Was ist TERF und warum ist das „schlechter Feminismus“?

Sozialistischer, queerinklusiver Feminismus statt Transfeindlichkeit – Reihe
Angesichts der Transfeindlichkeit, etwa der bürgerlichen Feminist*innen von der EMMA und anderer, auch mancher Linker, wollen wir uns hier in einer Reihe von Artikeln damit auseinandersetzen, was mit TERFs nicht stimmt, woher ihre falschen Positionen kommen und wie eine marxistische Perspektive zu einem sozialistischen und queerinklusiven Feminismus führt, der für die Befreiung aller Geschlechter kämpft.

Der trans-exklusive Radikalfeminismus, kurz TERFismus ist eine Erscheinungsform des Radikalfeminismus. Er entsteht durch das Kombinieren der Überzeugungen, das Patriarchat sei die primäre Unterdrückungsform, Frauenbefreiung erfordere einen Geschlechterkampf und der identitätspolitischen Analyse mit einer bio-essentialistischen Deutung von Geschlecht. Das heißt, TERFs unterscheiden nicht zwischen biologischem Geschlecht (Sex) und sozialem Geschlecht (Gender). Die Geschlechtsidentität einer Person hänge ausschließlich von „Geschlechtschromosomen“, „Geschlechtshormonen“, primären und sekundären „Geschlechtsorganen“ ab. 

Einige TERFs behaupten sogar, diese Auffassung entspreche dem dialektischen Materialismus, denn es wird ja davon ausgegangen, Geschlechtsidentität sei durch das „materielle“ biologische Geschlecht definiert. Tatsächlich ist eine bio-essentialistische Analyse von Geschlecht jedoch unvereinbar mit marxistischem Denken. Marx’ dialektischer Materialismus stützt sich auf die Erkenntnisse der Naturwissenschaft.

Aus naturwissenschaftlicher Sicht sind sowohl Sex, als auch Gender soziale Konstrukte. Zugleich existieren postmodernistische und idealistische Ansätze, die diese soziale Konstruiertheit ignorieren und Sex und Gender allein auf subjektive Selbstdefinition reduzieren. Als Reaktion darauf entstehen bei manchen Feminist*innen Positionen, die Teile von TERF-Argumentation übernehmen oder deren Ansichten so gedeutet werden können. Falsche Verwendungen des „TERF“-Vorwurfs rechtfertigen jedoch weder, dass sich wirklich transfeindliche/transexklusive Feminst*innen zu Opfern stilisieren, noch sollen sie darüber hinwegtäuschen, dass es trans-exklusiven (Radikal-)Feminismus tatsächlich gibt. Dieser soll im Folgenden analysiert und kritisiert werden. 

Warum TERFs falsch liegen

TERFs mit ihrer bio-essentialistischen Auffassung von Geschlecht schließen  trans Menschen gänzlich aus ihrem Realitätsbild aus. Sie sehen trans Männer als fehlgeleitete Frauen, die sich nicht mit der weiblichen Geschlechterrolle identifizieren können und denen weisgemacht wurde, sie könnten sich aus patriarchaler Unterdrückung „herausidentifizieren“. Aufgrund dessen glauben TERFs, die Anerkennung von trans Männern behindere den Abbau sexistischer Geschlechterrollen. Auf diese Weise wird trans Männern unterstellt, nicht zwischen geschlechtsbezogenem Nonkonformismus und Gender-Dysphorie unterscheiden zu können. Diese Unfähigkeit lässt sich vielmehr auf Seiten des TERFismus beobachten. 

Da sie die Unterdrückung der Frau als primäre Unterdrückungsform betrachteten, erkennen TERFs nicht, dass das „sich aus patriarchaler Unterdrückung herauszuidentifizieren“, wie sie es sich ausmalen, gar nicht möglich ist. Wird ein trans Mann als Mann (an)erkannt,  ist er zwar nicht länger von misogyner Unterdrückung betroffen, jedoch ist an deren Stelle längst transfeindliche Diskriminierung getreten. Formen der Unterdrückung wie Rassismus oder Queerfeindlichkeit ordnet der TERFismus allerdings dem Patriarchat als Nebensächlichkeit unter. Auf Grundlage ihrer identitätspolitischen Analyse von Frauenunterdrückung, wonach das Unterdrückertum zwangsläufig in der „männlichen Identität“ angelegt ist, betrachten TERFs trans Frauen als Männer, die in weibliche Schutzräume eindringen und cis Frauen schaden wollen. Während sie trans Männer also stark infantilisieren, werden trans Frauen enorm dämonisiert. Das gilt insbesondere für trans Frauen, die einem stereotypischen Bild von Weiblichkeit entsprechen. Hier sehen TERFs Männer, die sich gemäß eines zwangsläufig unterdrückerischen Frauenbild kostümieren und dadurch, dass sie fordern, als Frauen anerkannt zu werden, zu bekämpfende Geschlechterrollen aufrechterhalten. Somit würden trans Frauen misogyne Unterdrückungsmuster bestätigen, ohne selbst darunter leiden zu müssen. Da aus Sicht der TERFs trans Frauen Männer sind, seien sie auch nicht durch das Patriarchat unterdrückt. 

In Wirklichkeit erfahren trans Frauen patriarchale Unterdrückung in besonderer Weise: Weil sie sowohl transfeindliche, als auch misogyne Diskriminierung erleben, wird von „Trans Misogynie“ gesprochen. Inwieweit eine individuelle Frau, trans oder cis, der weiblichen Geschlechterrolle entspricht, oder absagt kann das Patriarchat weder aufrechterhalten noch stürzen. Feministische Befreiung erfordert Umbruch auf Ebene des politischen Systems. Individueller Geschlechterrollen-Nonkonformismus ist nicht ausreichend.

Die politische Praxis von TERFs

Aus seiner transfeindlichen Ideologie schlussfolgert der trans-exklusive Radikalfeminismus eine politische Praxis, deren Fokus das Geringhalten von Rechten für trans Menschen ist. Vor allem wird versucht, den Zugang zu medizinischen Transitionsmaßnahmen wie z.B. Hormontherapien und geschlechtsangleichende Operationen so schwer wie möglich zu machen. Das hat schwere Folgen: Für viele trans Personen ist die medizinische Transition die einzige Möglichkeit, ihre Gender-Dysphorie zu bekämpfen und ein positives Verhältnis zu ihrem Erscheinungsbild aufzubauen. Das Risiko für lebensbedrohliche Verhaltensweisen ist bei transgender Jugendlichen fast 6 mal erhöht (2018). Dabei spielt mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Rolle, dass jugendliche trans Personen von einem unterstützenden Elternhaus abhängig sind, wenn sie eine Transition anstreben.

Überdies ist der Zugang zu medizinischen Transitionsmaßnahmen bereits kein einfacher. In Deutschland muss eine Person sich entweder mehrere Jahre in Therapie befinden oder geoutet gelebt haben. Anschließend sind mehrere psychologische Gutachten erforderlich. Vor jedem medizinischen Eingriff wird die Person nochmals fachärztlich überprüft. In den USA haben jugendliche trans Personen ohne reiches Elternhaus besondere Schwierigkeiten, denn die kostspieligen geschlechtsangleichenden Operationen müssen eigenhändig bezahlt werden. 

Des Weiteren ist es TERFs ein wichtiges Anliegen, zu verhindern, dass trans Personen Zugang zu jenen geschlechtsspezifischen Räumen bekommen, die mit ihrer Geschlechtsidentität übereinstimmen. Trotz wiederholter Widerlegung des Arguments halten sie an der Behauptung fest, trans Frauen auf öffentlichen Damentoiletten würden eine Bedrohung für cis Frauen darstellen. Tatsächlich müssen vielmehr trans Frauen mit Gewalterfahrungen rechnen, wenn sie gezwungen sind, die Herrentoilette aufzusuchen. Mittlerweile sind schon einige TERFs dazu übergegangen, vermeintliche trans Frauen beim Nutzen der Damentoilette bloßzustellen, zu beschimpfen und zu filmen. Nicht in jedem dieser Fälle war die angefeindete Frau tatsächlich trans. Im Online-Bereich spezialisieren sich zahlreiche TERFs darauf, das Äußere von trans Frauen zu beleidigen, sie kontinuierlich zu misgendern und ihre abgelegten Geburtsnamen (Deadnames) herauszufinden.

TERFismus ist schädlicher Feminismus

Mit seiner anti-trans Politik stimmt der trans-exklusive Radikalfeminismus nicht nur inhaltlich mit rechten Kräften überein. In Deutschland machen sich EMMA und AfD „gegen den Genderwahn“ laut. In den USA arbeitet die radikalfeministische „Women’s Liberation Front” (WoLF) regelmäßig mit christlichen, konservativen und extrem rechten Organisationen zusammen. Tatsächlich betreiben TERFs und die Rechte die aktivste Politik zur Kleinhaltung der Rechte von trans Personen.

Es ist klar, dass die politische Ideologie und Praxis des TERFismus vor allem trans Personen schadet. Aber auch der Befreiung von cis Frauen kommen TERFs nicht näher. Mehr noch als der allgemeine Radikalfeminismus ist der trans-exklusive Radikalfeminismus „schlechter Feminismus“, da er nicht bloß ineffektiv, sondern kontraproduktiv bezüglich der Frauenbefreiung ist. Er macht keine Politik für cis Frauen. Er macht ausschließlich anti-trans Politik und das im Schulterschluss mit Kräften, die Politik gegen alle Frauen machen. Das ist sowohl die Rechte, als auch der bürgerliche Kapitalismus. Indem der TERFismus den Klassenkampf aufgibt, die Arbeiter*innenklasse in Frauen, Männer und genderqueere Personen spaltet und das Bild eines naturgegebenen Zwei-Geschlechter-Modells aufrecht erhält, unterstützt er das System, welches das Patriarchat als Werkzeug nutzt.

Der Kapitalismus profitiert von der traditionellen Vater-Mutter-Kind-Familie entsprechenden Geschlechterrollen, den sozialen Konstrukten Sex und Gender. Folglich können feministischer und queerer Befreiungskampf weder voneinander, noch vom gemeinsamen Klassenkampf mit Arbeitern getrennt werden. „Guter Feminismus“ befreit alle Geschlechter und muss also sozialistisch und queerinklusiv sein!

 Als sozialistische Feminist*innen fordern wir:

  • für eine wissenschaftliche & marxistische Analyse: weg mit dem bio-essentialistischen, binären Geschlechtermodell
  • Weg mit sexistischen Geschlechterrollen
  • Haus- und Sorgearbeit vergesellschaften und unter demokratische Kontrolle
  • für queerinklusiven Schulunterricht und Bildungsangebote 
  • für körperliche Selbstbestimmung und gute medizinische Versorgung aller: einfacher Zugang zu Transitionsmaßnahmen, Schwangerschaftsabbrüchen etc. 
  • gemeinsam gegen Sexismus, Queerfeindlichkeit und Kapitalismus: feministische Befreiung heißt Klassenkampf

Sozialistischer, queerinklusiver Feminismus statt Transfeindlichkeit

Teil 1: Weiblich, männlich oder was
Teil 2: Was ist transgender und warum? – Eine marxistische Definition
Teil 3: Radikalfeminismus – Eine marxistische Kritik
Teil 4: Was ist TERF und warum ist das „schlechter Feminismus“?