitung von rudimentären antikapitalistischen Ideen.

In den 2010er Jahren kam es zu einer Welle von feministischen und queeren Kämpfen, die in einigen Ländern wichtige Erfolge erzielten. Es gab revolutionäre Erhebungen, ob im Iran oder im Sudan. In den letzten Jahren sehen wir einen deutlichen Anstieg von sozialen, betrieblichen und gewerkschaftlichen Kämpfen und Bewegungen, von Großbritannien über die USA bis hin nach Deutschland.

Im Januar gab es in Deutschland die größten Proteste in der Geschichte der Bundesrepublik gegen die extreme Rechte.

Viele Menschen wünschen sich solidarische Lösungen der riesigen Probleme und Krisen von sozialer Ungerechtigkeit, Krieg bis Klimakatastrophe. Im Trommelfeuer der Propaganda der bürgerlichen Parteien, die ihre Positionen als alternativlos darstellen, fehlt es ihnen jedoch an politischer Repräsentation und Alternativen.

Um aus dem Gefühl der Machtlosigkeit rauszukommen, müssen und werden die aktuellen und zukünftigen Massenproteste und Bewegungen international ein Schlüssel sein. Um nicht zu verpuffen werden neue Anläufe für eine geeinte und organisierte Arbeiter*innenklasse nötig sein und sich auf verschiedene Weise und an verschiedenen Fragen bilden. Eine Re-Organisierung der Arbeiter*innenbewegung und der Linken, die aus den reformistischen Fehlern der Vergangenheit lernt, die internationale Bewegungen aufbaut, der extremen Rechten den Nährboden entzieht, und die entschlossen den Kampf gegen das kapitalistische System als Wurzel des Übels aufbaut.