In Frankreich schlägt ein Vergewaltigungsprozess Wellen, weil die Betroffene Gisèle Pélicot über das spricht, was in der Regel im Verborgenen bleibt. Gisèle Pélicot will, dass der Prozess öffentlich geführt wird, denn “nicht wir sollten uns schämen, sondern sie” und sagt weiter: “Ich drücke nicht meine Wut oder meinen Hass aus. Ich drücke meine Entschlossenheit aus, diese Gesellschaft zu ändern.”
Von Linda Fischer, Hamburg
Gisèle Pélicot wurde fast zehn Jahre lang von ihrem Ex-Mann immer wieder betäubt, mutmaßlich in mindestens 92 Fällen, um von ihm und anderen Männern vergewaltigt zu werden. Jahrelang hatte sie unerklärliche Gedächtnislücken und gynäkologische Probleme und erfuhr nach eigener Aussage erst durch die Ermittlungen von den Vergewaltigungen.
51 Männer sitzen auf der Anklagebank. Der Fall zeigt auf beklemmende Art und Weise die Alltäglichkeit von Frauenverachtung und sexualisierter Gewalt. Die Täter sind keine unbekannten Monster, sondern der eigene Partner oder der Typ von nebenan. Unter den Angeklagten finden sich Feuerwehrmänner, Handwerker, Krankenpfleger, Gefängniswärter oder Journalisten. Einige sind verheiratet, andere ledig und wenige waren vorher polizeilich bekannt.
Die allermeisten von ihnen übernehmen weiterhin keine Verantwortung für ihre Taten und fliehen sich in Ausflüchte, die von einer tief verwurzelten Abwertung von Frauen zeugen. Der Ex-Mann erklärte sein Handeln damit, dass er zu viel Zeit gehabt habe und sein Sexualleben nicht befriedigend gewesen sei. Außerdem habe sie ihn oft tagelang alleine gelassen, um sich um die Enkelkinder zu kümmern.
Mehr Strafen?
Schreckliche patriarchale Gewalt wie im Fall Gisèle Pélicot lässt viele nach konsequenten Strafen und stärkerer Kriminalisierung sexualisierter Gewalt rufen. Das ist angesichts der häufigen Folgenlosigkeit von Übergriffen nachvollziehbar, doch die Wirksamkeit von Gefängnisstrafen und anderen strafrechtlichen Maßnahmen ist begrenzt. Zum Teil wird der Kampf gegen sexualisierte Gewalt instrumentalisiert, um die repressive und rassistische Aufrüstung nach innen zu legitimieren und den Polizeiapparat auszubauen, statt die Ursachen von patriarchaler Gewalt zu bekämpfen.
Kapitalismus baut auf Unterdrückung und Ungleichheit auf. Patriarchale Gewalt ist ein besonders bedrohlicher Ausdruck davon. Sexistische Rollenbilder, die wir von Klein auf lernen, Abwertung und Schlechterstellung von Frauen und genderqueeren Personen sind Triebkräfte dieser Gewalt. In Deutschland ist die Anzahl der erfassten Betroffenen von Partnerschaftsgewalt in den letzten fünf Jahren um 17,5 % angestiegen und erreichte im Jahr 2023 einen neuen Höchststand. Nach sogenannten Dunkelfeldstudien ist jede dritte Frau in Deutschland mindestens einmal in ihrem Leben von Gewalt betroffen, so das zuständige Ministerium 2024.
Krisen und Kriege
Die Zunahme von kriegerischen Auseinandersetzungen und die Brutalisierung des Kapitalismus nach innen und außen, haben Einfluss auf die Zahlen geschlechtsspezifischer Gewalt. Laut Oxfam wurden im Gaza-Krieg mehr Frauen und Kinder innerhalb eines Jahres durch das israelische Militär getötet als in jedem anderen Konflikt der letzten zwanzig Jahre. Sexualisierte Gewalt wird in Konfliktsituationen als Kriegswaffe eingesetzt, und Kriege haben nachweislich Einfluss auf steigende Gewaltbereitschaft und gesellschaftliche Akzeptanz von Gewalt. In den USA wurde festgestellt, dass ein hoher Anteil von häuslicher Gewalt von Soldaten verübt wird, die von Kriegseinsätzen zurückkehren, und schwere Aggressionen gegenüber Partnerinnen dreimal häufiger vorkommen als in anderen Familien.
Am 25. 11. auf die Straße: Internationaler Tag zur Beseitigung der Gewalt gegen Frauen
- Deutlich mehr und flächendeckende (transinklusive) Frauenhausplätze und Beratungsangebote für von Gewalt betroffene Menschen.
- Vorbeugende Maßnahmen und Aufklärung in Schulen, Stadtteilen und am Arbeitsplatz.
- Schutz und Prävention durch den Ausbau des öffentlichen Gesundheits-, Sozial- und Bildungssystems.
- Für ein selbstbestimmtes und sicheres Leben für alle: Deutliche Lohnsteigerungen besonders in weiblich dominierten Berufen, Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich, genügend preiswerten, schnell verfügbaren kommunalen Wohnungsbau für Alle, soziale Absicherung für Alle.
- Organisieren gegen Krieg, Aufrüstung und Kapitalismus. Sozialistisch-feministische Bewegung aufbauen.