Liebe Kolleg*innen, wir sind in der Auseinandersetzung um Löhne und Arbeitszeiten im öffentlichen Dienst solidarisch und wünschen euch viel Erfolg bei der Durchsetzung eurer berechtigten Forderungen. Auf dieser Seite stellen wir unsere Einschätzung der Situation, in der diese Tarifrunde stattfindet und einige Ideen für den Kampf vor.
4,8% bzw. 150€ – Berechtigte Forderungen, aber fehlt da nicht was?
Die Bundestarifkommission von ver.di bezeichnet die Forderungen als „Kompromiss“ zwischen Kolleg*innen, die die letzten Monate in Kurzarbeit waren und denen angesichts der Krise das Selbstvertrauen fehlt um überhaupt irgendetwas zu fordern und Kolleg*innen aus systemrelevanten Berufen, die sich einen Ausgleich für die Mehrarbeit der letzten Monate und in manchen Bereichen schon seit Jahren deutlich mehr Lohn und Entlastung wünschen. Dass es diese Unterschiede gibt ist klar. Aber statt einen Kompromiss für alle zu finden hätte man zusätzliche Entgeltforderungen für die am stärksten belasteten Bereiche aufstellen können, wie es zum Beispiel die Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften für die Krankenhäuser und den Erziehungsdienst vorgeschlagen hatte. Stattdessen gibt es jetzt einen separaten Verhandlungstisch für das Gesundheitswesen, an dem es um Zulagen und bezahlte Pausen gehen soll, für den ver.di aber keine klaren Forderungen benennt.
Gewinnen kann man nur politisch
Bei Streiks im öffentlichen Dienst entsteht oft nur wenig direkter wirtschaftlicher Schaden für die Arbeitgeber. Deshalb ist öffentlicher Druck und Solidarität aus der Bevölkerung besonders wichtig. Die Ausgangslage dafür ist gut – die Kolleg*innen in den Krankenhäusern und Altenheimen, bei der Müllabfuhr, in den Gesundheitsämtern, in Notdienst-Kitas oder im Jobcenter haben während des Lockdowns mit großem Einsatz und teilweise persönlichem Risiko den Laden am Laufen gehalten und wurden dafür gefeiert – aber nicht finanziell entschädigt. Dass das ein Problem ist, ist für die allermeisten Menschen nachvollziehbar, und es ist richtig dass unter dem Motto „Jetzt seid ihr dran“ online für Unterstützung geworben wird. Zusätzlich sollte bei allen Warnstreik-Aktionen und in einem möglichen Erzwingungsstreik mit Material und Redebeiträgen auf die Öffentlichkeit zugegangen werden.
Dabei muss klar sein, dass die Bezahlung im öffentlichen Dienst immer eine politische Frage ist. Im Gegensatz zu Privatunternehmen haben die Arbeitgeber im öffentlichen Dienst, also Bund, Länder und Kommunen, letztlich selbst in der Hand wie viel Geld sie einnehmen und damit auch an ihre Beschäftigten zahlen können. Der Bund könnte hohe Einkommen, Unternehmensgewinne und Vermögen besteuern um öffentliche Dienstleistungen, Infrastruktur, Nahverkehr und Bildung zu finanzieren und die Kommunen bei ihren Aufgaben zu unterstützen. Die Kommunen selbst könnten bei ansässigen Unternehmen konsequent Gewerbesteuer eintreiben und auf „Unterbietungswettbewerbe“ und die Schaffung von Steueroasen innerhalb Deutschlands verzichten. Stattdessen werden Unternehmen wie die Lufthansa zwecks Erhalt von Arbeitsplätzen mit Milliarden Steuergeldern gerettet – und bauen dann trotzdem zehntausende Jobs ab. Diesen Widerspruch kann man nicht oft genug erwähnen. Nach der Vorstellung der Regierung und der Unternehmen soll in dieser Krise die ganze Gesellschaft zusammenstehen und verzichten. So läuft es im Kapitalismus aber nicht – wie zu „normalen“ Zeiten nehmen auch jetzt die Unternehmer*innen und Aktionär*innen Profite mit, während die Arbeiter*innen in Kurzarbeit gehen, auf Lohn verzichten sollen oder ihre Jobs verlieren. Deshalb können wir als Beschäftigte selbstbewusst fordern, dass die Reichen für die Krise zahlen sollen anstatt uns auf verzichtslogik einzulassen.
Solidarität
In der laufenden Tarifrunde im Nahverkehr (TV-N) arbeitet ver.di mit Fridays for Future und Umweltverbänden zusammen, um Druck für einen gut finanzierten, ausgebauten ÖPNV mit guten Löhnen und Arbeitsbedingungen zu machen. In den meisten Bereichen des öffentlichen Dienstes gibt es keine so offensichtlichen Partner*innen wie die Klimabewegung, aber die in vielen Städten bestehenden Bündnisse für mehr Personal im Krankenhaus und allgemeine Arbeitskampf-Solidaritätsbündnisse können Schritte in diese Richtung sein. Auch die Solidarität unter streikenden Kolleg*innen aus verschiedenen Bereichen ist wichtig. Zum Beispiel könnten Kolleg*innen aus dem ÖD als solche sichtbar an den Demos von Nahverkehrsbeschäftigten und Fridays for Future am 25.9. teilnehmen und umgekehrt TV-N-Kolleg*innen zu eigenen (Warn-)Streikkundgebungen einladen. Gleichzeitig läuft eine Tarifrunde bei der Post, auch hier können die Warnstreiks so koordiniert werden, dass zumindest gegenseitige Besuche möglich sind, wo es unter den Corona-Auflagen möglich ist auch gemeinsame Demos.
In diesem Zusammenhang ist es schade, dass ver.di entschieden hat die Entgelttabellen für die Sozial- und Erziehungsdienste nicht zu kündigen und die wegen Corona ausgesetzten Verhandlungen für diesen Bereich erst nach einem Abschluss für den gesamten TVÖD wieder aufzunehmen. Die Erzieher*innen und Sozialarbeiter*innen sind ein wichtiger Teil des öffentlichen Dienstes, die Abtrennung dieses recht gut organisierten Bereichs schwächt das Drohpotenzial gegenüber dem kommunalen Arbeitgeberverband VKA, und wenn niemand parallel streikt werden die SuE-Kolleg*innen in ihrer Tarifrunde allein den Angriffen der Arbeitgeber und der Medien wegen angeblich „rücksichtsloser“ Kita-Streiks gegenüberstehen.
Auch die Flughäfen sollten nicht vergessen werden. Die Betreibergesellschaften gehören der VKA an und zahlen bisher nach TVÖD, fordern jetzt aber Lohnsenkungen zur Beschäftigungssicherung. Über einen entsprechenden Tarifvertrag wird leider bereits verhandelt, weil die ganze Luftfahrtbranche vor einem dauerhaften Niedergang stehe. Das mag stimmen, aber dafür können die Beschäftigten ja nichts. Statt mit Lohnverzicht ein Paar Jahre Verzicht auf Kündigungen zu erkaufen, sollten Ersatzarbeitsplätze innerhalb des öffentlichen Dienstes geschaffen und Umschulungsangebote bei voller Lohnfortzahlung bereitgestellt werden. Das ist möglich, zum Beispiel fehlen im öffentlichen Nahverkehr 15000 Beschäftigte und in den nächsten 10 Jahren gehen weitere 30000 in Rente.
Streikdemokratie
Alle Kolleg*innen sollten über die Umfrage zur Forderungsaufstellung und die Abstimmung über das Ergebnis nach Ende der Tarifverhandlungen hinaus die Möglichkeit haben, sich in Diskussionen einzubringen und über die (Warn-)streiktaktik in ihren Betrieben mitzuentscheiden. Dafür sollten überall Streikversammlungen abgehalten werden, insoweit die Corona-Bedingungen es zulassen. Die „Tarifbotschafter*innen“, die durch Videokonferenzen über die Verhandlungen informiert werden und darüber mit ihren Kolleg*innen vor Ort diskutieren sind ein Schritt in die richtige Richtung. Um aber wirklich zur Demokratisierung des Arbeitskampfs beizutragen müssten sie von den Kolleg*innen gewählt werden wie etwa die Streikdelegierten im Streik des Sozial- und Erziehungsdienste 2015, und Entscheidungen treffen können wie die „Tarifberater*innen“ bei früheren Streiks in der Berliner Charité.
Die Laufzeit entscheidet!
Die Arbeitgeber wollen eine Laufzeit bis mindestens 2023 – angeblich wegen der „Planungssicherheit“. In Wirklichkeit geht es natürlich darum, eine faktische Nullrunde („Inflationsausgleich“ bei geringer Inflationsrate) so lange wie möglich festzuschreiben.
Immer längere Laufzeiten liegen im öffentlichen Dienst im Trend – nachdem beim TVÖD, aber auch bei den Ländern lange zwei Jahre üblich waren, wurde in der letzten Tarifrunde für 30 Monate abgeschlossen, beim TV-L sogar für 33 Monate. Die Abschlüsse wurden als Erfüllung oder sogar Übererfüllung der Lohnforderungen verkauft, dabei wird aber „vergessen“ dass die Forderungen sich auf eine Laufzeit von einem Jahr beziehen und dass man Erhöhungsschritte, die erst nach einem oder zwei Jahren gezahlt werden natürlich nicht einfach zu den sofort gezahlten Erhöhungen addieren kann um auf eine Gesamtsumme über die ganze Laufzeit zu kommen. Abgesehen vom Lohnverlust schwächen längere Laufzeiten auch die Gewerkschaften. Die meisten neuen Mitglieder werden immer dann gewonnen, wenn es Tarifauseinandersetzungen und (Warn-)Streiks gibt, weil Gewerkschaften für Kolleg*innen zu diesen Zeiten eben besonders wahrnehmbar sind. Je seltener Tarifrunden stattfinden, desto weniger sichtbar sind ver.di und GEW an der Basis – besonders dort, wo es keine aktiven Betriebsgruppen gibt – und desto schwächer wird die Durchsetzungskraft, wenn es darauf ankommt.
Deshalb ist es wichtig, für eine möglichst kurze Laufzeit zu kämpfen. Ver.di und GEW fordern zu Recht 12 Monate. Wenn ein Verhandlungsergebnis mit mehr als der doppelten Laufzeit in die Mitgliederbefragung kommt, sollte das Grund genug für eine Ablehnung sein.
Solidarität mit den Beschäftigten im öffentlichen Dienst und im Nahverkehr: Gemeinsam streiken!
von Sebastian Rave, Bremen
2,3 Millionen Beschäftigte im öffentlichen Dienst und 130.000 im Nahverkehr streiken um mehr Geld, um Entlastung, und um die Frage, wer für die Krise zahlt. Die Arbeitgeber im öffentlichen Dienst, Bund und Kommunen, wollen, dass die Beschäftigten gar keine Lohnerhöhung bekommen. Sie behaupten, wegen der Corona-Krise sei kein Geld da. Die Gewerkschaften müssen mit voller Kraft dagegen halten. In der Pandemie ist die Bedeutung des Öffentlichen Dienstes an allen Ecken und Enden deutlich geworden – besonders im Gesundheitssystem. Die Abschlüsse im öffentlichen Dienst haben Signalwirkung für andere Bereiche.
Im Nahverkehr geht es um die Arbeitsbedingungen, aber auch um wichtige gesellschaftliche Fragen. Wenn der Klimawandel ernst genommen wird, muss es eine Verkehrsrevolution geben. Weg vom Individualverkehr, rauf auf die Schiene und in den Bus. Dazu braucht es einen kostenlosen und gut ausgebauten ÖPNV – und dafür braucht es mehr Personal, entlastet und gut bezahlt.
Gerade in der Krise gilt für beide Tarifauseinandersetzungen: Gewinnen kann man nur politisch. Der Kampf um einen gut bezahlten und gut ausgestatteten Öffentlichen Dienst und öffentlichen Personennahverkehr muss verbunden werden mit dem Kampf für die Besteuerung von Reichtum, gegen die Profitlogik im Gesundheitsbereich und bei öffentlichen Dienstleistungen, und insgesamt für eine Wirtschaft, in der die Bedürfnisse der Menschen und der Umwelt an erster Stelle stehen.
Die Streiks müssen gemeinsam geführt werden. Die Arbeitgeber müssen die gemeinsame Macht der Beschäftigten im Nahverkehr und im öffentlichen Dienst spüren, um zu Zugeständnissen gezwungen zu werden.
Die Streiks sollten demokratisch geführt werden. In den Betrieben selber sollte es tägliche Streikversammlungen geben, in der alle über Streikformen, Forderungen und Verhandlungsergebnisse diskutieren und Beschlüsse gefällt werden sollten.
Ein gut ausgestatteter öffentlicher Dienst und Nahverkehr geht alle an. Deswegen müssen möglichst viele Menschen die Streiks unterstützen. Sei es mit Unterschriftensammlungen, Info-Aktionen, Streikbesuchen oder Solidaritätskomitees. Es ist gut, dass die Klimabewegung die Tarifrunde Nahverkehr unterstützt. Es braucht mehr solcher gesellschaftlichen Bündnisse, um zu verhindern, dass die Mehrheit der Bevölkerung, die jeden Tag zur Arbeit geht, die Zeche für ein krisenhaftes System zahlt, das nur den Reichen nützt.
TVÖD: Harte Auseinandersetzung für 2,3 Millionen Beschäftigte
von Thies Wilkening, Hamburg
Nach der Kündigung der Entgelttabellen zum Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst (TVÖD) beginnt im September die Tarifrunde für die Beschäftigten in Verwaltungen von Bund, Kreisen und Kommunen, kommunalen Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen, öffentlichen Einrichtungen wie Bibliotheken und Volkshochschulen, Hausmeister*innen und Sekretär*innen in Schulen und für viele weitere Kolleg*innen. Auch für Erzieher*innen und Sozialarbeiter*innen gilt der TVÖD und auch bei ihnen steht eine Tarifrunde bevor, über ihre Löhne wird aber separat verhandelt.
ver.di hat wegen Corona die Forderungsdiskussion als Online-Umfrage durchgeführt, Kolleg*innen konnten ihre Vorschläge für eine Lohnforderung und bis zu drei weitere Forderungen angeben. Die Bundestarifkommission hat am 25.8. die Forderungen beschlossen – leider erst nach dem Redaktionsschluss dieser Ausgabe. Bewertungen zu den Forderungen findet ihr auf unserer Website sozialismus.info oder bei der linken Gewerkschafter*innen-Vernetzung VKG (vernetzung.org).
Wir wissen aber schon jetzt, dass die Arbeitgeber die Tarifrunde für Angriffe nutzen werden. So sind Angriffe im Bereich der Sparkassen und Flughäfen geplant .Sehr wahrscheinlich werden sie versuchen, Entgelttabellen mit sehr geringen oder gar keinen Erhöhungen für viele Jahre festzuschreiben und damit durch die Inflation die Reallöhne zu senken. ver.di sollte sich darauf nicht einlassen und für eine kurze Laufzeit kämpfen. Viele Kolleg*innen, vor allem in den Krankenhäusern und der Altenpflege, aber auch in den Gesundheitsämtern gelten zu recht als „systemrelevant“. Die Corona-Pandemie hat ihre schlechte Bezahlung und hohe Arbeitsbelastung ins öffentliche Bewusstsein gebracht und gute Voraussetzungen für offensive Forderungen geschaffen. Manche ver.di-Betriebsgruppen in Krankenhäusern hatten vor Corona Lohnforderungen über 10 % diskutiert, die VKG fordert zu Recht 500 Euro mehr in den Krankenhäusern und im Erziehungsdienst.
Gemeinsam kämpfen – demokratisch entscheiden
Warnstreiks sollten im Rahmen der Hygienemaßnahmen möglichst gemeinsam geführt werden, so dass Kolleg*innen aus mehreren Bereichen und Einrichtungen zusammenkommen. Wo es möglich ist, sollten die Warnstreiks mit den parallel laufenden Tarifrunden bei den öffentlichen Nahverkehrsbetrieben und bei der Post koordiniert werden, um gemeinsam zu streiken und Solidarität zu zeigen.
Kolleg*innen sollten über die Umfrage zur Forderungsaufstellung und die Abstimmung über das Ergebnis nach Ende der Tarifverhandlungen hinaus die Möglichkeit haben, sich in Diskussionen einzubringen und über die (Warn-)streiktaktik in ihren Betrieben mitzuentscheiden. Dafür sollten überall Streikversammlungen abgehalten werden, insoweit die Corona-Bedingungen es zulassen. Die „Tarifbotschafter*innen“, die durch Videokonferenzen über die Verhandlungen informiert werden und darüber mit ihren Kolleg*innen vor Ort diskutieren sind ein Schritt in die richtige Richtung. Um aber wirklich zur Demokratisierung des Arbeitskampfs beizutragen müssten sie von den Kolleg*innen gewählt werden wie etwa die Streikdelegierten im Streik des Sozial- und Erziehungsdienste 2015, und Entscheidungen treffen können wie die „Tarifberater*innen“ bei früheren Streiks in der Berliner Charité.
Beschäftigte und Klimabewegung gemeinsam
Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di
hat bundesweit die Tarifverträge im öffentlichen wie privaten Personennahverkehr gekündigt und sich seit Monaten auf eine umfassende Tarifbewegung vorbereitet. Ziel in der derzeit laufenden Tarifrunde ist eine Vereinheitlichung und Verbesserung der Arbeitsbedingungen im öffentlichen wie auch privaten Personennahverkehr. Wer Klimaschutz und das Zurückdrängen des Autoverkehrs will, braucht einen gut ausgebauten ÖPNV. Dazu gehören auch gute Arbeitsbedingungen der Beschäftigten.
Angela Bankert, Köln
Seit den 1990er Jahren haben sich Arbeitsbedingungen und Gehälter der Beschäftigten im Nahverkehr stark verschlechtert. Leider hat auch ver.di seinerzeit die Einführung von Spartentarifverträgen mit erheblichen Lohneinbußen mitgetragen und die guten Standards des alten BAT/BMT kampflos aufgegeben. Dies sollte der Beschäftigungssicherung dienen. Doch tatsächlich befördern die Beschäftigten des ÖPNV heute mit 18 % weniger Personal 24 % mehr Fahrgäste. Steigende Arbeitsbelastung und überproportional hohe Krankenstände sind die Folge. Über 40 % der Beschäftigten sind 50 Jahre und älter; mittlerweile herrscht Personalmangel, Nachwuchs wird händeringend gesucht.
Kein Wunder bei den schlechten Arbeitsbedingungen: Das Einstiegsgehalt liegt bei 2300 Euro. Laut Befragung von ver.di wollen die Kolleg*innen verlässliche Arbeitszeiten, angemessene Ruhezeiten und die Verringerung von Belastungen. Es gibt Dienste, in denen die Kolleg*innen den Einsatzplan für die nächsten Dienste oft erst am Vortag erfahren. Viele angebliche „Betriebsstörungen“ sind in Wahrheit auf Personalmangel zurückzuführen, weil es keine personelle Einsatzreserve gibt. Allein in Köln werden zur Entlastung des Personals und der Ausweitung des ÖPNV rund 250 neue Fahrer*innen benötigt. Bundesweit fehlen zehntausende Beschäftigte in Fahrdienst, Wartung und Reparatur.
Fridays for Future
Bei der laufenden Tarifrunde zum Tarifvertrag Nahverkehr (TV-N), der mit den Ländern abgeschlossen wird, geht es hauptsächlich um die Verbesserung der Arbeitsbedingungen. Gehaltsforderungen sollen im Zusammenhang mit der parallel laufenden Gehaltstarifrunde des TVöD zum Zuge kommen. Beides kann und sollte unbedingt koordiniert laufen.
Da es gemeinsame inhaltliche Schnittmengen gibt, kooperieren ver.di und die Fridays-Bewegung erfreulicherweise in dieser Tarifrunde. FFF haben auf Bundesebene einen Arbeitskreis Gewerkschaften eingerichtet. Die ver.di-Bundes- und Landesebene unterstützt gemeinsame Aktivitäten von Beschäftigten und Klimaaktivist*innen sowie mit örtlichen Verkehrswende-Bündnissen. Dies ist ein wichtiger Schritt, der das Thema stärker in die Öffentlichkeit rückt und die Tarifrunde politisieren kann. Denn letztlich muss betrieblicher wie auch politischer Druck aufgebaut werden, um eine drastische Erhöhung der ÖPNV-Finanzierung durchzusetzen. Ein attraktives und kostenloses Angebot bei guten Arbeitsbedingungen befördert den Umstieg vom Auto zum ÖPNV und ist ein wirksamer Beitrag zum Klimaschutz.
Im Gegensatz zu den Fridays können die Beschäftigten Streiks durchführen, die tatsächlich auch ökonomisch treffen. Sie sind allerdings auf Verständnis und Unterstützung in der Bevölkerung angewiesen. Dies zu befördern, sollten sich wiederum die Klimaaktivist*innen auf die Fahne schreiben.
Bei aller Wichtigkeit gesellschaftlicher Bündnispolitik kann dies nicht die zentrale Bedeutung des gewerkschaftlichen Kerngeschäfts schmälern, die Organisation, Mobilisierung und Durchführung von Arbeitskämpfen.
Die Tarifrunden im öffentlichen Dienst und im Nahverkehr könnten sich zu einem heißen Herbst verdichten. Denn es geht natürlich auch um die Frage: wer bezahlt für die Folgen der Wirtschaftskrise? Werden sie zu Lasten der öffentlichen Daseinsvorsorge und der Beschäftigten gehen oder werden die Vermögenden zur Kasse gebeten. Die Partei DIE LINKE und die gesellschaftliche Linke sollte zur aktiven Unterstützung bereit stehen.
Angela Bankert ist aktiv im Bündnis Verkehrswende und im Solidarischen Klimabündnis Köln.